Max Rendschmidt ist Kanute und hat im Kajak alles gewonnen, was man gewinnen kann: Weltmeisterschaften, Europameisterschaften, Deutsche Meisterschaften und zweimal Olympisches Gold. Derzeit bereitet sich der junge Polizeimeister auf die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio vor. Wir treffen ihn zuhause in Ramersdorf zwischen zwei Trainingseinheiten.
Sie sind jetzt gerade zwischen zwei Trainingseinheiten, wie hätten Sie diese Zeit normalerweise verbracht?
Mein Tag hätte, wenn wir den Termin nicht gehabt hätten, nicht viel anders ausgesehen. Ich war heute morgen in Rheidt-Niederkassel um halb acht auf dem Wasser und habe danach noch Krafttraining gemacht. Ohne das Interview wäre ich um halb neun aufs Wasser gegangen.
Wie sieht Ihr Trainingsalltag aus?
Der normale Trainingsalltag ist ähnlich wie ein Berufsalltag. Es geht morgens um 8 Uhr mit der ersten Trainingseinheit auf dem Wasser los. Danach gibt es die zweite Einheit mit Laufen oder Krafttraining. Heute war ich beispielsweise eine Stunde auf dem Wasser und habe Sprints gefahren: fünf Mal zweihundert Meter mit entsprechenden Pausen dazwischen. Danach habe ich anderthalb Stunden Krafttraining gemacht. Nach dem Interview habe ich Mittagspause und setze mich dann heute Nachmittag noch einmal auf das Kanuergometer. Für heute reicht das dann. An anderen Tagen kommt möglicherweise noch eine Einheit Laufen hinterher.
Wie sind Sie zum Kanufahren gekommen und in welcher Disziplin sind Sie unterwegs?
Das erste Mal saß ich mit sechs Jahren im Boot. Meine Mutter war 1988 in Seoul als Kanutin bei den Olympischen Spielen dabei. Mein Vater paddelt, mein Stiefvater war lange Trainer der Wildwassernationalmannschaft. Mit diesen Voraussetzungen bin ich in den Sport einfach so hineingerutscht. Ich habe mit Wildwasser angefangen. Als ich 13 Jahre alt war, kam langsam der Wechsel. Wir sind in den WSV Blau-Weiß Rheidt eingetreten und ich habe mit dem Rennsport begonnen. Meine Hauptdisziplin war damals der Einer über 500 Meter. Die letzten Jahre habe ich, wie in Rio 2016, hauptsächlich im Zweier und Vierer die 1.000 Meter gefahren. In diesem Jahr ist der Vierer in den 500 Metern olympisch, daher fahre ich nun wieder diese Disziplin.
Kann man zwischen den Disziplinen einfach so hin- und herwechseln?
Wir müssen erst einmal unsere persönliche Leistung zeigen, indem wir Einer fahren. Erst danach kann man in ein Mannschaftsboot kommen. Die erste Qualifikation im Einer ist für mich in ein paar Wochen in Duisburg. Dann werden wir in die Mannschaftsboote gesetzt. Auf den kleinen Regatten, die man mit Vereinskollegen fährt, lernt man das Zusammenfahren mit anderen Sportlern und auch die Teamfähigkeit. Wenn dann die wichtigen Wettkämpfe stattfinden, hat man schon gute Voraussetzungen für die Mannschaftsboote.
Gibt es im Kanufahren so etwas wie eine Paradedisziplin?
Auf jeden Fall der Einer über 1.000 Meter und der Vierer über 500 Meter. Der Vierer ist das größte und schnellste Boot im Kanusport und deutlich schwieriger zu fahren als ein Zweier. Bei dem müssen sich nur zwei Kanuten abstimmen und die Fehlersuche ist auf zwei Sportler beschränkt. Liegt ein Vierer beispielsweise nicht richtig im Wasser, weiß man nicht direkt, wer falsch sitzt.
„Von außen habe ich eigentlich gar keinen großen Druck. Ich versuche beim Training immer den Spaß im Vordergrund zu halten.“
Als Kind hat man immer viele Interessen, gab es für Sie einen Gegenentwurf zum Kanusport?
Nicht wirklich, durch meine Familie waren meine Interessen so etwas wie vorprogrammiert. Ich habe aus Spaß ein- oder zweimal die Woche auf dem Rhein gepaddelt. So hat sich das langsam entwickelt.
Für welchen Verein starten Sie?
Ich habe im OWV Oberkassel 1923 e. V. begonnen und bin jetzt im WSV Blau-Weiß Rheidt. Meine Wettkämpfe bestreite ich allerdings für die KG Essen am Bundesleistungsstützpunkt. In diesem Stützpunkt werden alle Sportler zusammengefasst. Wir haben dort einen hauptamtlichen Trainer, sodass eine ganztägige Trainingsbetreuung gewährleistet ist. Zwischen den einzelnen Trainingslagern fahre ich ab und zu nach Hause und besuche meine Familie. In Ramersdorf bin ich im Junggesellenverein und die Jungs nehmen mich immer wieder gerne auf. Das sind schöne Gelegenheiten, um zwischen den Trainings den Kopf wieder frei zu bekommen.
