„Des Goldes Schlaf“ ist der Ende vergangenen Jahres erschienene, zweite Krimi von Hubert Wippermann. Als Schauplatz für den Mord, den Karl Friedrich Jung und Paula Lanzini aufklären, hat der Bonner Autor die Nibelungenhalle in Königswinter ausgewählt. Einen geheimnisvollen Ort, der auch ohne Mord Gänsehaut beschert. Das Duo Jung/Lanzini gehörte schon zu den Protagonisten in Wippermanns erstem Buch, „Beethovens letzter Wille“, und das Ermittlerpaar wird auch wieder in dem wahrscheinlich im Herbst erscheinenden dritten Band der Krimireihe auf Spurensuche gehen. Hubert Wippermann ist als Krimiautor ein Spätberufener – umso erfolgreicher sind jetzt seine Bücher. Hauptberuflich arbeitet Wippermann als Lehrer am Clara-Schumann-Gymnasium. Ein Job, der für ihn alles andere als trocken ist, sondern seine Kreativität und Fantasie herausfordert – genau wie beim Schreiben.
Das Zauberwort in Coronazeiten heißt Videokonferenz. Digitale Meetings statt persönlicher Treffen sind der Schlüssel für Termine. Nicht gerade optimal, aber hilfreich. So fand auch das Interview mit Krimiautor Hubert Wippermann weder in der Redaktion von RHEINexklusiv, noch in einem Café oder an seinem Lieblingsplatz, den Stufen am Beueler Rheinufer, statt, sondern am Bildschirm. Für Wippermann der übliche Ort, von wo aus er seinen Schülern zurzeit Geschichte und Deutsch beibringt – Distanzunterricht. Und jetzt auch Distanzinterview? Wippermann ist nicht nur Profi in der digitalen Vermittlung von Lehrstoff, sondern überbrückt durch seine offene Art sehr schnell die räumliche Trennung. Er ist im Gespräch, wie er schreibt: humorvoll, ideenreich und kreativ. Ein Interview aus der Ferne und doch ohne Distanz:
Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Haben Sie irgendwann beschlossen, einfach ein Buch zu schreiben?
Ich schreibe schon sehr lange. Als Jugendlicher habe ich bereits Gedichte und kürzere Texte geschrieben und später fachdidaktische Inhalte verfasst. Zur Romanform bin ich erst spät gekommen. Ich habe mich nie so richtig getraut und hatte großen Respekt davor, ein Buch zu schreiben. Als ich 49 Jahre alt war und auf die 50 zuging, da habe ich, wie andere wahrscheinlich auch, darüber nachgedacht, welche Träume und Ziele ich noch habe, die ich mir gerne erfüllen bzw. erreichen würde. Ich habe mir selbst gesagt: „Jetzt oder nie“ und habe angefangen, zu schreiben.
„Nebenbei“ sind Sie Lehrer und unterrichten am Clara-Schumann-Gymnasium. Was sagen Ihre Schüler zu Ihnen als Autor?
Zunächst weiß es nicht jeder, weil ich keine Werbung in eigener Sache mache, das käme mir unpassend vor. Schüler sind dennoch auf mich zugekommen und haben mich angesprochen, weil sie Bücher von mir in der Buchhandlung entdeckt oder ihre Eltern sie darauf aufmerksam gemacht haben. Das Feedback war immer sehr positiv. Ich habe „Löcher in den Bauch“ gefragt bekommen. Die meisten wollten wissen, wie man so etwas macht. Einige hatten mein Buch gelesen und wollten eine Widmung haben. Aber, wie schon gesagt, ist es meistens Zufall, wenn meine Schüler erfahren, dass ich Bücher schreibe.
Warum sind Sie Lehrer geworden, wenn Sie ein Faible fürs Schreiben haben?
