Qualifizierte Fach- und Führungskräfte sind das Herzstück erfolgreicher Unternehmen. Sie zu finden, dann zu halten und immer wieder zu motivieren, sich weiterzuentwickeln, ist und bleibt eine zentrale Herausforderung für Unternehmen und Personalabteilungen. Nicht immer geht es ohne professionelle Hilfe. Mit Unterstützung von außen gelingt es dann, über den Tellerrand hinauszublicken und Probleme zu enttarnen. Nicole Pathé ist Spezialistin in den Bereichen Personal- und Organisationsentwicklung und steht seit 30 Jahren vor allem mittelständischen Unternehmen zur Seite. Die Gründerin und Inhaberin von pingcom erklärt, was hinter dem Thema Personalentwicklung steckt, wie sie funktioniert und was ein Kochabend damit zu tun hat.
Personalentwicklung

Personalentwicklung

Foto: © pixabay.com

Was ist Personalentwicklung? Das klingt nach etwas, auf das der Mitarbeiter selbst keinen Einfluss hat: Er wird entwickelt …
Der Mitarbeiter ist der Kapitän seiner Entwicklung. Ich motiviere Menschen, über ihr eigenes Verhalten in der Arbeitswelt nachzudenken, Quellen der Zufriedenheit zu erkennen und Herausforderungen zu identifizieren. Auf diese Weise wird Menschen bewusst, wie wichtig regelmäßige Reflexion ist und dass sie selbst die Steuerung ihrer Entwicklung in der Hand haben.

Ist Personalentwicklung ein HR-Trend?
Sie ist viel mehr und – aus meiner Sicht – notwendiger denn je. Sie ist für jedes Unternehmen wichtig – unabhängig von seiner Größe. Personalentwicklung beschreibt nichts anderes als die Aufgabe, die gesamte Belegschaft für die Entwicklung eines Unternehmens fit zu halten. In der Schnelllebigkeit, in der wir heute unterwegs sind, verändern sich auch kontinuierlich die Arbeitsprozesse, die Abläufe sowie die Produkte. Unternehmen können nur mithalten, wenn sich auch die Mitarbeiter verändern. Wenn sie aber in ihrem Verhalten verharren, klappt das nicht. Personalentwicklung gehört zu den Kernaufgaben der Unternehmensführung.

Wer kommt zu Ihnen und mit welchen Problemen?
Wir arbeiten überwiegend für mittelständische Unternehmen mit einer Personalstärke von 100 bis ca. 5.000 Mitarbeitern. Dazu gehören Familienunternehmen, die seit Jahrzehnten erfolgreich am Markt und international ausgerichtet sind. Unser Kundenportfolio ist breit gefächert und setzt sich aus unterschiedlichen Branchen zusammen: Verpackungshersteller, Banken, Versicherungen, Bio-Branche, Personaldienstleister. Pharmaunternehmen sowie Einrichtungen aus dem kulturellen Bereich gehören dazu. Aktuell liegt uns die Anfrage einer Kultureinrichtung nach einem Teamcoaching vor. Es geht darum, ein völlig neu zusammengesetztes Leitungsteam während der laufenden Spielzeit schnell aufeinander einzustimmen, um konstruktiv zusammenzuarbeiten und kurzfristige Ziele zu erreichen. Wichtig wird es sein, im Rahmen eines Coachings mögliche Konfliktherde festzustellen, Stärken und Schwächen auszumachen, neue Herausforderungen aufzuzeigen und letztendlich Vertrauen zwischen den Einzelnen aufzubauen. Am Ende des ersten Coachingtages wird die Gruppe konkrete Vereinbarungen getroffen haben, wie sie die Zusammenarbeit gestalten will. Dazu gehören Häufigkeit und Art der Treffen, Sicherstellen des Informationsflusses, Herbeiführen von Entscheidungen und nicht zuletzt die Kommunikation in das Unternehmen hinein. Ich werde den Prozess im Rahmen von Online-Einzelberatungen weiter begleiten und etwa sechs Monate später findet dann das nächste persönliche Teamcoaching statt, um getroffene Vereinbarungen zu evaluieren und gegebenenfalls anzupassen.