Was fasziniert Sie am Kanufahren, was ist der besondere Kick?
Mir macht es sehr viel Spaß, mich zu bewegen, also insgesamt Sport zu machen. Zu meinen sonstigen Hobbys zählen Fahrradfahren, Laufen – eigentlich alles, was mit Sport zu tun hat.
Haben Sie noch Freizeit? Andere machen in Ihrem Alter Party, fehlt Ihnen da nichts?
Als Sportler machen wir verhalten Party. Man kann schon einmal ein Bierchen trinken, aber alles nur in Maßen. Den Spaß am Leben darf man aber nicht verlieren, dazu gehört auch einmal ein bisschen zu feiern. Wenn man jeden Tag seine Trainingseinheiten diszipliniert absolviert und so wie ich gestern bei Regen und Schneeregen aufs Wasser geht, dann hat man ab und an Ablenkung verdient.
Was motiviert Sie?
In der Regel ist es die Gruppe, die es leicht macht. Die Notwendigkeit sich aufzuraffen, ist das Schwierigste. Sobald man die anderen trifft, setzt Gruppendynamik ein.
Sie bewegen sich in der Spitze der Kanuten und haben viele Titel gewonnen, welcher war für Sie der wichtigste?
Jeder Leistungssportler strebt natürlich nach Gold bei den Olympischen Spielen. 2016 hatte ich das große Glück, gleich zweimal Gold zu gewinnen. Das war das größte sportliche Erlebnis meiner Karriere und eines der härtesten Rennen.
Es gibt von Ihnen ein Foto mit Angela Merkel. Was war der Anlass und wie war die Begegnung mit der Kanzlerin?
Es war sehr lustig. Ich habe sie im Olympischen und Paralympischen Trainingszentrum Kienbaum getroffen. Sie hat mir den sogenannten Kienbaum Award übergeben, mit dem das Trainingszentrum Sportler ehrt, die ein besonders gutes Vorbild abgeben.
Wenn man so erfolgreich ist wie Sie, wie groß ist der Druck, der auf Ihnen lastet?
Von außen habe ich eigentlich gar keinen großen Druck. Ich versuche beim Training immer den Spaß im Vordergrund zu halten. Bei den Wettkämpfen mache ich mir selbst den Druck. Die ersten Jahre hatte ich kurz vor den Rennen immer große Probleme. Ein Mentalcoach hat mich wieder stabilisiert. Heute kann ich die Wettkämpfe besser genießen.
Beruflich sind Sie bei der Bundespolizei. Wie vereinbart sich das mit Ihrem sportlichen Engagement?
Ich bin ausgebildeter Polizeimeister und derzeit vom Dienst freigestellt, um mich ganz dem Sport widmen zu können.
Top-Fußballer erhalten Werbeverträge, wie sieht das bei Ihnen aus?
Bei uns ist das deutlich schwieriger. Ich habe das Glück, dass ich von Auto Thomas, der VR Bank Rhein-Sieg und der Gerwing Söhne GmbH, einem Handwerksunternehmen für die Bereiche Heizung, Sanitär, Elektro und Klimatechnik, gesponsert werde. In unserem Sport läuft alles über die persönliche Schiene. Roland Gerwing zum Beispiel ist mein Vetter und hat mich von sich aus angesprochen. Das ist schon toll, wenn man von Unternehmen aus der Region unterstützt wird, und weitere sind gerne willkommen.
Sie sind jetzt 26 Jahre alt, wie lange möchten Sie noch weitermachen?
Sportlich habe ich eigentlich alles erreicht. Trotzdem macht es mir noch Spaß, mich jedes Jahr aufs Neue zu beweisen. Dieses Jahr stehen die Olympischen Spiele wieder an. Das wären für mich die zweiten. Dafür muss ich mich allerdings in den nächsten Monaten noch qualifizieren. Ich bin jedoch guter Dinge. Ich denke, ich werde noch sicherlich vier Jahre paddeln. Solange ich vorne mitfahre, unterstützt mich die Bundespolizei. Es gibt in der Sportförderung 85 Plätze, um einen davon zu bekommen oder zu halten, muss man Leistung bringen.
Ein ehemaliger sehr erfolgreicher Sportler im Bereich Wildwasserkanu, Gregor Simon, ist heute Bundestrainer, wäre das etwas für Sie?
Über den Job als Trainer habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, als Sportler ärgert man sich meistens über die vollen Trainingspläne – aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.
(Susanne Rothe)
Fotos: Max Rendschmidt (3)