In Deutschland leiden mehr als 600.000 Patienten an Epilepsie. Die Krankheitsbilder sind vielfältig und das Leben der Betroffenen ist oftmals sehr beeinträchtigt. Als eine von zwei Kliniken in Deutschland verfügt die private Beta Klinik in Bonn über eine innovative Operationstechnik, um Epilepsie-Patienten zu behandeln: ein minimal-invasives Verfahren mit der MRT-gesteuerten Laserablationstechnologie VISUALASE™. Dabei wird das epileptisch aktive Gewebe im Gehirn sehr präzise mit einem Laser entfernt. Die Visualase-Technologie wird in den USA bereits seit mehr als zehn Jahren erfolgreich für die Behandlung von Epilepsie und anderen neurologischen Krankheiten eingesetzt. Wir haben mit Professor Christian Elger, Leiter der Neurologie und des Kompetenzzentrums Epileptologie an der Beta Klinik und einer der renommiertesten Epilepsie-Spezialisten weltweit, sowie mit dem Neurochirurgen und Geschäftsführer der Klinik, Professor Thomas Gasser, über Epilepsie und ihre Behandlungsmöglichkeiten gesprochen.
Professor Elger und Professor Gasser
Professor Christian E. Elger (links) und Professor Thomas Gasser (rechts)

Was passiert bei einem epileptischen Anfall im Gehirn?
Elger: Es passiert etwas Absurdes: Im Gehirn findet eine plötzlich auftretende, völlig synchrone Entladung von Neuronen statt, das gibt es normalerweise nicht. Dies kann dann zu Verkrampfungen, Zuckungen und abnormalen Handlungen führen. Diese Situation dauert nur etwa eine bis eineinhalb Minuten, hat aber für den Patienten fatale Folgen.

Was sind die Ursachen?
Elger: Da gibt es sehr viele. Angefangen bei einer genetischen Störung über erworbene Störungen bis hin zu Hirntumoren, Verletzungen und Entzündungen des Gehirns. Epilepsie ist keine isolierte Erkrankung, schon gar keine geistige Behinderung, sondern das Symptom einer Funktionsstörung!

Wie gefährlich ist ein Anfall?
Elger: Manche Anfallsformen haben ein erhöhtes Verletzungsrisiko zur Folge. Der Epileptiker kann beispielsweise unglücklich stürzen. Der Tod als direkte Folge eines Anfalls ist eher selten. Doch es gibt den sogenannten SUDEP, „sudden unexpected death in epilepsy patients“, der plötzliche, unerwartete Tod von Epilepsie-Patienten. Dieser Tod ist medizinisch nicht mit einer Erkrankung oder einem Unfall zu erklären. Oft wird der Betroffene morgens tot in seinem Bett gefunden.

Wie erleben Betroffene einen Anfall?
Elger: Für die meisten Patienten ist der Kontrollverlust das Schlimmste. Sie können den Anfall nicht beeinflussen. Bei den begrenzten Anfällen realisiert man, was passiert. Je ausgedehnter die Anfälle jedoch sind, desto weniger bekommen die Patienten mit. Der Betroffene findet sich dann zum Beispiel hilflos am Boden liegend vor.

Wen kann Epilepsie treffen?
Elger: Es kann jeden von uns jederzeit treffen. Jeder 10. Mensch hat einmal in seinem Leben einen Anfall.

Wie sieht die Behandlung aus?
Elger: Etwa zwei Drittel der von Epilepsie Betroffenen wird mit Medikamenten, den sogenannten Antiepileptika, geholfen. Etwa die Hälfte von ihnen nimmt diese Medikamente ein Leben lang. Bei einem Drittel wirken die Medikamente nicht bzw. sie werden nicht vertragen. Von diesem Drittel können etwa 10 bis 15 Prozent operativ behandelt werden. Das heißt, die Stelle, die die Anfälle generiert, wird herausgenommen. 

