Heide Keller ist auf allen Meeren dieser Welt unterwegs, im Rheinland verwurzelt und genießt ihr Zuhause in Muffendorf. Wir haben die Theater- und Fernsehschauspielerin in der Bonner Kaiser-Passage getroffen und uns mit ihr über ihr aktuelles Stück, ihre erste Rolle und ihren Einsatz auf dem „Traumschiff“ unterhalten. Ein amüsanter Nachmittag mit einer Frau, die Uniform eigentlich gar nicht mag.

Interview: Susanne Rothe

Sie treten seit einigen Wochen mit großem Erfolg im Contra-Kreis-Theater in „Möwe und Mozart“ auf.
Ich glaube, dass wir alle drei – Walter Gontermann als „Mozart“, Daniel Buder als „Mozarts“ Neffe und ich – es so gut machen, wie wir können. Theater spielen hat aber immer eine Komponente, die noch zu wenig Beachtung findet: Es kommt darauf an, wie das Publikum mitgeht. Die letzte Schwingung kommt von den Zuschauern, dadurch ändert sich die Vorstellung jeweils um Nuancen.

Worum geht es in diesem Stück?
Eigentlich um die Liebe im Alter. Zwei alte Leute treffen sich auf einer Parkbank. Während der Mann sich „altersgerecht“ verhält, ist „Möwe“, die ich spiele, in ihrer Psyche jung geblieben und lebendig in ihrer Sprache. Sie erwartet noch etwas vom Leben und schafft es, „Mozart“ aus seiner Erstarrung zu holen.

Was unterscheidet eine junge von einer reifen Liebe?
Liebe ist Liebe, da unterscheidet sich gar nichts.

Möwe ist sehr lebensbejahend, mutig, kämpferisch und optimistisch, haben Sie das mit ihr gemeinsam?
Wie bei den meisten Menschen mache ich mir, wenn die Wehwehchen einsetzen, Gedanken darüber, was alles passieren könnte. Ich glaube, dass dies durchaus mit Optimismus einhergehen kann. Ich hatte in diesem Jahr eine Augenoperation und hatte große Angst davor, wie sie ausgeht. Doch ich habe sie zeitlich so geplant, dass danach „Möwe und Mozart“ anstand. Insofern bin ich auch ein bisschen mutig und kämpferisch – wenn auch nicht ganz so wie Möwe.

Sie arbeiten gerade mit Horst Johanning zusammen …
Das ist ein wunderbarer Regisseur. Vieles, was er mir im Laufe unserer langjährigen Zusammenarbeit gesagt hat, beherzige ich eisern. Ich versuche es zumindest, oder er kommt und sagt: „Was hast du denn jetzt wieder gemacht?“ Ich habe ihm wirklich vieles zu verdanken.

Theater und Fernsehen – wo fühlen Sie sich am wohlsten?
Theater ist meine Heimat, damit habe ich schon sehr früh begonnen. Beim Fernsehen – ich habe überwiegend das „Traumschiff“ gedreht – musste ich erst einmal neu lernen, mit diesem Medium umzugehen. Dort sind nicht Ausdauer und Kraft gefragt, sondern Sekundenpräsenz ist wichtig. Man muss sich vor der Kamera richtig verhalten und den Rest macht ein guter Schnitt. Auf der Bühne kann ich mehr meine eigene Vorstellung von der Rolle und von mir selbst einbringen.

Haben Sie eine Lieblingsrolle?

Meine Lieblingsrolle ist immer die, die ich gerade spiele. Im Theater hatte ich das große Glück, mir Rollen aussuchen zu dürfen. Ich habe viele schöne Rollen gespielt. Allerdings wäre es mir ein „Graus“, eine ältere, gepflegte Frau zu spielen, die verzeihend ihren Mann fremdgehen lässt. Nein, bei mir würden die Fetzen fliegen.

