Bei JUST LIKE HONEY, der Lieblingsband unserer Redaktion, hat sich einiges getan: ein überragendes neues Album, ein überwältigender Erfolg in den USA, Akustik-Sessions mit Country-Musikern und demnächst ein Comicbuch über die Geschichte der Band. Es ist wirklich Zeit für ein Wiedersehen.

Wir sind durchaus ein wenig stolz darauf, bislang das einzige deutschsprachige Magazin zu sein, das jemals über JUST LIKE HONEY berichtet hat, der Band aus dem Rheinland, die in den USA, England und Asien überwältigenden Erfolg hat, hier vor Ort aber fast unbekannt ist. Stolz sind wir auch deshalb, weil wir den richtigen Riecher hatten: Inzwischen hat das britische „Stencil Magazine“ JUST LIKE HONEY mit den Cranberries und Alanis Morisette verglichen, „Echoes And Dust“ fühlt sich an die besten Zeiten der amerikanischen Sängerin Hope Sandoval erinnert und die Zeitschriften „Impose“ und „NeuFutur Magazine“ glauben, in der Musik von JUST LIKE HONEY die Qualität von Bands wie The Cure oder Slowdive zu hören. Wir wussten das alles schon im Jahr 2017. Die Liste der ausländischen Lobeshymnen setzt sich fort: Die amerikanischen Musikzeitschriften „Rawckus Magazine“ und „Relix“ heben die Stimme von Sängerin Darlene Jonasson hervor und sprechen von einem „engelsgleichen, gefährlichen Wohlklang“ oder von einer „Stimme, für die man sterben könnte“, während die britische Zeitschrift „The Vinyl District“ den Gitarrenklang lobt. Nach dem Erscheinen des wirklich überragenden neuen Albums „The Weight of the Stars“ lief die Musik von JUST LIKE HONEY praktisch täglich auf einigen amerikanischen Musiksendern. Radiomoderatoren wie Brian Bertolette, Lori Oakes, Michael Presti, Matt Catling und Brian Harris haben der Band regelrecht Liebeserklärungen gemacht. Die Sendung „The Electric Eye“ sah in JUST LIKE HONEY sogar die „Rettung des Rock ‘n‘ Roll“. Letzteres erscheint uns dann doch etwas übertrieben: Dass die Rockmusik einer Rettung bedarf, wussten wir jedenfalls nicht.

Wie gehen JUST LIKE HONEY mit der bizarren Situation um, von englischsprachigen Medien dermaßen in den Himmel gehoben zu werden und vor ihrer eigenen Haustür unbeachtet zu bleiben? Wir treffen Darlene Jonasson, Bianca Yang und Patrick Le Mar zum entspannten Gespräch im Belgischen Viertel in Köln. Schlagzeuger Steve ist diesmal nicht mit von der Partie, weil er kürzlich Vater geworden ist und deshalb viel Zeit mit seiner Familie verbringt. Die Band gibt sich bescheiden und wirkt angesichts unserer Frage fast desinteressiert. „Man darf unseren vorübergehenden Erfolg in den USA nicht zu hoch bewerten“, erklärt Darlene Jonasson schließlich und fährt fort: „Die Vereinigten Staaten sind ein wirklich großes Land. Mehr als ein Geheimtipp werden wir niemals sein.“ Das erklärt allerdings noch nicht, wieso JUST LIKE HONEY hier im Rheinland so gar keine Beachtung finden. Der WDR beispielsweise hat noch nie einen Song der Band gespielt. Wir fragen noch einmal nach: Weshalb ist das so? Ist das für die Künstler nicht frustrierend? „Oh, das ist Zufall“, wiegelt Bassistin Bianca Yang ab, „wie es überhaupt ein Zufall ist, ob man als Musikerin erfolgreich ist.“ Dann verweisen die drei auf die unzähligen Beispiele von Künstlern, die nie den Erfolg hatten, den sie womöglich verdient hätten. Es fallen mehrere unbekannte Namen, darunter der Sänger Tom Liwa, den Gitarrist Patrick Le Mar in unserem Gespräch als den „größten deutschen Songwriter“ bezeichnet und der „ohne ersichtlichen Grund nur einer eingeschworenen Fangemeinde bekannt“ sei. Wir müssen gestehen: Tom Liwa kannten wir tatsächlich auch nicht. Aber das werden wir ändern. Wie immer, wenn wir länger mit JUST LIKE HONEY sprechen, wird aus dem Gespräch ein Abriss über die Geschichte der Popkultur. Dutzende Künstlernamen fallen innerhalb weniger Minuten, meist aus den 1960er und 1990er Jahren, einige bekannt, andere obskur, gespickt mit Detailwissen über Songs und popkulturellen Querverweisen.