Das klingt nach Hilfe zur Selbsthilfe …
Ja, ich gebe wenig vor. Ich zeige Modelle auf, mit denen man Prozesse und Themen reflektieren kann. Das macht es einfacher, sich auseinanderzusetzen.

Wie bereitet man sich auf einen solchen Auftrag vor?
Ich kann mich im Prinzip nur auf die Inhalte vorbereiten, aber nicht auf den Prozess. Deswegen liebe ich meinen Job so, ich kann nicht viel planen, sondern muss damit arbeiten, was mir mein Gegenüber anbietet. Das macht meine Arbeit sehr abwechslungsreich.

Was gehört zur Personalentwicklung?
Das ist die Summe der Maßnahmen, die ein Unternehmen anbietet, um die eigene Belegschaft fit und kompetent zu halten. Um dies umzusetzen, gibt es verschiedene Tools wie zum Beispiel die Mitarbeiterzufriedenheitsbefragung: Durch sie erhalten Unternehmen einen Stimmungsspiegel und sehen, wo es gut läuft und was Probleme bereitet. Daraus wiederum ergeben sich konkrete Themen, an denen man arbeiten sollte. Letztendlich geht es immer um Leistung. Oft frage ich Geschäftsführer und Vorstände, wie sie sicherstellen, dass regelmäßig über Leistung gesprochen wird. Es ist wichtig, Leistungsverhalten anzusprechen und zum Thema zu machen. So erhält man die Chance, es besser zu machen. Anderenfalls überlässt der Unternehmer Leistung dem Zufall.

Wie macht man etwas zum Thema?
Eine Möglichkeit ist eine regelmäßige Mitarbeiterbeurteilung. Die Führungskraft setzt sich mit jedem Mitarbeiter zusammen und spricht mit ihm über dessen Leistung. Dabei ist es wichtig, dass das Gespräch nicht nach Gutdünken abläuft. Entscheidend ist, dass die Beurteilung einem Leitfaden folgt und strukturiert ist. Der Mitarbeiter muss sich selbst äußern können und vermitteln, wie er sich sieht. Dadurch wird für ihn die eigene Leistung ebenfalls zum Thema. Optimal läuft es, wenn klar wird, dass man sich gemeinsam entwickeln und lernen muss, um Leistung und damit Erfolg zu generieren.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Im Moment arbeiten wir mit einem deutschen Unternehmen zusammen, das Dependancen im Ausland aufbaut. Dadurch wird die englische Sprache zum Thema. Viele Mitarbeiter, die seit Jahren für das Unternehmen arbeiten, wehren sich dagegen, in einem deutschen Unternehmen plötzlich Englisch sprechen zu müssen. Wir haben mehrere Betriebsversammlungen durchgeführt, auf denen der Vorstand der Belegschaft seine Strategie zielgruppengerecht erläutert hat. In einem zweiten Schritt wird nun in einzelnen Workshops erläutert, was das Gehörte für das jeweilige Team bedeutet. Wichtig ist, in kleinen Schritten zu kommunizieren und in den Austausch zu gehen, Veränderung geschieht nicht durch Ansage, sondern im Dialog.

Wie sieht es mit der Personalentwicklung bei Führungskräften aus? Ist sie anders?
Sie unterscheidet sich vor allem in einem Punkt und das betrifft das Coaching. Das ist die individuellste Form der Personalentwicklung. Sie ist sehr fokussiert und anspruchsvoll und wird überwiegend von Führungskräften in Anspruch genommen. Alles andere gibt es über alle Hierarchien hinweg.