Das widerspricht sich nicht. Beides hat Gemeinsamkeiten. Da ist zum einen mein Bedürfnis, Wissen weiterzugeben. Wer meine Bücher kennt, der merkt, dass dieses Anliegen auch in ihnen steckt. Zum anderen verbindet die beiden Professionen Fantasie und Kreativität. Als Lehrer habe ich den Anspruch, dass der Unterricht möglichst nicht langweilig wird – weder für die Schüler noch für mich. Man muss kreativ sein und Fantasie haben, um beispielsweise Materialien zu erstellen. Ich mache sehr viel selbst. Das verbindet Schreiben und Unterricht. Riesiger Unterschied: Schreiben ist kontemplativer als Unterricht. In der Schule habe ich jeden Tag mit sehr vielen Menschen zu tun. Aber beides zusammen ist erfrischend in der Abwechslung.
Was fasziniert Sie besonders am Schreiben?
In der Schule kann man vieles nur anreißen, aber nicht wirklich vertiefen. Beim Schreiben ist man völlig frei. Deshalb habe ich mir auch Belletristik ausgesucht, weil ich völlig frei sein wollte. In der Schule wechselt man alle 45 Minuten in eine andere Klasse und hat einen anderen Unterrichtsschwerpunkt. Beim Schreiben hingegen arbeitet man ruhig und konzentriert an einer Sache.
Schloss Drachenburg und das Rheintal
Hubert Wippermann, Des Goldes Schlaf, Bonn-Krimi, agenda Münster Verlag, 228 Seiten, ISBN: 978-3896886682, 12,90 Euro
Haben Sie coronabedingt mehr Zeit zum Schreiben?
Man darf es sich nicht so vorstellen, dass man durch den Distanzunterricht plötzlich mehr Zeit zur Verfügung hat. Aber man ist mehr zu Hause und es tun sich dadurch andere Möglichkeiten auf. Dennoch gibt es für die Schule genug zu tun. Es finden Videokonferenzen statt, Arbeiten müssen weiterhin korrigiert und der Unterricht vorbereitet werden.
Sie schreiben Krimis. Können Sie sich vorstellen, auch ein anderes Genre zu bedienen?
Kriminalliteratur ist zwar ernst, aber auch unterhaltend. Im Hinterkopf arbeitet es schon in mir, einmal in die richtig ernsten Genres zu wechseln. Das kann ich mir schon vorstellen. Aber erst einmal festige ich das Eine. Außerdem habe ich noch so viele Ideen im Köcher und zwei weitere Bände sind bereits mehr oder weniger fertig. Ich möchte, dass die auf jeden Fall veröffentlicht werden. Insofern habe ich noch gut zu tuen.
Muss ein Krimiautor eine dunkle Seite an sich haben?
Ich glaube, die hat mehr oder weniger jeder. Zunächst einmal würde ich sagen, dass ich ein gutmütiger Mensch bin, aber in jedem von uns steckt ein kleiner oder großer Mr. Hyde. Den unterdrückt der eine mehr und der andere weniger. Ich habe auf jeden Fall die Fantasie, mir die dunkle Seite vorzustellen.
Wie lange schreiben Sie an einem Buch und wie gehen Sie vor?
Ich bin relativ schnell. Nachdem der erste Satz stand, floss es eigentlich so dahin. Ich hatte ganz grob den Plot fertig, allerdings nur zwei bzw. drei Personen skizziert, die die Helden sein sollten. Abends vor dem Einschlafen habe ich darüber nachgedacht, wie es weitergehen könnte. Zum Beispiel: Der Mord stand, was war dann der nächste Schritt? Die Geschichte lief dann wie ein Film vor meinem inneren Auge ab. Die Szenen habe ich sehr schnell geschrieben. Für das erste Buch habe ich vielleicht ein Jahr gebraucht. Wenn die Rohfassung steht, dauert es allerdings noch etwas bis zur endgültigen Fertigstellung, weil der Text gegengelesen und lektoriert werden muss.
Steht das Ende am Anfang fest?
Nicht unbedingt. Das kommt darauf an, wen ich mir als Mörder aussuche. Bei dem zweiten Buch, „Des Goldes Schlaf“, hatte ich im Kopf, wie es ungefähr enden würde, bei meinem ersten Krimi, „Beethovens letzter Wille“, hatte ich es nicht. Ich möchte mich selbst überraschen. Es ist schön, wenn man noch nicht alles vorausgesehen hat. Ich bin nicht der Autor, der riesige Skizzen macht und die einzelnen Szenen schon grob vorgeschrieben hat. Das ist nicht meine Wesensart.
