Willi Bellinghausen hat vor zehn Jahren sein Hobby zum Beruf gemacht und eine zweite Karriere als Profimusiker gestartet. Ein Schritt, den er, wie er heute weiß, schön früher hätte machen sollen. Willi Bellinghausen hat in der Tanz- und Unterhaltungsmusikszene in Bonn und Köln Fuß gefasst. Sein Name steht für gute Stimmung, Spontanität und Professionalität. In unserem Interview erfahren wir, welche Rolle die Musik in seinem Leben spielt, wie sein Plan B aussieht und warum er sich selbst für „bekloppt“ hält.

Interview: Susanne Rothe

Willi Bellinghausen besuchte uns in der Redaktion und warnte uns gleich, er sei kein guter Interviewpartner. In dem Punkt lag er mit seiner Selbsteinschätzung völlig daneben. Wir hatten ein lockeres und, wie könnte es bei Willi Bellinghausen anders sein, unterhaltsames Gespräch, bei dem auch die eine und andere Gemeinsamkeit ans Licht kam. Nicht, was die Musik betrifft, aber unsere Vorliebe für eine richtig gute Currywurst nach traditioneller Art: mit Ketchup und Currypulver. Willi ist ein angenehmer Gesprächspartner, der im echten Leben genauso ist wie auf der Bühne: unverstellt, offen und sympathisch.

Du bist noch nicht sehr lange Berufsmusiker.
Ich habe vor zehn Jahren mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich bin Elektriker und habe unter anderem beim Deutschen Bundestag im Bereich Aufzug und Fördertechnik gearbeitet. Als die Bundesregierung nach Berlin ging, wollte ich nicht mit und habe dann ganz unterschiedliche Jobs angenommen. Nebenbei habe ich immer Musik gemacht.

Welches Instrument spielst du?
Ich habe Heimorgel gelernt und spiele jetzt Keyboard. Sehr lange habe ich mit der Bonner Dancing Band zusammengearbeitet – zuerst als Roadie, später als Musiker. Dabei habe ich sehr viel gelernt. Vor zehn Jahren habe ich mich dann selbstständig gemacht und arbeite seitdem hauptberuflich als Musiker.

Ein mutiger Schritt …
Ja, aber entweder richtig oder gar nicht. Ich habe mich richtig reingekniet – mit allem, was dazugehört. Ich bin zum Beispiel früher nie Klinken putzen gegangen, denn ich war ja versorgt. Jetzt muss ich mich selbst vermarkten. Aber: Musik ist mein Leben, damit fühle ich mich wohl.

Hast du den Schritt jemals bereut?
Nein, nie. Heute sage ich mir, dass ich diesen Schritt schon vor
30 Jahren hätte machen sollen.

Wie schwer war es, Fuß zu fassen?
Ich war innerhalb Bonns unter anderem durch die Bonner Dancing Band schon bekannt. Zu diesen Menschen habe ich am Anfang Kontakt aufgenommen. So bin ich zum Beispiel ins Weinhaus Bertram nach Dernau gefahren, wo ich 1979 meinen allerersten Auftritt hatte. Ich konnte direkt auf dem Winzerfest auftreten. Das ist jetzt neun Jahre her, seitdem spiele ich dort jedes Jahr – mittlerweile auf einer eigenen Bühne, die direkt vor dem Haus steht.

Willi Bellinghausen

Willi Bellinghausen

Warum heißt deine Band Dancing Sound?
Da steckt die Verbindung zur Bonner Dancing Band drin. Meine eigene Band hieß früher Duo Sound. Aus beidem wurde Dancing Sound. Dann haben wir noch meinen Namen ergänzt. So heißt die Band heute Willi Bellinghausens Dancing Sound.

Ist der Name Programm und die Menschen sollen tanzen?
Es wird viel bei mir getanzt. Aber man bucht uns vor allem, weil wir gute Stimmung machen.

Wie stellst du dich auf dein jeweiliges Publikum ein?
Ich bin so, wie ich bin und verstelle mich nicht. Ich bin sicherlich nicht der beste Musiker, aber ich kann das Publikum unterhalten und meine Musik verkaufen. Musik machen können viele, aber ich reagiere auf mein Publikum und beziehe es in mein Programm mit ein. Ich schnappe etwas auf und setze es in Musik um oder ich wandle einen Text blitzschnell ab.

