In Köln gibt es ausschließlich Mundartbands und in Bonn nur Musiker, die Songs von anderen Künstlern nachspielen? Von wegen! „Just Like Honey“, die Band, die wir erstmalig in der Ausgabe 3/2015 vorgestellt haben, hat einen bemerkenswerten Anfangserfolg hingelegt. Dieser findet allerdings nicht hier im Rheinland statt, sondern unter anderem in England, Kalifornien, Japan und Korea. Pünktlich zum Erscheinen des zweiten Albums „My Imaginary Friend“ haben wir mit den vier Musikern gesprochen und uns in ihre Welt entführen lassen.
Wer die Mitglieder von „Just Like Honey“ kennenlernt, versteht, weshalb sie nicht die Erwartungen erfüllen, die man typischerweise an die Bands aus der Region hat. Die vier Musiker leben zwar in Düsseldorf, Köln und Bonn, haben ihre Wurzeln aber – persönlich oder musikalisch – in anderen Teilen der Welt. Darlene Jonasson, die aus Schweden stammt und akzentfreies Englisch spricht, hat als Model und Stewardess die halbe Welt bereist. Bianca Yang steht ihrer Bandkollegin in dieser Hinsicht um nichts nach und es heißt, dass sie in Südkorea ein Fernsehstar geworden wäre, wenn sie ihren Wohnsitz nicht dauerhaft nach Deutschland verlegt hätte. Steve und Patrick Le Mar behaupten notorisch, Halbbrüder zu sein, und entstammen einer deutsch-französischen bzw. deutsch-amerikanischen Familie. Alles in allem beherrschen die Bandmitglieder sieben Sprachen. Damit ist auch klar, weshalb „Just Like Honey“ partout nicht nach einer deutschen Musikgruppe klingen.
Das ist wohl auch die Ursache dafür, dass einige britische Musikjournalisten der Meinung waren, es mit einer englischen Band zu tun zu haben. „Wir waren vor einigen Monaten überraschend auf dem Cover des Twee Magazine“, erläutert Gitarrist und Band-Mastermind Patrick Le Mar in unserem Interview, „das ist ein Underground-Fanzine aus London, wirklich sehr englisch. Genauso, wie man sich es vorstellt, wenn man an den Londoner Stadtteil Hackney denkt. Die Journalistin hat erst in der Mitte des Interviews gemerkt, dass wir nicht aus England stammen.“ Zusätzlich irritierend ist, dass Darlene manchmal für eine Kanadierin gehalten wird. Zu der wiederkehrend falschen Annahme, die Band stamme eigentlich aus England oder sogar aus Kanada, passt auch, dass es „Just Like Honey“ im Sommer 2016 als einzige nicht britische Künstler in die „Top Picks“ des Musikblogs INDIGO MUSIC geschafft haben und sie sich wochenlang in den Top 10 einer bekannten Sendung der kalifornischen Radiostation KCRW gehalten haben. „Wir verstehen das ganze Getue um unsere Herkunft allerdings nicht“, ergänzt Bianca lachend, „wer unser Facebook-Profil anschaut, kann sehen, dass wir im Rheinland leben. Das ist kein Geheimnis, das steht da.“ Danach spekulieren die vier im Interview minutenlang selbstvergessen darüber, ob das Rheinland für Deutschland vielleicht das ist, was England für den Rest von Europa darstellt: stolz auf sein Anderssein, rebellisch, liebenswert und immer in Partylaune. Wir geben zu: Darauf wären wir nicht gekommen, aber die These hat viel für sich.
Trotz des Anfangserfolges sind „Just Like Honey“ in ihrer rheinischen Wahlheimat bestenfalls heimliche Stars. Tatsächlich kennt die Band hier bei uns kaum jemand, obwohl sie, vor allem dank des Internets, von ihrem ersten Album mehr als 100.000 Stück verkauft hat. Die Fans der Musiker kommen dementsprechend aus der ganzen Welt, wobei es Schwerpunkte in England, Frankreich, Kalifornien, Japan und Südkorea gibt. Absurd: Ein Internetverzeichnis aus Japan (J-Pop) führt „Just Like Honey“ als japanische Musikgruppe. Sogar Fan-Art aus Japan gab es schon. „Wir haben eine selbstgemachte Superhelden-Zeichnung aus Tokio bekommen“, erläutert Steve, „das war wirklich süß. Wir haben das Bild auf T-Shirts gedruckt.“ Dazu passt, dass auf dem Facebook- Profil der Band eine Menge Herzchen-Emoticons mit den Fans vor allem aus Asien ausgetauscht werden. Im Gespräch wirkt das anders: „Just Like Honey“ sind relativ ernst, wenn es um ihre Musik geht, und schon fast irritiert, wenn sich die Aufmerksamkeit einiger Fans plötzlich auf die weiblichen Bandmitglieder richtet.
