„Förster – Die Fleischerei“ in Bonn-Dottendort ist ein Geheimtipp. Die kulinarische Wiederentdeckung einer längst vergessenen Gaumenfreude: ursprünglicher Fleischgeschmack.
Quirinstraße 13. Ein unscheinbares Ladenlokal, einhundert Meter entfernt vom Quirinusplatz, der Endhaltestelle der Straßenbahn. Schräg gegenüber eine Grundschule, ein paar Meter weiter ein spanisches Restaurant. Dort beginnt das ruhige Bonn-Dottendorf. Allenfalls Anwohner kommen zufällig an dieser Metzgerei vorbei. Für die meisten Bonner ein eher unbekannter Ort. Und doch ein sehr lohnenswerter: Wüssten sie nur, was ihnen entgeht. Das Dottendorfer Metzgereigeschäft wurde 2009 von Wilfried Peters als Bonner Verkaufsstandort für die Naturfleischerei Peters mit Sitz in der Eifel eröffnet. 2010 stieß Wilfried Förster als Filialleiter dazu. Vier Jahre später übernahm er die Filiale – im Pachtvertrag musste nur der Nachname geändert werden – und führte sie unter dem Namen „Förster – die Fleischerei“ unter eigener Regie weiter. Seitdem baut er das Geschäft mit Willenskraft und Leidenschaft kontinuierlich aus.
„Alles aus einer Hand.“
Das Alleinstellungsmerkmal der Metzgerei beginnt rund achtzig Kilometer südwestlich von Bonn im Ourtal in der Eifel, kurz vor der belgischen Grenze. Dort liegen der Bauernhof und die Metzgerei der Naturfleischerei Peters. Der zertifizierte Produzent der Regionalmarke EIFEL garantiert nicht nur die Verwendung von Futter aus überwiegend eigenem Anbau, sondern betreibt zudem eine eigene Zucht, eine eigene Schlachtung und eine eigene Produktion direkt am Hof. Dieses ursprüngliche Konzept der kompletten Wertschöpfungskette aus einer Hand schafft die Basis für die besondere Fleischqualität.
Die gehaltenen Rinder- und Schweinerassen sind außergewöhnlich. Neben dem Ourtal-Hausschwein hält der Hof das sogenannte Kommernschwein, eine alte, zuvor ausgestorbene Weideschweinrasse, die in den neunziger Jahren vom Freilichtmuseum Kommern und der Universität Gießen rückgezüchtet wurde. Als weitere Veredelung züchtet Peters in jüngster Zeit das hofeigene Gourmeat-Schwein, eine Kreuzung aus Kommernschwein und Landschwein. Die rückgezüchteten Weideschweine zeichnen sich durch eine besondere Vitalität und Robustheit aus – ihr Fleisch ist dunkler, stärker marmoriert und besitzt einen kräftigeren, intensiveren Geschmack als das des Hausschweins.
Gleichermaßen besonders sind die am Hof gehaltenen Weiderinder, die sogenannten Weißblauen Belgier, eine vor allem in Belgien alteingesessene, einheimische Landrasse. Diese „Schwarzeneggers“ unter den Rindern sind durch eine sehr starke Muskelfülle gekennzeichnet. Ihr Fleisch ist nicht nur sehr mager, sondern zudem besonders zart. Für Metzger und Köche ein Glücksfall: „Theoretisch eignen sich alle Zuschnitte für Steaks“, erklärt Wilfried Förster. Wie die Weideschweine und die Ourtal-Hausschweine verbringen die Weiderinder den größten Teil ihres Lebens unter freiem Himmel – auch darin liegt die besondere Qualität.
Als exklusiver Vertriebspartner ist Wilfried Förster im Umfeld von Bonn der einzige Anbieter von Kommernschwein-Produkten. Auch die übrigen Ourtal-Produkte verdienen ein besonderes Augenmerk: Beim Dottendorfer Naturkochschinken werden die Fleischzuschnitte in der Herstellung ohne zusätzliche Bindemittel zusammengefügt und handgebunden, dann über Nacht im Ofen schonend gegart. Alleine das Verfahren und die Fleischqualität sorgen dafür, dass der Schinken zusammenhält. Wilfried Förster kennt den Bonner Markt sehr gut: „In Bonn und Umgebung finden Sie anderswo keinen handgebundenen Kochschinken.“ Zahlreiche weitere Erzeugnisse wie der Knochenschinken, die Bauernsalami und diverse Variationen der Eifeler Leberpaté kommen direkt vom Hof Peters. Und auch die übrigen Waren stammen von Eifeler Kleinbetrieben, wie dem Euskirchener Familienunternehmen Lapinchen, das Geflügel, Lamm und Wild liefert. Nur wenige Artikel wie ein Serrano-Schinken werden zur Vervollständigung des Sortiments überregional bezogen. „Meine Stammkunden legen Wert darauf, bei mir alles aus einer Hand zu bekommen“, erklärt Förster.
