Sie ist Moderatorin, Songwriterin, Kabarettistin, möchte ein Kinderbuch schreiben und arbeitet außerdem als Kinderärztin. Sandra Niggemann engagiert sich seit vielen Jahren ehrenamtlich für den Verein „wünschdirwas“, der schwerstkranken Kindern ihre Herzenswünsche erfüllt. Aus dem Nichts heraus hat sie im Bonner Pantheon Theater die Kabarettveranstaltung „Lach mal was mit wünschdirwas“ ins Leben gerufen. Die Benefizveranstaltung zugunsten des bundesweit tätigen Vereins findet im November zum siebten Mal statt. Wir haben mit Sandra Niggemann über ihre medizinische und ihre kreative Seite gesprochen, hinter die Kulissen von „wünschdirwas“ geschaut und dabei erfahren, was ein Müllmann und die Spanische Hofreitschule miteinander gemeinsam haben.
(Interview: Susanne Rothe)
Sie sind Ärztin, stehen aber immer öfter auf der Bühne. Hatten Sie dafür schon früher ein Faible?
Ja, ich fand es schon immer schön. Alles, was mit Bühne, Lachen und Präsentieren zu tun hat, hat mich fasziniert. Meine Familie sagt, ich hätte bereits immer Showambitionen gehabt.
Wie fing alles an?
Es fing damit an, dass ich mich ehrenamtlich für den Verein „wünschdirwas“ engagiert habe. Weil ich sehr gerne ins Kabarett gehe, bin ich dann auf die Idee gekommen, Kabarett und Benefiz in einer Veranstaltung für „wünschdirwas“ miteinander zu verbinden.
Wie sind Sie an die Kabarettisten gekommen?
Das war eine ganz schräge Geschichte. Ich hatte das Thema immer im Hinterkopf und stand plötzlich in Köln nach einem Kabarettbesuch neben dem Duo „Zärtlichkeiten mit Freunden“. Wir kamen ins Gespräch, ein Wort ergab das andere, und ich erzählte ihnen von meiner Idee einer Benefizveranstaltung für „wünschdirwas“. Ich habe sie mit dem ganz deutlichen Hinweis, dass ich überhaupt keine Ahnung, keine Künstler, kein Theater und kein Geld habe, gefragt, ob sie mitmachen würden. Es kam ein kurzes, aber bestimmtes „Ja“.
„Ich hatte überhaupt keine Ahnung, keine Künstler, kein Theater und kein Geld …“
Einfach so?
Ja, ich war völlig verdattert und habe noch mal nachgefragt, aber die Antwort war wieder: „Ja – wenn es in unseren Tourneeplan passt.“ Als Nächstes habe ich Matthias Reuter, den ich um drei Ecken bereits kannte, ins Boot geholt. Der sagte auch Ja und fragte dann: „Haste denn ein Theater?“ Das war in der Tat ziemlich schwierig. Ich habe bei mehreren Theatern in Bonn und in Köln angefragt; das Pantheon hat mir an einem Samstagmorgen schon wenige Stunden nach meiner Anfrage geantwortet: „Was für eine coole Idee, wir sind dabei.“ Montagmittag meldete sich auch die Springmaus und gab ihre Zusage. Wir haben überlegt, die Veranstaltung im Wechsel zu machen, aber es hat sich so ergeben, dass wir beim Pantheon geblieben sind. Weitere Künstler des ersten Benefizabends waren Sebastian Pufpaff, Wilfried Schmickler und Jochen Malmsheimer.
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Auftritt?
Ja, ich habe nach ein paar Poetry-Slams und kleinen Schauspielauftritten den ersten Kabarettabend moderiert und war vorher total nervös. Dann stand ich auf der Bühne, das Licht ging an und ich dachte: „Das ist es.“ Ich wusste in dem Moment: Das ist genau mein Ding.
Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, Ihren Job als Ärztin an den berühmten Nagel zu hängen?
Ein Teil von mir wird immer Kinderärztin bleiben. Und ein anderer Teil von mir liebt die Bühne und das Kreative. Im Moment mache ich von allem etwas. Ich habe auch humoristisch-medizinische Vorträge für die Stiftung „Humor Hilft Heilen“ gehalten. Die Inhalte der Stiftung finde ich einfach super, und das war eine tolle Mischung aus Arztsein und Präsentieren! Außerdem habe ich beim Bürgerfunk ein bisschen Radio gemacht. Und dann habe ich letztes Jahr für das ZDF eine Sendung zum Thema Gesundheit gemacht. Das war eine Pilotsendung und ist leider bisher nicht fortgesetzt worden. Dann hatte ich noch ein paar Kabarettauftritte, aber vor allem bin ich als Moderatorin tätig. Ich suche also zwischen all diesen Dingen meinen Weg.
Wo sehen Sie sich selbst?
