Er ist bekannt für Comics wie „Kondom des Grauens“ oder „Dschinn Dschinn“, sein großer Durchbruch kam mit „Der bewegte Mann“, der ersten deutschen Graphic Novel. Wir trafen Ralf König in seiner Kölner Wohnung.

Interview: Michael Thelen

Wann hatten Sie zum ersten Mal einen Comic in der Hand?
Der allererste Comic, den ich gelesen habe, muss eine Micky-Maus-Ausgabe gewesen sein. Da war ich noch sehr klein. Ich erinnere mich aber noch gut daran, dass mein Cousin, der zwei Jahre älter ist als ich, den besseren Donald Duck zeichnen konnte, gerade den Schnabel zu zeichnen fand ich damals ganz schön tricky. Mit der Folge, dass ich mich tagelang darangegeben habe, nur diesen blöden Schnabel zu zeichnen. (lacht) Das hat wohl den Ehrgeiz in mir geweckt. Seitdem liebe ich es, zu zeichnen.

Was kam nach der Micky Maus?
Ich habe eigentlich alles gelesen, was Kinder in dem Alter so lesen: Micky Maus, später Asterix, Fix und Foxi, Tom Berry und so weiter. Comics zu lesen war gut, aber für mich war es noch eine andere Nummer, nämlich zu entdecken, dass ich gerne zeichne und dass man damit auch toll Geschichten erzählen kann.

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Geschichtenerzähler. Ralf König an seinem Schreibtisch.

Trotzdem haben Sie als junger Erwachsener eine Tischlerlehre gemacht. Wie kam es dazu?
Ich bin aufgewachsen in einem kleinen katholischen Dorf in Westfalen. Ich hatte die Hauptschule abgeschlossen und hätte auch einen höheren Schulabschluss drangehängt – wenn es in den naturwissenschaftlichen Fächern bei mir besser ausgesehen hätte. Allerdings war ich gut in Deutsch und Kunst. Aber da meine Eltern gerade zu Kunst keinen großen Bezug hatten, ging alles ganz schnell. Ich war mit der Schule fertig und mein Vater kannte jemanden, der jemanden kannte, und schon war ich Schreinerlehrling. Das war eine schreckliche Zeit, ich habe das wirklich gehasst.

Aber Sie haben Ihre dreijährige Lehre abgeschlossen und noch zwei weitere Jahre als Tischler gearbeitet.
Ja, aber als mir jemand erzählt hatte, dass man an der Kunstakademie in Düsseldorf ohne Abitur Kunst studieren kann, habe ich mich direkt beworben. Natürlich mit Comics. Das war damals völlig neu und hat das Interesse der richtigen Personen geweckt. Für mich war das ein sehr großes Glück, was ich auch erst später verstanden habe. Allerdings war mein Studium ganz klassisch: Ich habe keine Comics gezeichnet, sondern Skulpturen geformt, in Öl gemalt, Bühnenbilder und Kostüme entworfen. Aber mir war immer klar, dass ich weiter Comics machen will. Daher habe ich sie zuhause weitergezeichnet.

Ihre Comics sind meistens böse, frech und sarkastisch. Woher kommt das?
Ich war früher schon sehr angefixt von den amerikanischen Underground-Comics wie Felix the Cat. Als Jugendlicher hat es mich total geflasht, als ich entdeckt habe, dass es Comics für Erwachsene gibt, in denen es auch Drogen, Sex und Gewalt gibt. Ich habe dann irgendwann an meinen Eltern vorbei solche Comics bestellt. Und die haben mich wohl nachhaltig beeinflusst.

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Bestseller. Die Comics erreichen nicht nur gedruckt eine hohe Auflage, sondern locken auch viele Zuschauer ins Kino.

Ihre Figuren haben einen hohen Wiedererkennungswert. Wie haben sie sich entwickelt?
Das ist, wenn man so will, eine Evolution. Ich habe mir nie überlegt, zum Beispiel meine Nasen größer zu malen – die wurden mit der Zeit einfach so. In meinen Comics aus den 1980er Jahren waren die Nasen noch viel kleiner, dafür war das Kinn sehr ausgeprägt. Auch das hat sich mit der Zeit einfach verändert. Ich hatte auch immer Idole, deren Werke auf die eine oder andere Weise Einfluss auf mich genommen haben. Nichts erfindet sich neu. Aber mittlerweile habe ich mein eigenes Ding und schaue, wie sich das entwickelt.

Seit einigen Jahren beschäftigen sich Ihre Comics vor allem mit dem Thema Religion. Wie kam es dazu?
Das fing mit einem Angebot der FAZ an. Ich sollte für zwei Wochen die Urlaubsvertretung für Volker Reiche machen, der die Comic-Reihe „Strizz“ zeichnet. Da hatte ich erstmals die Idee, die Schöpfungsgeschichte neu zu interpretieren. Diese Comics haben dann für große Resonanz bei den FAZ-Lesern gesorgt, bis hin zu Abo-Kündigungen. Das hat mich schon sehr erstaunt. Aber der FAZ hat meine Arbeit gefallen und sie hat mich später wieder angeheuert. Ich könne gerne wieder das Thema Religion aufgreifen – dann habe ich mich der Arche Noah angenommen. Und so führte eins zum anderen.