Es geht um die Machart der Musik, um die Texte, um die Haltung und schließlich um die Frage, ob man als heutiger Künstler die Streaming-Anbieter wie Spotify boykottieren müsse. Darlene, Bianca und Patrick beginnen in dieser Phase des Gesprächs selbstvergessen zu plaudern, als ob wir nicht dabei wären. Über andere Künstler scheinen sie ohnehin lieber zu sprechen als über sich selbst. Aber man merkt sofort: Die drei wissen sehr genau, wo vielleicht ihr eigener Platz in der Geschichte der Popkultur sein wird. Ein dermaßen fundiertes Wissen über andere Musiker ist bemerkenswert für eine Band, die keinem erkennbaren musikalischen Vorbild nacheifert und dadurch einen wirklich einzigartigen Sound entwickeln konnte.

JUST-LIKE-HONEY

Gibt es tatsächlich keine Vorbilder? „Wir haben keine persönlichen Helden“, bestätigt Darlene auf Nachfrage, „aber trotzdem werden wir ständig mit irgendwem verglichen. Das ist schon absurd: Jeder Journalist vergleicht uns mit anderen Bands. Es gibt da nicht einmal Überschneidungen.“ Bianca ergänzt: „Die sollten sich vielleicht mal einigen.“ Unweigerlich überlegen wir, welchen Vergleich wir selbst anstellen würden. In einen früheren Artikel hatten wir Brit Pop als Vergleich herangezogen. Dabei fällt uns auf: JUST LIKE HONEY spielen keine Songs von anderen Künstlern nach. Ist das schon wieder ein Zufall? „Nein, das ist Absicht“, sagt Bianca, „Coversongs überlassen wir anderen.“ Patrick ergänzt: „Es gibt gerade hier in Deutschland großartige Coverbands. Die machen das besser als wir.“ Wir können uns bei dieser Bemerkung des Eindrucks nicht erwehren, dass das ein vergiftetes Kompliment gewesen sein könnte. Denn die Abneigung gegen das Nachspielen von fremden Songs geht bei Darlene, Bianca, Patrick und Steve offensichtlich so weit, dass sie deshalb die Einladung der amerikanischen Show „The A.V. Club“ abgelehnt haben. Die Teilnahme hätte es erforderlich gemacht, den Song einer anderen Band zu covern. Der Auftritt wäre vermutlich eine Chance gewesen. JUST LIKE HONEY haben sich die Freiheit genommen, „Nein, danke“ zu sagen. Diese Anekdote lassen sich Darlene, Bianca und Patrick erst entlocken, nachdem wir schon einige Minuten über ihre Herangehensweise an das Schreiben von Songs gesprochen haben. Hier haben wir einen tiefen Einblick bekommen: Die Musik der Gruppe stammt zwar ausnahmslos aus der Feder von Patrick Le Mar, der in den Texten, wie er es formuliert, „die kleinen und großen Störfälle des menschlichen Zusammenlebens“ verarbeitet. Die Songs werden aber anschließend in Gemeinschaftsarbeit so lange weiterentwickelt, bis sie ihre endgültige Gestalt erhalten. Im Klangbild stehen meist die zwei Gitarren im Vordergrund, die entgegen der üblichen Aufteilung in Rhythmus- und Leadgitarre absolut gleichberechtigt sind und zu einem Soundteppich verschmelzen, in dem sie sich kaum noch auseinanderhalten lassen. Diese Klanglandschaften können z. B. bei Songs wie „Giant“ oder „Golden Glow“ besichtigt werden. Darlene und Patrick vermeiden dabei konsequent jede Spielweise, die an klassische Rockmusik erinnert. „Keine Power Chords, keine Zombie Chords, keine Klischees“, formuliert es Patrick. Teilweise haben er und Darlene sogar ihre eigenen Wege entwickelt, Akkorde zu greifen.

Trotz der Dominanz der beiden Gitarren im Klangbild darf die Bedeutung des Basses bei JUST LIKE HONEY nicht unterschätzt werden, den Bianca Yang nicht allein als Rhythmus-, sondern als vollwertiges Melodieinstrument einsetzt und der der Musik den tiefenlagigen Charakter verleiht. „Der Bass ist letztlich auch eine Gitarre“, bemerkt Bianca im Gespräch nebenbei. Die Saiteninstrumente sind bei dieser Band nicht nur eine Begleitung für den Gesang. Vielmehr sind, wie Darlene es formuliert, „die Stimmen auch nur Instrumente und gleichrangig mit den Gitarren.“ Kein Wunder also, dass JUST LIKE HONEY anders klingen als alles, was man im Radio hören kann. Und das Schlagzeug, das bei dieser Gruppe so gar nicht nach gängiger Rockmusik klingen will? Das hat bei den Aufnahmen zu „The Weight of the Stars“ wieder Benni Koch gespielt, einer der besten deutschen Studioschlagzeuger. „Benni ist ein Phänomen“, sagt Patrick, „mehr als zwei Takes braucht er bei den Studioaufnahmen nie. Mit ihm arbeiten zu dürfen, ist ein Privileg.“ Dann erzählt die Band begeistert von einer Kette, die auf die Snare Drum gelegt wurde, um dem Drumset einen besonderen Klang zu verleihen.