Setzen Sie sich jeden Tag hin und nehmen sich vor „Jetzt schreibe ich“ – beispielsweise – „2.000 Wörter“?
(lacht) Nein, ich zähle die Wörter ganz bestimmt nicht. Das wäre mir zu schematisch. Es gibt natürlich Phasen, wie die Ferien, in denen ich länger hintereinanderschreiben kann. Ansonsten setze ich mich im Alltag hin, schreibe ein bis zwei Stunden und mache dann ein anderes Mal weiter.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Das ist Fantasie, die mit dem gefüttert wird, was ich erlebt habe. Ich schreibe über Länder und Städte, die ich gesehen, und von Menschen, die ich kennengelernt habe. Außerdem spielen die eigenen Interessen eine Rolle. Ich habe ein breites Spektrum. Es reicht von Naturwissenschaften über Geschichte, Literatur bis hin zur Musik. Daraus schöpfe ich – und der Rest wird mit Fantasie angereichert. Karl May hat ja angeblich über den wilden Westen geschrieben und war niemals da. Das Tolle am Schreiben ist, dass man in den Romanen die eigenen Erlebnisse verarbeiten und, dass man alles, was man möchte, hinzufügen kann.
In des „Goldes Schlaf“ wird ein Journalist in der Nibelungenhalle in Königswinter ermordet. Wie sind Sie auf diese sehr skurrile Location gekommen?
Das genau ist der Grund. Sie ist skurril und ich war sehr beeindruckt, als ich das erste Mal dort war. In Bonn gibt es sehr viele interessante Orte, die mich inspirieren. Aktuell ist es die Nibelungenhalle. Die Nibelungen sind für sich schon etwas sehr Mystisches. Außerdem spielt Schloss Drachenburg eine Rolle. Ein Märchenschloss, das mich immer wieder sehr beeindruckt.
Sie haben gerade Ihren dritten Krimi fertiggestellt. Würden Sie uns etwas über „Des Menschen Eitelkeit“ verraten?
Das Buch ist wieder ein Bonn-Krimi, der allerdings, wie die beiden anderen auch schon, nicht nur in Bonn spielt. „Des Menschen Eitelkeit“ spielt auch in Italien, das mir sehr am Herzen liegt. Locations sind Neapel und Florenz. In jedem meiner Bücher geht es um eine bestimmte Epoche. In dem ersten Band ist es das Barock, im zweiten die Romantik und im dritten Band ist es die Renaissance. Es sind nie historische Romane, sondern sie spielen im Hier und Jetzt, aber die Verbindung zu vergangenen Zeiten ist immer da.
Wann wird das Buch erscheinen?
Das entscheidet der Verlag, bei dem das Buch gerade liegt.
Wie sind Sie auf die Namen Ihrer Protagonisten Karl Friedrich Jung und Paula Lanzini gekommen?
In dem Fall war Nomen nicht Omen. Es ging mir um den Klang. Ich weiß gar nicht, ob es in Italien den Nachnamen Lanzini gibt, aber er klingt gut. Der anderen Hauptfigur wollte ich einen Namen geben, der altmodisch klingt, daher Karl Friedrich Jung.
Was ist es für ein Gefühl, ein fertiges Buch in den Händen zu halten?
Das ist sehr schön – ein großer Glücksmoment. Es ist toll, überhaupt einen Verlag zu finden, der das Buch veröffentlicht. Und wenn es dann gedruckt vor einem liegt, ist das etwas ganz Besonderes. Vorher schreibt man so vor sich hin und dann denkt man: Klasse, es gibt jetzt ein Buch und vielleicht gibt es auch Menschen, die es freiwillig kaufen.
Im Übrigen brauchen Sie nie wieder über ein Geschenk nachzudenken …
(schmunzelt) Das ist das schwere Los unserer Familie und Freunde, die sich dagegen nicht wehren können. Bislang war es mein Anreiz, nie die gleiche Widmung zu schreiben, allmählich wird es jedoch schwierig. Aber es macht mir Spaß zu überlegen, wem ich ein Buch schenke, und mir eine zu dieser Person passende Widmung auszudenken.