Welche Figur möchten Sie gerne noch einmal spielen?
Früher hätte ich gesagt, ich möchte die Medea spielen, aber das spielen ja heute – im Gegensatz zu früher – 30- bis 40-Jährige. Dafür bin ich also zu alt. Gerne hätte ich auch die Katharina in „Der Widerspenstigen Zähmung“ von Shakespeare gespielt. Das ist mir leider entgangen, denn ich glaube, da wäre ich gut gewesen. Bei mir hätte Petruchio Schwierigkeiten mit der Zähmung gehabt.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Rolle?
„Barfuß im Park“ war meine erste Rolle am Boulevard. Ich habe dieses Stück damals in Deutschland aus der Taufe gehoben und hatte sensationelle Kritiken. Ich erinnere mich gut: Ich war 22, also noch sehr jung, und wusste zunächst gar nicht, was ich da tat. Ich habe einfach gemacht, was mir der Regisseur gesagt hat. Erst etwas später habe ich begonnen, die Rolle zu erfühlen und zu spielen. Mit 38 Jahren habe ich das Stück noch einmal gespielt und dachte, ich wäre schon viel zu alt für diese Rolle. Aber, ob man eine Rolle spielen kann, hat, meiner Ansicht nach, nicht immer nur etwas mit dem Alter oder dem Aussehen zu tun. Es hängt von den Spuren des Lebens ab, von der Haltung, die man einnimmt, von bestimmten Bewegungen.

 

Heide Keller

 

Von der Bühne aufs Schiff: Seit etwas mehr 30 Jahren sind Sie die Chefhostess Beatrice auf dem „Traumschiff“.
Eine lange und schöne Zeit. Ich hatte das große Glück, mit zwei großartigen Kollegen zusammenzuarbeiten: Horst Naumann als Schiffsarzt und Siegfried Rauch als Kapitän. Der Produzent Wolfgang Rademann hat einmal gesagt, er hätte mich anfangs nur als schönen Kleiderständer gesehen. Ich rannte über das Schiff in Bermudas und Stöckelschuhen, und die Rolle war nett. Das genügte mir irgendwann nicht mehr und ich habe begonnen, einzelne Geschichten für mich zu schreiben. So veränderte sich die Rolle.

Und Sie wurden zu der Beatrice, auf die alle hören. Möchten Sie nicht irgendwann einmal Kapitän werden?
Nein, das ist doch ein ganz anderer Beruf und auf mich hören doch sowieso alle. Der Sigi Rauch hat oft lachend gesagt: „Wer ist hier eigentlich der Kapitän?“

Wo sehen Sie das „Traumschiff“ in der Zukunft?
Es wird einiges anders werden. Für mich kann ich sagen, solange man mich noch sehen möchte, mache ich weiter. Doch im Moment wissen wir noch nicht einmal, ob wir überhaupt weiter drehen können, da das Schiff in „Seenot“ geraten ist. (Anm. der Red.: Die Gesellschaft, der die „MS Deutschland“ gehört, ist zahlungsunfähig. Wie es weitergeht, ist noch unklar.)

Warum ist das „Traumschiff“ so erfolgreich?
Wenn man das so genau wüsste, hätten andere Sender es längst erfolgreich kopiert. Versucht hat man es, aber es funktioniert nur bei uns. Ich glaube, es ist der Mix aus prominenten Gästen, großer Welt, sehr teurer Reise, aus Geschichten mit Humor, mit Glamour, Liebe, Leid und Happy End. Und ich persönlich halte die weiße Uniform für wichtig, obwohl ich privat Uniform überhaupt nicht liebe. Ich finde, sie steht mir auch nicht, aber es ist nun einmal mein Schicksal, dass ich mit einem Kleidungsstück bekannt wurde, das überhaupt nicht meins ist.