Momentan glaube ich eher im Bereich Moderation, die sich in ihrer Art und Weise natürlich an der jeweiligen Veranstaltung orientiert. Bei einer Kabarettveranstaltung besteht der Job darin, die Menschen erst einmal in Stimmung zu versetzen. Die Künstler gut anzuteasern. Das macht mir schon Spaß. Bei einer Veranstaltung zum Beispiel zum Thema Medizin geht es sachlicher zu.
Ich habe gelesen, dass Sie auch schreiben.
Ja, Songs. Ich habe für „wünschdirwas“ das Lied geschrieben, das immer am Ende der Benefizveranstaltung im Pantheon gesungen wird, und einen Schlagertext für Anna-Maria Zimmermann (Anm. d. Red.: „Farben der Nacht“). Für den Chansonpoeten Tim Fischer habe ich an einem Song mitgearbeitet. Ich habe außerdem zwei Stipendien für Songwriting erhalten – darunter die sogenannte „Celler Schule“ von der GEMA-Stiftung – und arbeite nun mit einer Gruppe von Songwritern zusammen, die in der deutschen Schlagerbranche aktiv sind bzw. aktiv werden möchten. Mal sehen, was daraus wird.
Wie fassen Sie alles, was Sie so machen, unter einen Hut?
(lacht) Wie, nur ein einziger Hut? Wir Frauen sind doch multitaskingfähig! Ich arbeite in Teilzeit. Und das Kreative und Künstlerische ist ein toller Ausgleich zum Arztberuf – und eben noch mehr, das gibt mir Kraft und Schwung. Außerdem macht man ja zum Glück nicht alles gleichzeitig, sondern nacheinander.
Nehmen Sie etwas von dem, was Sie auf der Bühne machen, in Ihren Beruf als Kinderärztin mit?
Als ich mit der Moderation begonnen habe, habe ich unter anderem eine Ausbildung zur Laienschauspielerin gemacht. Das konnte ja nicht schaden. Ich habe festgestellt, dass ich das Spielerische bei meinen kranken Kindern gut einsetzen kann. Das kommt mir im Kontakt mit ihnen sehr zugute. Man kann nicht nur die Medizingeschichten auf die Bühne bringen, sondern auch die Bühne in die Krankenzimmer.
Was steckt hinter „wünschdirwas“?
Den Verein gibt es jetzt seit 29 Jahren. Dort arbeiten vier festangestellte Mitarbeiter – zwei davon sind die Wunschfeen. Der Vorstand und alle anderen, die mitarbeiten, sind ehrenamtlich tätig. Deutschlandweit haben wir mehr als 150 ehrenamtlich Tätige. Ziel ist es, schwerst- und chronisch kranken Kindern ihre Herzenswünsche zu erfüllen.
„Die Wunschfeen nehmen die Wünsche entgegen, die entweder von den Angehörigen kommen oder von unseren Ehrenamtlern aus den Krankenhäusern.“
Was sind das für Wünsche?
Es kann sein, dass ein Kind einen bestimmten Promi treffen, ein anderes einmal in der VIP-Lounge seines Lieblingsfußballvereins sitzen möchte, Hubschrauber fliegen, Rennauto fahren, solche Wünsche kommen immer. Es gibt aber auch andere. Eine kleiner Junge wollte beispielsweise einen ganzen Tag Müllmann sein. Wieder ein anderer wünschte sich, einen Pinguin zu streicheln. Das war relativ schwierig zu realisieren, da Pinguine sich nicht einfach so streicheln lassen. Wir haben dann herausgefunden, dass im Münsteraner Zoo ein Pinguin lebt, der auf Schnürsenkel steht und die immer aufpickt. Wir haben dem kleinen Jungen dann anstelle seiner Schuhe mit Klettverschlüssen solche mit Schnürsenkeln angezogen. Es hat funktioniert. Der Pinguin hatte Spaß, weil er die Schnürsenkel aufziehen konnte, und der Junge war glücklich, weil er den Pinguin streicheln konnte.
Wird bei jedem Wunsch eine solche Rechercheleistung betrieben?
Das kommt darauf an. Es gibt natürlich Wünsche, die weniger aufwendig sind. Die Arbeit leisten die festangestellten Wunschfeen im Büro. Ich erinnere mich an einen Jungen, der wollte gerne mit einem Sternekoch kochen, weil er die Kochshows im Fernsehen so toll fand. Wir konnten ihn an Ralf Zacherl vermitteln. Ralf war so angetan, dass er sich mehr engagieren wollte, und heute ist er „wünschdirwas“-Botschafter.
Wie kommen die Wünsche zu den Wunschfeen und wie geht es dann weiter?