Herr Professor Elger, wie alt sind die Patienten in der Regel?
Elger: Ein Drittel der Patienten ist unter 18 Jahren. Ein Drittel zwischen 18 und 60 und ein Drittel jenseits der 60.

Sie haben viele Kinder und Jugendliche als Patienten. Wie sieht deren Behandlung aus?
Elger: In der Regel wie bei Erwachsenen. Letztendlich kommt es darauf an, wie früh die Kinder Anfälle bekommen. Das jüngste Kind, das in der Neuropädiatrie/Kinderepileptologie an der Charité in Berlin, mein zweiter Arbeitsplatz, operativ behandelt wurde, war drei Monate alt. Man kann also schon sehr früh operieren. Im Vordergrund steht jedoch zunächst immer eine medikamentöse Behandlung. Wenn zwei Medikamente versagt haben und die Situation für eine Operation günstig ist, raten wir immer zu einer Operation. Die Chance, beim Versagen von zwei Medikamenten anfallsfrei zu bleiben, ist leider klein.

Besteht die Möglichkeit, Epilepsie zu heilen?
Elger: Ja, wenn man operiert und die zentrale Struktur, die die Anfälle auslöst, entfernt hat und der Patient mit herausgenommener Medikamentation zwei bis drei Jahre anfallsfrei war, dann gehen wir von einer Heilung aus. Es gibt auch Anfälle im Kindesalter, die in der Pubertät einfach wieder verschwinden.
Gasser: Ich kann Ihnen ein gutes Beispiel nennen, das die Problematik zusammenfasst. Zu uns kam ein neunjähriger Junge als Patient, der sich bei Eintritt in die Schule normal verhalten hatte und dann nach anderthalb Jahren aggressive Tendenzen entwickelte. Er wurde untersucht und man entdeckte auf der Basis des Gehirns Veränderungen, die den Menschen und seine Persönlichkeit beeinflussen. Nach Behandlung mit der Laserablation war der Junge schon kurz nach der Operation in seinem Reaktionsmuster völlig anders. Die Mutter fragte ihn, wie er sich fühle, und er sagte: „Mama ich kann es nicht sagen, aber ich kann es dir zeigen.“ Er poste wie ein Kämpfer und erklärte, so habe er sich vorher gefühlt. Dann ging er zu seiner Mutter, umarmte sie und sagte: „So fühle ich mich heute.“

Sie haben gerade ein in Deutschland noch neues Verfahren angesprochen, das außer in Bonn in der Beta Klinik nur in Magdeburg angewendet wird …
Gasser: Die Laserablation ist ein Verfahren, das in der Medizin 2006 erstmals angewendet wurde. Der große Fortschritt ist, dass man mit der ins Gehirn eingeführten Sonde nahezu jedes Hirnareal atraumatisch erreichen kann – und dies mit hoher Präzision. Die über die sehr feine Lasersonde abgegebene Energie bewirkt einen Temperaturanstieg im epileptisch aktiven Zielbereich und zerstört so das unerwünschte Gewebe.

Wie lokalisieren Sie den Zielbereich?
Gasser: Vor der Operation werden ganz viele Aufnahmen vom Gehirn gemacht. Anhand dieser Bilder können wir mm-genau die Zielkoordinaten und den Zugangsweg berechnen. So kann die Sonde beispielsweise an Gefäßen vorbeigeführt werden, ohne dass diese verletzt werden. Am nächsten Tag wird der so angefertigte virtuelle Operationsplan, bei dessen Erstellung Professor Elger und ich sehr eng zusammenarbeiten, umgesetzt. Die Sonde wird eingesetzt, der Patient wird ins MRT gefahren und dann erst beginnt die eigentliche Operation. Die Wirkung des Lasers im Gehirn wird im Magnetresonanztomografen live sichtbar gemacht, überwacht und unter Umständen angepasst. Hier spielt unsere Zusammenarbeit optimal hinein, da Neurochirug und Neurologe aus unterschiedlichen Blickwinkeln das Gehirn betrachten. Ich sehe die strukturelle Auffälligkeit und Professor Elger die Funktionsstörung. Unsere Kooperation ist extrem fruchtbar.