Wie wichtig ist Spontanität?
Sehr wichtig. Es gibt immer Situationen, bei denen vor oder auf der Bühne irgendetwas passiert, dann fällt mir dazu ein Lied ein und ich spiele es. Das geht auch schon mal schief, aber zu 90 Prozent passt es. Das ist dann auch für das Publikum etwas Besonderes.

Das heißt, du musst immer voll konzentriert sein.
Auf jeden Fall. Man muss zum Beispiel bei Karnevalsauftritten genau darauf achten, was der Büttenredner sagt, um ihn dann musikalisch unterstützen zu können. Man muss gut zuhören und sich reindenken. Das ist viel schwieriger als nur ein Lied zu spielen. Da ist auch nichts abgesprochen.

Ist deine Art angeboren oder antrainiert?
Ich bin einfach so bekloppt (lacht). Ich lebe mein Ding und habe Spaß an dem, was ich tue.

Hast du Lampenfieber?
Vor jedem Auftritt, auch wenn man mir das nicht ansieht. Ich mache mir über jede Veranstaltung im Vorfeld Gedanken und habe immer einen Plan im Kopf. Wenn man wie ich öfters als Keyborder alleine auftritt, muss man die Technik beherrschen, sonst klingt es nicht gut. Das macht auch schon einmal nervös.

Ist Technik für dich wichtiger als die Musik?
Nein, es muss zusammenpassen. Ich lasse mich auch nicht gerne von anderen abmischen. Ich möchte so klingen, wie ich es mir vorstelle.

Übst du?
Natürlich jeden Tag zwei bis drei Stunden.

Was sind deine persönlichen musikalischen Vorlieben?
Ich mag gerne Kölsche Musik und Schlager. Durch meinen Freund, Thomas Münz, der bei mir singt, bin ich zum Rock gekommen. Das war früher überhaupt nicht mein Ding, aber mittlerweile höre ich es sehr gerne. Wenn Thomas Rock singt, bekomme ich eine Gänsehaut.

Deine Band Dancing Sound tritt in ganz unterschiedlichen Konstellationen auf.
Entweder spiele ich alleine oder mit Thomas oder mit unserem Multitalent Peter Paschek. Oder wir treten alle drei zusammen auf – je nachdem, was gebucht wird. Unterstützt werden wir von verschiedenen Sängerinnen, die alle in mehreren Bands auftreten. Ich habe zwei, die hauptberuflich und zwei, die nebenberuflich singen. Ein solches System hat es früher nicht gegeben, da damals die Technik dafür fehlte. Im Keyboard versteckt sich ja ein ganzes Orchester. Die Zusatzinstrumente sind wirklich nur noch Zusatzinstrumente.

Was bedeutet das für dich?
Diese Entwicklung hat die echte Livemusik vieler Bands kaputt gemacht. Mir hat sie jedoch meinen eigenen Weg eröffnet. Das ist anderen Bands gegenüber manchmal ungerecht. Es gibt so viele fantastische Musiker, die hervorragend spielen, und dann komme ich mit einem Instrument an, das alles macht … Deswegen gehe ich selbst gerne auf ein Konzert, auf dem alles live gespielt wird.

Zum Beispiel?
Ich gehe zu Konzerten von Sven Komp. Den höre ich sehr, sehr gerne. Leider habe ich dafür viel zu wenig Zeit.

Du hast einen sehr üppig gefüllten Terminkalender …
Dafür habe ich lange gebraucht, aber seit ein paar Jahren ist der Kalender voll. Dann weiß ich auch, dass ich etwas richtig mache. 

Kannst du dir vorstellen, etwas anderes zu machen?
Wenn ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr Musik machen könnte, dann würde ich einen Imbiss aufmachen. Ich weiß auch schon, wo ich den Imbisswagen hinstellen würde.

Wo?
(Willi lacht laut und herzlich) Das verrate ich dir doch jetzt nicht. Man muss immer einen Plan B haben. Den hatte ich früher nicht, aber seitdem ich selbstständig bin, ist das anders. Man denkt auf einmal anders, vor allem auch in Hinblick auf die Familie. Ich weiß, wie es ist, wenn das Leben es einmal nicht so gut mit einem meint. Ich kenne nicht nur sonnige Seiten.