Letztlich geht es bei „Just Like Honey“ immer um den Song, hinter den die Band zurücktritt und hinter dem sie sich unsichtbar macht.
Wenn man länger mit den vier Musikern spricht, merkt man schnell: In der Welt von „Just Like Honey“ dreht sich viel um Musikstile aus den späten 80er und 90er Jahren, von denen der durchschnittliche Radiokonsument meist noch nie gehört hat. Es fallen wiederholt Begriffe wie Space Rock, Twee Pop, Paisley Underground, Shoegazing, Dream Pop und Madchester. Wobei: „Madchester“? Das haben wir dann doch schon einmal gehört. Hatten wir nicht selbst die Band in unserem Artikel von 2015 mit den einschlägigen britischen Musikgruppen „Blur“ und „Happy Mondays“ verglichen?
Das Namedropping, das sich vor allem bei Bianca und Patrick wie ein roter Faden durch das gesamte Interview zieht, darf allerdings nicht dazu verleiten, „Just Like Honey“ musikalisch einzuordnen. Die vier Musiker sprechen zwar gerne über die Musik, die sie selbst hören, orientieren sich aber offenkundig nicht an irgendwelchen Vorbildern. Die Band klingt deshalb anders, als man es vermuten würde: Die zarten, manchmal gehauchten Stimmen von Darlene und Bianca lassen an die französische Band „Nouvelle Vague“ denken. Ist da nicht sogar eine Prise Jazz in den Stimmen? Die Melancholie und die Langsamkeit vieler Songs, die fast an Traumsequenzen erinnern, scheinen dem englischen Musikstil Trip Hop entnommen zu sein. Zugleich ist da dieser auffällige Gitarrensound der Band: manchmal akustisch und sanft mit vielen ineinander verwobenen kleinen Melodien, dann wieder elektrisch, verzerrt, gelegentlich mit einer großen Portion Feedback.
Wie alle anderen Instrumente dienen bei „Just Like Honey“ auch die Gitarren ausschließlich dem Song. Einen Gitarristen-Egotrip, wie man ihn von manchen deutschen Rockbands kennt, sucht man hier vergeblich. Für die dichte Gitarrenwand, die die Band live minutenlang zelebrieren kann und die gut bei dem neuen Song „Higher Than The Sun“ zu hören ist, zeichnen Darlene und Patrick verantwortlich. „Feedbackorgien“ nennen sie das und lachen. Es scheint wohl der Gitarrensound von „Just Like Honey“ zu sein, der manche Musikjournalisten und sogar das Plattenlabel verleitet, von „Indie Pop“ zu sprechen.
Dieses Wort ist allerdings mit einer gewissen Vorsicht zu genießen: Wer „Indie“ hört, denkt an Schrammel-Gitarren und Disharmonien. Das trifft im Fall von „Just Like Honey“ definitiv nicht zu. Die musikalischen Fertigkeiten von „Just Like Honey“ sind bei weitem zu ausgereift, die beiden Mädchenstimmen zu überzeugend, die Songs zu harmoniebetont, die Band zu unangestrengt. Zugleich klingen einige der neuen Musikstücke ein wenig nach Americana („September Rain“) oder enthalten eine Prise Folk („How Does It Feel?“), ohne dabei ihren typischen Charakter zu verlieren. Scheinbar mühelos springen „Just Like Honey“ von verzerrten Gitarren zu sanften Tönen, auch innerhalb desselben Tracks. Häufig wird dafür eine akustische mit einer elektrischen Gitarre kombiniert, wobei die Bassgitarre als gleichberechtigtes Melodieinstrument dient. In manchen der Songs ist außerdem eine Mandoline zu hören („Frozen“), überraschend gefolgt von einem Klavierstück mit geradezu hypnotischen Wiederholungen („Strange Times“). Selbst dort, wo die Band absichtlich Feedback in die Songs mischt, gibt es keine Kollisionen mit den gängigen Hörgewohnheiten. Gitarrenlärm klingt hier im besten Sinne des Wortes honigsüß, was sich auch im Bandnamen schon andeutet.