„Menschen verbinden sich mit Menschen und nicht mit Unternehmen.“

Nicole Pathé

Nicole Pathé

Nicole Pathé, pingcom.de, Foto: © Stefanie Päffgen, stefanie-paeffgen.de

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Personalentwicklung?
Auch in dieser Branche eine immer größere und sie hat natürlich während der Pandemie einen besonderen Schub erhalten. Ich führe im Moment 50 Prozent aller Coachings online durch, das wäre früher undenkbar gewesen. Onlinetrainings für Gruppen finden bei uns keinen Raum. Wenn ein Team beispielsweise Konflikte hat, kann man das nicht online lösen.

Was muss man haben, um ein guter Personalentwickler zu sein?
Ich finde ganz wichtig, dass man Entwicklung für sich selbst großschreibt. Man muss sich selbst weiterentwickeln wollen. Ein Personalentwickler sollte daran glauben, dass Menschen, wenn man ihnen Anregungen gibt, sich öffnen und an sich arbeiten. Personalentwickler stellen Tools und Maßnahmen zur Verfügung, die zu Entwicklung und Dialog einladen. Sie sind Unterstützer einer lernenden Organisation. Es gehört dazu, vorausschauend zu sein, sodass Probleme gar nicht erst entstehen können. Menschenkenntnis ist ein ganz wesentlicher Faktor.

Viele Vorgesetzte und HR-Leute haben gegenüber älteren Mitarbeitern noch immer Vorbehalte. Tauchen sie in der Personalentwicklung überhaupt noch auf?
Sehr viel, da immer mehr Menschen länger arbeiten. Alle sprechen von Diversity, aber wenn das eigene Team betroffen ist, kann es zur Herausforderung werden. Vielfalt hat viele Facetten und heißt auch, dass man verschiedene Altersgruppen im Team hat. Aufgabe der Führungskraft ist, zwischen allen Beteiligten ein gutes Miteinander herzustellen. Ältere Kollegen verfügen über große Erfahrung und die sollte man unbedingt nutzen. Ich glaube, Unternehmen erkennen mehr und mehr die Vorteile, wenn sie ältere Mitarbeiter einbinden und ihre Leistung wertschätzen. Dies setzt allerdings voraus, dass sie sich bis zum Schluss wirklich einbringen. Es ist ein Miteinander. Ich glaube, die hohe Auslastung in der Arbeitswelt verhindert oft, dass Mitarbeiter sehen, welches Potenzial neben ihnen sitzt.

Wie funktioniert Personalentwicklung bei Homeoffice und hybridem Arbeiten?
Ich finde es wichtig, dass Unternehmen Homeoffice als Teil unserer Arbeitswelt akzeptieren. Zweifelt man, ob Mitarbeiter wirklich arbeiten, gab es diese Zweifel bereits vorher. Es gibt keine neuen Probleme, sondern verdeckt liegende werden hochgespült. Führungskräfte, die hybride Teams führen, sollten wissen, dass dies anders gemacht wird, als wenn man auf derselben Etage sitzt. Sie sollten beispielsweise regelmäßig zu Onlinemeetings einladen, bei denen es nicht nur um die Arbeit geht. Man kann auch mal fragen: „Wie war denn euer Wochenende?“ Das Zwischenmenschliche ist wichtig. Menschen verbinden sich mit Menschen und nicht mit Unternehmen. Es gibt so viele Möglichkeiten, man muss sie nur nutzen. Ich war neulich in einem Unternehmen, das online einen Kochabend veranstaltet hat. Jedes Teammitglied hat mit den gleichen Zutaten zu Hause ein Menü gekocht. Jeder Gang wurde dann räumlich getrennt, aber trotzdem gemeinsam gegessen. Das war Personalentwicklung pur.

„Wir machen Menschen erfolgreich“ steht auf Ihrer Webseite und nicht „Wir machen Unternehmen erfolgreich“ …
Genau, wenn man die Menschen erfolgreich macht, ist das die Voraussetzung dafür, dass auch die Unternehmen erfolgreich sind. Erfolgreich machen heißt nicht, dass jeder eine Führungskraft wird, sondern wir helfen den Menschen, zu definieren, was für sie persönlich Erfolg bedeutet.
(Susanne Rothe)