Wie kommen Sie grundsätzlich auf Ihre Ideen?
Die kommen meistens ganz von alleine. Ich habe gerade ein neues Buch fertiggestellt und bin daher ganz entspannt – aber ich habe schon neue Ideen im Hinterkopf, von denen ich in Zukunft sicher manche auch umsetzen werde.

Wie viel Handwerk steckt in Ihrem Beruf?
Ich zeichne, anders als meine meisten Kollegen, immer noch ausschließlich per Hand. Da gibt es zwar mittlerweile am PC ganz viele Möglichkeiten, die einem viel Arbeit abnehmen können, aber ich bin sehr technikfaul und habe auch kein Interesse, mich damit zu beschäftigen. Obwohl mir bewusst ist, dass ich mir damit viel ersparen könnte. Auf der anderen Seite ist Zeichnen für mich auch etwas sehr Sinnliches. Darum bin ich Zeichner. Ich möchte Stift und Papier benutzen und das wirklich von Hand machen.

Vom ersten Strich bis zum fertigen Comic: Wie viel Zeit nimmt ein Comic in Anspruch?
Ich habe letztes Jahr einen Science-Fiction-Comic gezeichnet, „Barry Hoden“. Der ist farbig, hat fast 230 Seiten und für den habe ich acht Monate gebraucht – und in der Zeit war ich richtig fleißig, inklusive Wochenendarbeit. Wie lange ein Comic braucht, hängt aber auch davon ab, wie gut die Story funktioniert.

Wie meinen Sie das?
Ich bin Geschichtenerzähler, ich will Dialoge schreiben. Der Comic, so gerne ich ihn zeichne, ist letztlich Mittel zum Zweck, um die Geschichte zu erzählen. Daher schreibe ich mir eine Geschichte nie vollständig auf. Sie existiert nur ganz grob in meinem Kopf – die ganzen Details kommen erst beim Zeichnen. Wichtig ist nur, dass ich weiß, wie die Geschichte endet, sonst kann ich mich auch mal in einer Story verlaufen.

Gibt es Dinge, die Sie nicht zeichnen können?
Alles, was fährt, und Katzen. Fahrräder oder Autos finde ich schrecklich zu zeichnen. Es ist sehr schwierig, die richtigen Proportionen zu zeichnen. Daher habe ich zum Beispiel die Raumschiffe bei Barry Hoden meistens geklaut. Ein Raumschiff entstammt zum Beispiel einer technischen Zeichnung eines alten Fotokopierers, natürlich mit entsprechenden Änderungen. Setz eine Kaffeemaschine in den Weltraum und du hast ein Raumschiff! (lacht) Pferde sind auch schwierig. Aber zum Glück gibt es doch einige Comics, in denen Pferde vorkommen – da kann man sich dann auch inspirieren lassen.

Ist das Comicszeichnen für Sie eher Leidenschaft oder Beruf?
Das ist immer unterschiedlich. Es gibt Comics, da plumpsen die Ideen nur so aufs Papier und ich kann kaum aufhören zu zeichnen, weil es so viel Spaß macht. Aber es kommt eben genauso vor, dass die Geschichte schwierig wird und ich selber nicht mehr sehe, ob das nun lustig ist, was ich zu Papier bringe, oder nicht. Meistens bin ich am Ende richtig erleichtert, weil der Verlag dann eben doch sehr zufrieden ist mit meiner Arbeit.

Wenn Sie sich entscheiden müssten: Ist Ihnen der Text oder die Zeichnung wichtiger?
Definitiv der Text. Ich könnte mir gut vorstellen, auch mal Kurzgeschichten zu schreiben, ganz ohne Zeichnungen. Vielleicht sogar einen Roman. Dafür müsste ich aber erst meinen eigenen Stil finden. Dann wäre ich natürlich wieder Debütant und die Leute würden entsprechend kritisch hinschauen. Durch die Comics fallen mir Dialoge natürlich sehr leicht. Vielleicht sollte ich Drehbücher schreiben. (lacht)

Welche Comics lesen Sie in Ihrer Freizeit?
Comics lese ich eigentlich nicht so häufig, nur wenn ich einen empfohlen bekomme. Im Moment lese ich viel Charles Bukowski, über den ich auf die Autoren der Beat Generation gekommen bin, also Alan Ginsberg etwa.

 

Ralf Königs neuester Comic erscheint am 25. September im Handel.

 

Fotos: P. J. M. Rothe, Ralf König
Titelbild: Markenzeichen. Die Knollennasen sind für Ralf Königs Figuren charakteristisch.