„Konkurrenz habe ich keine – ich habe nur Mitbewerber.“
Eine Vielzahl von Produkten stellt der gelernte Koch und Metzgermeister in Dottendorf zudem selbst her. Bereits mit 21 Jahren trat er seine erste Filialleiterstelle mit Personalverantwortung für 14 Mitarbeiter an. Seitdem ist der gebürtige Eitorfer viel herumgekommen – und das nicht nur in der Bonner Region. So lebte und arbeitete er dreieinhalb Jahre bei einer deutschen Metzgerei in Spanien, bevor sein Weg schließlich nach Dottendorf führte. Die Kontakte gen Süden pflegt er bis heute. Und seine Stammkunden schätzen die mediterrane Erfahrung, die auch in seine Produkte wie die hausgemachten Merguez- und Salsiccia-Bratwürste Eingang findet. Die stets wechselnden Bratenaufschnitte sind ebenfalls ein Bonner Fabrikat. Wie auch seine preisgekrönten Frikadellen, die selbst ohne Brötchen weggehen wie geschnitten Brot.
Die Zielstrebigkeit des 49-Jährigen führte Ende 2016 zur Aufnahme bei der Regionalmarke EIFEL, als erste Naturfleischerei in der Bundesstadt. Das EIFEL-Logo dokumentiert die verkaufsfördernden Werte der Regionalität sowie der Nachhaltigkeit des Produktionsprozesses. Massenproduktion und Discounter sind Wilfried Förster ein Dorn im Auge, da sie grundsätzlich zu Lasten des Tierwohls und der Fleischqualität gehen: „Mit dem Beitritt zur Regionalmarke EIFEL will ich einen Beitrag zur Entwicklung in dieser Region leisten, die ländlichen Strukturen unterstützen und dafür sorgen, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt.“ Und so legt er auch bei seinen Feinkostartikeln – von Käsespezialitäten über Honig bis zu Ahrtal-Weinen – den Fokus auf die Erzeugerregion Eifel.
Abhängen 3.0
Wilfried Förster lebt das Motto: „Das Projekt bist du.“ Er entwickelt fortlaufend neue Ideen und setzt diese zielstrebig um. Im Herbst vergangenen Jahres richtete er eine kleine Grillecke in der Metzgerei ein, um seine Fleischprodukte gleich frisch zuzubereiten: Steaks, Hamburger und Bratwürste vom Lavasteingrill, dazu selbstgemachte belgische Pommes frites. Regelmäßig kocht er Mittagsgerichte zum Mitnehmen.
Seine neueste Errungenschaft ging Anfang des Jahres mit großen Umbaumaßnahmen im Ladengeschäft einher: „Das ist mein Fleischtresor“, sagt er lächelnd und zeigt auf die große, begehbare Dry-Aging-Reifekammer mit beleuchteter Rückwand aus Himalaya-Salzsteinen. Eine so große Reifekammer mit Salzgrotteneffekt gebe es derart in Bonn und Umgebung kein zweites Mal, betont Förster. Das Besondere an dem Verfahren: Die Salzwand reichert die Luft mit feinen Salzpartikeln an. Durch die hygroskopische Wirkung wird einerseits der Prozess der Trocknung gefördert, andererseits wirkt das Salz keimhemmend und verhindert die Schimmelbildung. Das Fleisch trocknet bei einer Temperatur von einem Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 80 Prozent ohne jegliche Zusätze. „Andere kaufen sich ein teures Auto – ich kaufe mir einen Reifeschrank“, fügt Wilfried Förster schmunzelnd hinzu. „Aber das ist nichts, was man sich mal eben so hinstellt“, fährt er fort, „der Schrank muss ständig kontrolliert werden.“ Um das Reifeklima nicht zu beeinträchtigen, darf er höchstens zweimal am Tag geöffnet werden.