Schauen Sie sich das „Traumschiff“ im Fernsehen an?
Ja, ein bisschen quälen muss man sich ja. Das Leben ist nicht nur Sonnenschein. Es ist jedes Mal grauenvoll, wenn ich mich in einer Szene oder mein Aussehen nicht gut finde. Letzteres wird mit zunehmendem Alter immer schlimmer. Vor wenigen Jahren habe ich einen Film gedreht, da durfte ich so alt sein, wie ich damals war, und das war wunderbar. Es war völlig egal, wie ich aussehe. Beim „Traumschiff“ kommt immer der Anspruch an Frische und heile Welt hinzu. Dies macht mich sehr kritisch.

Reisen Sie noch privat?
Wenig, ich versuche, lange Flugreisen zu vermeiden. Was ich allerdings gerne einmal machen möchte ist, in der Weihnachtszeit nach New York fliegen. Dieses Jahr werde ich es allerdings nicht schaffen. Ansonsten bin ich sehr gerne im europäischen Sommer. Ich fühle mich nirgendwo so glücklich wie in Italien. Vielleicht war ich ja in einem früheren Leben eine Italienerin?

Sie haben die schönsten Flecken der Erde gesehen, wie sind Sie nach Bonn gekommen?
Ich bin Rheinländerin. Ich habe eine Zeitlang in Hamburg gelebt, eine sehr schöne Stadt. Dort im Norden habe ich dann Heimweh nach dem Süden bekommen und immer, wenn ich in Bonn gespielt habe, ging es mir gut. Durch eine Freundin bin ich an ein Häuschen in Muffendorf gekommen.

Was bedeutet Ihnen Heimat?
Muffendorf ist meine Heimat. Bonn ist eine schöne Stadt und ich bin sehr gerne hier. Man spricht hier meine Sprache, wie man hören kann. Ich bin in Düsseldorf geboren und meine Eltern kamen beide aus Düren, ich bin also richtig rheinisch.

Sind Sie eine rheinische Frohnatur?
Nein, das glaube bin ich nicht. Ich habe gerne gute Laune und bin fröhlich, aber so ganz ohne bedrückte Ecken bin ich nicht. Ich zeige sie nicht gerne, aber zu einer richtigen Frohnatur gehört mehr.

Haben Sie in Bonn einen Lieblingsplatz?
Meine Wohnung und meinen Garten. Ich bin gerne hier in der Kaiser-Passage und das hat nichts damit zu tun, dass wir hier sitzen und Giorgios, der nette Friseur, mir gerade zuwinkt. Ich trinke einen Kaffee und genieße es, in den Geschäften zu bummeln. Die Passage hat für mich durchaus etwas Großstädtisches – auch wenn ein paar Geschäfte leer stehen. Schade!

Sie sind eine sehr attraktive Frau. Sind Äußerlichkeiten für Sie wichtig?
Es ist ja nett, dass Sie das sagen, aber man sieht natürlich, dass ich älter geworden bin. Die sichtbaren Spuren des Alters finde ich nicht angenehm. Ich bin jetzt sogar so weit, dass ich den Crosstrainer, den ich seit Jahren habe, jeden Tag benutze. So tief kann man sinken. (lacht)

Das klingt sehr diszipliniert …
Ich habe erst nach der Premiere im Contra-Kreis-Theater angefangen, ich bin gespannt, wie lange ich es durchhalte.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
„Möwe und Mozart“ ist so gut wie nach Frankfurt verkauft. Berlin hat auch schon Interesse signalisiert. So werde ich mit dem Stück wohl eine Weile unterwegs sein. In nächster Zukunft steht eigentlich das „Traumschiff“ an. Doch wenn es an die „Kette gelegt“ wird, gibt es erst einmal kein „Traumschiff“. Das „Traumschiff“ ist wie Ihre Zeitung ein Hochglanz-format, da kann man nicht einfach auf irgendein anderes Schiff ausweichen – „Traumschiff“ bleibt „Traumschiff“ und es muss schwimmen.

 

Fotos: © P. M. J. Rothe