Wie lange dauert der Eingriff?
Gasser: Wir beginnen um 8 Uhr und sind in der Regel um 15 Uhr fertig. Der Patient schläft während der ganzen Zeit. Da sowohl die Narkose als auch die Operation wenig belastend sind, ist der Patient sehr schnell, das heißt am Abend, wieder munter.

Was ist der Vorteil?
Gasser: Bei den herkömmlichen Operationsverfahren im Schläfenlappen kann die kognitive Leistungskraft, also die Lern- und Gedächtnisfähigkeit, beeinträchtigt werden, da während der Operation meist in kritischen Hirnregionen gearbeitet wird. Durch die hohe Präzision beim Einsatz des neuen Lasers lässt sich dieses Risiko vermeiden.
Elger: Es gibt keine Kollateralschäden mehr.

Wer übernimmt die Kosten?
Gasser: Man muss bei den Krankenkassen einen Einzelfallantrag stellen. Wir haben bisher noch von keiner Ablehnung erfahren.

Was fasziniert Sie an diesem Gebiet der Medizin?
Gasser: Gegenfrage: Gibt es etwas Faszinierenderes? Das Gehirn ist ein sehr komplexes, mystisches Organ. Alles, was wir erleben, wahrnehmen und denken, basiert auf den Aktivitäten des Gehirns.

Professor Elger, Sie sind einer der renommiertesten Epilepsie-Spezialisten weltweit. Bis 2018 waren Sie an der Universität Bonn Direktor der Klinik für Epileptologie. Sie wurden pensioniert und haben danach das Kompetenzzentrum für Epileptologie aufgebaut. Was treibt Sie an?
Elger: Es gibt verschiedene Persönlichkeiten und ich bin jemand, den lockt das Neue. Das betrifft auch die Wissenschaft. Ich mache gerne Medizin, es macht mir Spaß und ich gehe zufrieden nach Hause. Seitdem wir das Kompetenzzentrum gegründet haben, sehe ich Patienten aus aller Welt und Kinder mit den seltensten Formen von neuropädiatischen Erkrankungen. Dies fordert mich immer wieder aufs Neue.

Behandeln Sie nur Epilepsie?
Elger: (lacht) Nein, Sie können auch mit Kopfschmerzen zu mir kommen. Die kann ich auch ganz gut behandeln. Ernsthaft: Wir behandeln auch Patienten mit anderen neurologischen Erkrankungen.

Was ist der große Vorteil der Beta Klinik?
Gasser: Die Patienten werden bei uns sofort und in kurzer Zeit rundum versorgt. Wir klären ihre Beschwerden umfassend ab. Hier arbeiten niedergelassene Fachärzte, die sich Zeit nehmen und einen ganzheitlichen Blick auf die Patienten werfen. So setzen wir uns jeden Tag zu einer Besprechung zusammen. Das trägt dazu bei, dass wir allgemeinmedizinisch viel gebildeter sind und nicht nur unser Fachgebiet im Fokus haben – das ist hervorragend.
Elger: Das kann ich nur bestätigen. Wir sind eine Reihe von Spezialisten, die sehr kollegial und freundschaftlich miteinander arbeiten. Bei uns gibt es kurze Wege und wir sind in der Lage, andere Fachrichtungen sehr schnell hinzuzuziehen. Wir haben die gesamte Diagnostik im Haus. Benötige ich beispielsweise dringend ein MRT, genügt ein Anruf und der Patient wird noch am selben Tag radiologisch untersucht. Das funktioniert, um andere Beispiele zu nennen, beim Kardiologen oder Angiologen genauso. Eine derart intensive Zusammenarbeit habe ich noch nie erlebt. (Susanne Rothe)

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Fotos: © Beta Klinik Bonn

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