Der Titel eines Buches regt – neben dem Cover – das Interesse an, sich das Buch näher anzuschauen. Wie schwierig ist es für Sie, den richtigen Titel zu finden?
Die bisherigen Titel waren meine Arbeitstitel, die dann geblieben sind. Ich hatte zwar Listen mit Vorschlägen, aber wir hielten an den ersten Ideen fest. Im Übrigen bin ich ein großer Fan des Genitivs, insofern ist es zumindest mein Plan, den Genitiv in allen Titeln aufzugreifen. Das nächste Buch könnte wieder wie schon der Arbeitstitel „Des Menschen Eitelkeit“ heißen und das vierte, in dem es um künstliche Intelligenz gehen wird, „Des Menschen Schöpfung“.
Foto: © Al-bigtwin, CC BY-SA, via Wikimedia Commons
Haben Sie literarische Vorbilder?
Schwer zu sagen. Es gibt Autoren und Krimis, die ich mag. Ich könnte aber nicht sagen, sie hätten etwas mit meinen Büchern zu tun. Ich lese gerne die düsteren nordischen Krimis von Jussi Adler-Olsen oder solche, die in Richtung Science-Fiction gehen, wie zum Beispiel „Drohnenland“ von Tom Hillenbrand. Aber es gibt keinen Autor, der wirklich mein Vorbild ist. In den letzten Wochen bin ich im Fernsehen auf eine Serie gestoßen, die mich begeistert hat. Die Morse-Reihe spielt in den 1980er Jahren und ist eine englische Oxford-Krimi-Serie. Die habe ich verschlungen. Die Serie ist unglaublich gut gemacht. Ich bin froh, dass ich sie nicht vor meinem ersten Buch gesehen habe, denn dann hätte ich sicherlich gedacht: „So gut kannst du es nicht.“ Die Serie hat eine Mischung, die ich für ideal halte: Kunst, Wissenschaft, Humor, Spannung und witzige Dialoge.
Benötigen Sie eine bestimmte Atmosphäre, um schreiben zu können?
Musik stimuliert mich. Ich brauche außerdem Ruhe. Ich könnte nicht in einem Café schreiben, sondern brauche mein Arbeitszimmer oder im Urlaub einen ruhigen Ort.
Sagen Sie dann Ihrer Familie: „So ich schreibe jetzt“ und machen die Türe hinter sich zu?
Nein, ganz so ist das nicht. Meine Kinder sind schon erwachsen und von daher, kann ich mich sehr gut zurückziehen – ob ich jetzt schreibe oder für die Schule arbeite. Ich sitze nicht im Elfenbeinturm und benötige auch keine absolute Ruhe.
Können Sie sich vorstellen, nur noch zu schreiben?
(lacht) Wenn ich mir von meinen Büchern ein Haus in der Toskana leisten könnte! Nein, ich bin viel zu gerne Lehrer, als dass ich diesen Beruf aufgeben möchte. Mich reizt der Kontrast zwischen der Ruhe des Schreibens und dem lebhaften Schulalltag, zumal ich auch eine kleine „Rampensau“ bin.
Ihre Bücher spielen überwiegend in Bonn. Was bedeutet Ihnen diese Stadt?
Sehr viel. Ich lebe seit fast 30 Jahren in Bonn. Ich komme aus Paderborn und bin nach dem Grundstudium nach Bonn gekommen. Ich habe mich in diese Stadt sehr schnell verliebt. Was mich besonders angesprochen hat, ist, dass Bonn für seine überschaubare Größe in vielerlei Hinsicht sehr viel
bietet. Das Großartigste ist jedoch der Rhein.
Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Am liebsten setze ich mich auf die Stufen am Beueler Rheinufer, dort hat man, wie ich finde, den schönsten Blick auf den Fluss. Im Sommer ist es dort wie an einem Dorfbrunnen, an dem man zusammenkommt und in virusfreien Zeiten mit Menschen in Kontakt treten kann. Ich fühle mich auch am Bonner Bogen und auf der Museumsmeile sehr wohl. Das sind architektonisch sehr schöne Orte mit großer Ausstrahlung.
(Susanne Rothe)
Foto: Hubert Wippermann (2)