Was bedeutet für dich Erfolg?
Zum Erfolg kann man sich nur selbst hinführen und man muss die Türen, die sich einem öffnen, nutzen. Und wenn eine Türe verschlossen ist, ist man nicht erwünscht und in meinem Fall ist es dann nicht die richtige Veranstaltung. Erfolg ist für mich nicht nur auf dem Konto sichtbar, sondern ich spüre ihn unmittelbar, wenn die Menschen bei mir lachen und klatschen. Oder auch nur mit dem Fuß tippen.

Hast du ein Erfolgsrezept?
Natürlich sein und spontan. Glaubwürdigkeit. Man nimmt mir den „Bekloppten“ ab, weil ich „bekloppt“ bin.

Privat auch?
Ja, das ist so.

Was heißt für dich „bekloppt“?
Mit dem Leben so umzugehen, wie es mir Spaß macht. Das, was ich auf der Bühne mache, mache ich mit Spaß. Das kommt ehrlich und gut rüber. Und wenn die Leute das akzeptieren, hat man auch Erfolg.

Was macht dir an deinem Job am meisten Spaß?
Die Vielfalt der Musik und der Veranstaltungen, auf denen ich spiele. Alles hat seinen Reiz. Das Zusammenspiel mit dem Publikum ist toll.

Gibt es eine besondere Veranstaltung, auf der du gerne einmal spielen würdest.
Man muss immer bei seinen Leisten bleiben. Es gibt Veranstaltungen, da gehöre ich einfach nicht hin, auch wenn ich dort gerne spielen würde. Ich bin keine Nummer 1, sondern ich bin immer nur Beiwerk – gerade im Karneval. Aber Rhein in Flammen ist so eine Veranstaltung, auf der ich gerne spielen würde. Am liebsten auf einem der Schiffe ganz oben drauf.

 

Willi_Bellinghausen_Band

Dancing Sound in der Besetzung mit Peter Paschek, Thomas Münz, Franziska Gillo und Willi Bellinghausen

 

Was machst du an Rhein in Flammen?
Wahrscheinlich werde ich in der Rheinaue feiern. Aber selbst Musik machen, macht mir mehr Spaß, als selbst zu feiern.

Schreibst du selbst Musikstücke?
Ich habe verschiedene Stücke geschrieben oder daran mitgearbeitet. Aber die sind nicht bekannt und werden auch nicht bekannt, denn dafür sind sie nicht gut genug. Ich habe auch einmal versucht, richtig im Karneval zu landen, aber das sind andere Dimensionen und ich habe gemerkt, dass ich dort verkehrt bin. Act nein, Beiwerk okay.

Gab es schon Situationen, in denen der Funke nicht übergesprungen ist?
Das passiert schon mal. Da muss ich dann durch, denn ich werde ja fürs Spielen bezahlt. Aber manchmal meint man auch nur, man habe das Publikum nicht erreicht, aber dann gehen ganz leicht die Füße mit der Musik mit – und man hat das Publikum doch.

Du machst in Beethovens Geburtsstadt Musik, welche Bedeutung hat Beethoven für dich?
Mich fasziniert es sehr, dass er Musik geschrieben hat, ohne dass er etwas hören konnte. Im Übrigen bin ich ein Beethovenhallen-Kind. Ich bin dort groß geworden und habe auf den diversen Festen, die in der Beethovenhalle stattfanden, Leute wie James Last, Dschingis Khan, Hugo Strasser erlebt. Alles Größen von früher. Am Anfang war ich noch als Roadie in der Beethovenhalle, nachher habe ich mit der Bonner Dancing Band im Foyer gespielt. Das ist für mich das Gesicht der alten Beethovenhalle.

Wo siehst du dich in zwanzig Jahren?
Dort, wo ich so leben kann, wie ich möchte und immer noch Spaß am Leben habe. Im Rentenalter mache ich vielleicht Musik in Bands, die jedes Instrument live spielen. Wir treten dann ohne Geld auf und nur, um Spaß zu haben. Ich habe es gerne, wenn die Menschen zu mir kommen und sagen: „Willi, et wor ne schöne Dach.“ 

Fotos: Willi Bellinghausen (3)