Die Vielseitigkeit der Band resultiert vermutlich daraus, dass fast jeder der Musiker mehr als ein Instrument beherrscht. Bianca, die meist die Bassgitarre spielt, erweist sich nebenbei als eine herausragende Pianistin, während Steve seine Trommeln mit der Präzision und Vielseitigkeit eines Jazzschlagzeugers bedient. Trotz alledem meinen wir, den roten Faden gefunden zu haben: Letztlich geht es bei „Just Like Honey“ immer um den Song, hinter den die Band zurücktritt und hinter dem sie sich unsichtbar macht. Alles fügt sich hier überraschend richtig ineinander. Diese Band hat offensichtlich ein ästhetisches Konzept, dem sie von Anfang an folgt.
„Wir sind die einzige Band, die irrtümlich ein Album aufgenommen hat.“
Fragt man übrigens die vier, wie sie selbst ihren Musikstil bezeichnen, bekommt man schlicht „Popmusik“ als Antwort, beinahe so, als ob die Musik aus dem Radio keine Popmusik wäre. Passenderweise zeigt sich in unserem Gespräch, dass die Bandmitglieder keine Vorstellung davon haben, was im Radio läuft. Stattdessen können sie minutenlang über belgische Comics, japanische Untergrundfilme, obskure Musik aus den 60ern und den Klang von Rickenbacker-Gitarren sprechen. Ob das eine bewusste Auflehnung gegen den Massengeschmack ist? Wenn überhaupt, sind „Just Like Honey“ ausgesprochen sanfte Rebellen.
Ungewöhnlich ist auch die Entstehung des zweiten Albums, das den Titel „My Imaginary Friend“ trägt: Die Musiker wollten ursprünglich eine neue Single aufnehmen. Weil mehr als zehn Songs in der engeren Auswahl standen, war man lange unentschlossen. „Wir haben zunächst einen einzelnen Song aufgenommen, weil wir ja irgendwie mal anfangen mussten, dann noch einen, und noch einen, und immer so weiter. Wir haben einfach nicht mehr aufgehört“, erläutert Darlene. „An einem bestimmten Punkt haben wir begonnen, schon von einem Mini-Album zu sprechen, und schließlich war klar, dass das ein komplettes Album werden wird.“
Aus den geplanten drei Tagen Aufnahmezeit wurden drei Monate. Der Band kam hierbei zugute, dass sie in der Bonner Wohnung von Patrick, die auch als Studio dient und in dem Booklet des Albums schlicht „The Penthouse“ genannt wird, praktisch unbegrenzt an ihren Songs und Sounds herumbasteln kann. Irgendeinen Druck, Studiozeit effektiv zu nutzen, hat „Just Like Honey“ nicht. Häufig wurde dabei nachts gearbeitet, ein Umstand, der der Musik auch anzuhören ist. Das hat der Band die Gelegenheit gegeben, Gastmusiker und Freunde mitwirken zu lassen, wie den Bonner Ausnahmeschlagzeuger Johannes Kuchta. Auf diese Weise ist im Sommer 2016 aus der geplanten Single ganz zufällig ein Album geworden. „Wir sind damit die einzige Band, die irrtümlich ein Album aufgenommen hat“, ergänzt Bianca.
Ob Letzteres stimmt, wissen wir nicht. Klar ist aber, dass „Just Like Honey“ mit erstaunlicher Leichtigkeit eine Songperle nach der anderen herausbringen. Obwohl das zweite Album gerade erst im Oktober auf dem deutschen Indie-Plattenlabel rotraum:seven erschienen ist, gibt es schon wieder umfangreiches neues Studiomaterial, das wir bereits hören durften und das wir für absolut hörenswert halten. Da kommt noch etwas auf uns zu! Wahrscheinlich wird das aber in der Heimat der Band wieder kaum jemand mitbekommen.
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Fotos: Just Like Honey (6)