Das neue Album von Just Like Honey: The Weight of the Starss

Auch wenn JUST LIKE HONEY an Zufall glauben oder das zumindest behaupten: Dass die Band in ihrer rheinischen Wahlheimat unbekannt geblieben ist, hat einen Grund. Wir glauben, dass die Mischung aus Indie Rock, Dream Pop und American Folk hierzulande nicht den gängigen Hörgewohnheiten entspricht. Eine Schublade gibt es für diese Gruppe jedenfalls nicht. Melancholische Slow-Motion-Popsongs mit einem dichtgewebten Gitarrenteppich und zwei Engelsstimmen? Dieser Sound ist für die meisten Popmusikhörer vollkommen ungewohnt und für das typische Rockpublikum nicht hart und schnell genug. „Sanfte Rebellen“ hatten wir in unserem Bericht von 2017 nicht umsonst getitelt. Ebenfalls treffend heißt es dazu in einem Song der Band: „Too slow for the fast lane, too fast for the slow lane.“ Im englischsprachigen Ausland sind dagegen die Rückkehr von Dream Pop und Shoegaze ein ausgemachter Trend. Das Musikmagazin „The Spinoff“ sieht in diesen Musikstilen das „weltweit nächste große Ding“ und macht das an dem Beispiel der neuseeländischen Band Fazerdaze fest. Vor allem in den USA sind JUST LIKE HONEY Bestandteil einer schnell aufstrebenden, alternativen Musikszene, die verschiedene Spielarten des Indie Rock mit American Folk kombiniert. Nicht ganz zufällig schreibt die amerikanische Plattform „Media in Review“, der Sound von JUST LIKE HONEY „könne in einigen Jahren das alternative Musikradio dominieren“, wenn die Band einfach nur so weitermache.

Es ist bezeichnend, dass JUST LIKE HONEY in den USA als amerikanische Band gelten, gelegentlich auch als „amerikanische Band, die in Europa lebt“. „Das sind wir ja auch tatsächlich irgendwie: amerikanisch, kanadisch, deutsch und koreanisch“, sagt Darlene. Der Wunsch einiger Medien, die Gruppe zumindest in eine geografische Schublade zu stecken, nimmt inzwischen absurde Züge an: Journalisten verorten die Band abwechselnd in New York, Stockholm, Düsseldorf oder Berlin. Ausgerechnet Berlin! Die Musiker hatten Berlin in einem Interview mit einer amerikanischen Musikzeitschrift scherzhaft als „Failed State“ bezeichnet, dem man möglichst fernbleiben solle. Auch für Engländer wurden JUST LIKE HONEY schon einmal gehalten. Tatsächlich hat die Band inzwischen eine Anschrift in New York City und arbeitet viel mit nordamerikanischen Musikern zusammen. Im Anschluss an das Erscheinen ihres Albums „The Weight of the Stars“ haben JUST LIKE HONEY im Frühjahr 2019 begonnen, Akustikversionen eigener Songs einzuspielen und sich dabei der Unterstützung mehrerer Country-Musiker versichert. Zusätzlich wirkt an diesen Aufnahmen die israelische Cellistin Telalit mit. Während die Akustikversionen als eigenständiges Album unter dem Titel „The Wood Room Sessions“ erneut bei dem deutschen Label RotRaum Music veröffentlicht werden sollen, wird noch in diesem Jahr eine EP mit drei neuen Songs bei dem englischen Musikverlag Shore Dive Records erscheinen. Mehr Internationalität ist eigentlich nicht denkbar. Könnte das der Anfang eines Rückzugs der Band aus dem Rheinland sein? Nein, niemals, versichern die Musiker. „Wir sind im Rheinland zu Hause und hier bleiben wir auch.

Inzwischen sollen einige der Anekdoten, die sich um Darlene, Bianca, Patrick und Steve ranken, in einem Buch der amerikanischen Comic-Zeichnerin Kelci Crawford verarbeitet werden. Nach einem ersten Anflug von Begeisterung über die Aussicht, zu Comic-Figuren zu werden, ist bei den Bandmitgliedern die Sorge gewachsen, dass die gezeichneten Alter Egos ein unliebsames Eigenleben entwickeln könnten. Kelci Crawford ist zwar immerhin ein Fan der Band, hat als Comic-Buchautorin aber weitgehende künstlerische Freiheit. „Mit dem Risiko müssen wir leben“, sagt Patrick zum Abschluss des Gespräches und verspricht, uns bereits jetzt, das Frontcover des Comic-Buchs zum Abdruck zu überlassen.

JUST LIKE HONEY

Fotos: Just Like Honey (7)

Mehr über JUST LIKE HONEY