Die Idee des Dry Aging ist für ihn keinesfalls neu. Schon vor der Neuanschaffung ließ er Rindfleisch bis zu sechs Wochen, Lamm- und Schweinefleisch bis zu eineinhalb Wochen abhängen. Dadurch sinkt der Wasseranteil im Fleisch – der Geschmack wird intensiver und die Textur zarter. Der dabei resultierende Gewichtsverlust ist erheblich: Bei Rindfleisch beträgt er bis zu 30 Prozent, bei Lamm- und Schweinefleisch bis zu 20 Prozent. Bei Rindfleisch wird zudem der entstandene Trockenrand entfernt, was weitere 10 Prozent des Gesamtgewichts ausmacht. Die neue Salz-Reifekammer führt den Veredelungsprozess aber noch einmal deutlich weiter und verleiht dem Fleisch einen noch würzigeren und nussigeren Geschmack. „Die Dry-Aging-Kammer ist eigentlich dafür ausgelegt, Sterneköche zu beliefern“, erklärt Wilfried Förster und lässt durchblicken, dass er auch das nächste Projekt schon fest im Blick hat.
Es geht um die Wurst.
Kennern der Bonner „Fleischszene“ ist Wilfried Förster bestens bekannt. Vor Jahren stattete ihm Sternekoch Björn Freitag im Rahmen der WDR-Sendung „Servicezeit“ einen Besuch ab. Im WDR-Radiointerview erklärte dieser, er würde Fleisch in Bonn ausschließlich bei der Dottendorfer Metzgerei einkaufen. Die kulinarische Faszination des Kommernschweins führte den Küchenchef und die WDR-Servicezeit auch in diesem Sommer zurück zu den Ursprüngen des Weideschweins, ins Freilichtmuseum Kommern.
Wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, bleibt der Bonner Metzgerei treu. „95 Prozent meiner Kunden sind Stammkunden“, erklärt Wilfried Förster zu Recht mit ein wenig Stolz. Laufkundschaft gibt es im ruhigen Dottendorf hingegen wenig. Ein Umzug ins belebtere Kessenich kommt wegen der hohen Mieten nicht in Frage. Die laufenden Kosten für Metzgereibetriebe sind ohnehin stark angewachsen – von Strom, Versicherungen bis hin zu höheren Einkaufspreisen durch gestiegene Tierhaltungskosten. Und der Preisdruck durch die Massenproduktion ist enorm. Viele Kunden übersähen, so Förster, dass gutes, lang abgehangenes Fleisch allein durch den Gewichtsverlust in der Veredelung teurer werde.
Doch seine größte Herausforderung seit langem lautet: Personal. Erst jüngst schickte ihm das Arbeitsamt drei Dutzend Bewerbungsvorschläge, von denen sich bis heute niemand gemeldet hat. Gerne würde er sein Geschäft ausbauen und neue Ideen umsetzen. „Ohne Personal geht das aber nicht“, erklärt er etwas ernüchtert. Der Beruf des Fleischerfachverkäufers ist nicht mehr en vogue, nicht zuletzt auch aufgrund des allgegenwärtigen Metzgereisterbens. Der Einkauf bei Discountern fördert zudem Betriebe, die statt Fachkräften immer mehr Aushilfen beschäftigen. Und so baut Wilfried Förster auf sich selbst. Und auf seine Willenskraft. Arbeitsbeginn: fünf Uhr morgens. Sein letzter Urlaub ist drei Jahre her. Betriebsferien nutzt er für Umbaumaßnahmen. Dennoch nimmt er jede Gelegenheit wahr, sich außerhalb des Ladengeschäfts zu präsentieren. Für ein Catering kocht er gerne mal „nebenbei“ 160 Liter Gulaschsuppe. Seit langem begleitet er die „Dottendorfer Jazznacht“; und natürlich durfte er auch beim diesjährigen „Bonnfest“ nicht fehlen. Seine Stammkundschaft kennt sein Pensum und nimmt dafür gerne in Kauf, zu Stoßzeiten etwas länger in der Schlange zu stehen. Die Begrüßung fällt schon mal knapper aus, wenn man kurz vor dem mittäglichen Ladenschluss kommt – seine Pause ist ihm heilig. Aber seine Stammkunden wissen genau: Hinter ihrem Fleischgenuss steckt harte Arbeit.
(Christian Merz)
Fotos: Hans-Theo Gerhards/LVR, Wilfried Peters, Regionalmarke EIFEL, Wilfried Förster, www.pixabay.com