Die Wunschfeen nehmen die Wünsche entgegen, die entweder von den Angehörigen kommen, von den Ansprechpartnern in den Kliniken oder von unseren ehrenamtlich Tätigen aus den Krankenhäusern. Jeder Wunsch wird geprüft, weil wir sicherstellen möchten, dass es wirklich der Wunsch des Kindes ist. Dann schauen die Wunschfeen, ob der Wunsch realisierbar ist und welche finanziellen Anforderungen dahinterstecken. Können die Eltern es sich beispielsweise leisten, die Reisekosten zu tragen, so spart der Verein das Geld ein und übernimmt nur die Logistik. In anderen Fällen übernehmen wir die anfallenden Kosten. Falls Geschwisterkinder existieren, versuchen wir, sie zur Wunscherfüllung mitzunehmen, damit sie nicht das Gefühl bekommen, sie wären Schattenkinder. Einer von uns ist immer bei der Wunscherfüllung dabei.
Wie viele Wünsche hat der Verein bislang erfüllt?
Mehr als 8.000 Wünsche, das sind ein bis zwei Wünsche pro Tag. Wünsche wie „Ich möchte zum Mond“ sind natürlich nicht realisierbar. Aber die Wunschfeen unterhalten sich mit jedem Kind oder lassen sich von ihnen Bilder malen und dann stellen sie oft fest, dass hinter einem solchen Wunsch etwas ganz anderes steckt.
Gibt es eine Situation, die Sie besonders beeindruckt hat?
Grundsätzlich sind es immer Situationen, in denen man Kinder, die man selbst nur sehr schwer krank kennt, total glücklich erlebt. Sie haben dann Urlaub von der Krankheit – auch, wenn sie die Krankheit noch nicht völlig hinter sich gelassen haben. Die Wunscherfüllung ist für die Kinder ein Moment, in dem sie völlig loslassen können und alles andere vergessen.
Unterstützt die Wunscherfüllung den Heilungsprozess?
Manchmal verbessert sich der Heilungsprozess durch ein solches Erlebnis deutlich, und in Fällen, in denen es keine Heilung gibt, verändert sich oftmals die Akzeptanz. Außerdem schenken wir dem Kind nicht nur den einen Tag, sondern wir schenken ihm die Vorfreude, und wir schenken ihm die Erinnerung. Ich habe einmal eine körperlich beeinträchtigte Jugendliche zu einem Besuch in die Spanische Hofreitschule nach Wien begleitet und sie erhielt ausnahmsweise eine Stallführung. Sie hat noch Jahre später von dem Besuch geschwärmt. Das alles macht für die Kinder viel aus.
Was nehmen Sie für sich mit?
Die beste Hightech-Medizin ist nicht alles. Das Menschliche ist ebenso wichtig.
Hatten Sie als Kind auch einmal einen besonderen Wunsch, an den Sie sich noch erinnern?
(schallend lachend) Oh Gott, wenn das gedruckt wird. Ich war Fan von einem bestimmten Musicaltänzer und war als Teenie richtig in ihn verknallt. Ich habe das Musical, in dem er spielte, gleich mehrmals gesehen. Mein großer Wunsch war es, ihn einmal zu treffen. Jahre später habe ich als Studentin für eine Zeitung Musicalkritiken geschrieben. Meinen Teenieschwarm habe ich dann interviewt. So habe ich mir schließlich als Erwachsene den Wunsch selbst erfüllt.
Haben Sie ihm gesagt, dass Sie ihn toll fanden?
Ich weiß es nicht mehr genau, aber ich denke, es war wohl immer noch nicht zu übersehen. Aber ich habe gedacht, wenn ich ihn als Teenie hätte treffen können, dann wäre ich selig gewesen. Ich kann also verstehen, wie sich die Kinder bei „wünschdirwas“ fühlen.
Was planen Sie als Nächstes?
Ich hoffe, dass die Benefizveranstaltungen so gut weiterlaufen wie bisher. Eine Überlegung wäre dann, ob man „Lach mal was …“ auch in anderen Städten auf die Bühne bringen könnte. Ich persönlich würde gerne einmal ein Kinderbuch machen oder eine Kinderlieder-CD. Ein Teil des Erlöses könnte dann wieder an „wünschdirwas“ gehen.
Wie sieht es mit den Vorbereitungen für den nächsten „Lach mal was mit wünschdirwas“-Abend aus?
Die Vorbereitungen sind weitestgehend abgeschlossen. Das Programm steht fest und der Kartenvorverkauf läuft.
Welche Künstler treten auf?
Wie immer Matthias Reuter, der gehört schon zum Inventar und seit kurzem ist er auch „wünschdirwas“-Botschafter.
Markus Maria Profitlich, der ebenfalls „wünschdirwas“-Botschafter ist, Turid Müller, Fatih Çevikkollu und Martin Zingsheim. Der Abend wird eine Mischung aus Musik und Kabarett.
Der Benefizabend „Lach mal was mit wünschdirwas“ findet am 6. November im Pantheon Theater statt. Der Erlös geht an den Verein „wünschdirwas“.
www.wünschdirwas.de
www.pantheon.de
Titelbild: Sandra Niggemann hat viele Talente. Neben ihrem Beruf als Kinderärztin moderiert sie gerne.
Fotos: Simone Bandurski (4), wünschdirwas