Die Erkundung des äußeren Planetensystems und des interstellaren Raums war das Ziel der NASA-Programme Voyager 1 und 2. Sie hatten die Golden Records an Bord, Datenplatten mit Bildern, Geräuschen, Grüßen und Musik von der Erde. Außerirdische sollten so von der Menschheit und ihrer Position im All erfahren, zumindest aber Zeugnis darüber ablegen, dass es die Menschheit gegeben hat.
voayager Fritz Roppel
Im Studio: Fritz Roppel
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Markus Schinkel und Johannes Kuchta

Während die Voyager 1 und 2 unser Planetensystem längst verlassen haben, tritt Voyager IV gerade ein. Die künstlerische Formation aus renommierten Musikern um den international bekannten Bonner Pianisten und Keyboarder Markus Schinkel sowie den Sänger und Songwriter Johannes Kuchta, hat sich 2018 zusammengetan für eine freie Neubearbeitung der „Bilder einer Ausstellung“ des russischen Komponisten Modest Mussorgsky aus dem Jahr 1874.

Mussorgsky widmete seine Komposition seinem Freund, dem kurz zuvor früh verstorbenen Maler Victor Hartmann. Der Klavierzyklus beschreibt die Bilder seiner Ausstellung. Er ist die erste und vielleicht beste Programmmusik. „Es sind einfach tolle und zeitlose Kompositionen“, sagt Markus Schinkel „wunderbar geeignet für eigene Interpretationen“ Schinkel, der inzwischen unter anderem alle neun Beethoven-Symphonien in Jazz-Stücke transformiert hat, muss es wissen.

Die „Pictures“ von Voyager IV sind allerdings keine jazzige Version der Mussorgsky-Vorlage, sondern eine ganz eigene Weiterentwicklung und Erweiterung des Ausgangsmaterials zu einer Mischung aus Jazz, Klassik und Progressive Rock, die auch Inspiration findet in der Version der Pictures at an Exhibition von Emerson, Lake & Palmer von 1971. Progressive Rock beschrieb Keith Emerson, der das Genre mit-gestaltet hat, als „Musik, die fortschreitet. Pop-Songs bestehen aus Wiederholung, Riffs und Einfachheit. Progressive Musik nimmt ein Riff, kehrt sein Inneres nach außen, stellt es auf den Kopf, spielt dann wieder andersherum und erkundet so sein Potenzial.“

Das geschieht in Perfektion in den instru-mentalen „Bildern“ wie der Promenade. Die virtuosen Musiker lassen die von Schinkel komplex komponierten und arrangierten Stücke leuchten, großes Können und explodierende Spielfreude treffen hier aufeinander. Wunderbar, das filigrane Eingangsstück Promenade und ungleich wilder Gnomus, das diabolisch und zugleich funky klingt. Hier zeigt sich das ganze Können der versierten Künstler, auch Baba Yaga klingt fast schon unspielbar. Die spacigen Klänge geben dem ganzen Album eine überirdische, manchmal fast jenseitige Stimmung.

Während Schinkel die Virtuosität und das technische Können der Musiker aufs Äußerste fordert, sind die Kompositionen der Gesangsstücke von Johannes Kuchta gerad-liniger und prägnanter. Songs auf das Wesent-liche reduziert mit tiefgründigen, poetischen Texten. Die Instrumentierung ist zum Teil ganz zurückgenommen und berührt gerade dann mit eleganter und gefühlvoller Perfektion. Die charismatische Stimme von Johannes Kuchta transportiert die Geschichten auf ein fragile und gleichzeitig eindringliche Weise. Besonders schön ist das in der dunklen Balade „Il vecchio Castello/Photophobia“ – ganz Popsong und dabei sehr nah an Mussorgskys Vorlage. Großartig auch die dramatische Reise zur Sonne in „Daedalus Calling“, der Warnung an seinen Sohn Ikarus in Anlehnung an die „Great Gates of Kiew“. Auch den spannenden Cover-Versionen von „Lucky Man“ und „Tell it to the wind“ gibt die individuelle Stimme von Kuchta eine ganz eigene Farbe.

Mit dem großartigen Bassisten Fritz Roppel, einem der besten und wandelbarsten in ganz Deutschland, und dem unglaublichen Wim de Fries, mehrfach Schlagzeuger des Jahres in den Niederlanden, Belgien und Luxemburg, liefert die Formation ein perfektes Gesamtpaket.

Auch klanglich überzeugt das Album auf ganzer Linie. Das liegt nicht zuletzt an dem Top-Produzenten Jon Caffery und den exzellenten räumlichen und technischen Voraussetzungen in den Kölner EMI-Maarwegstudios, in denen das Voyager IV Debutalbum aufgenommen wurde. Hier haben schon viele große Stars wie Tina Turner und Marlene Dietrich gearbeitet. Dank der getrennten Aufnahmeräume können Instrumente und Stimmen gleichzeitig, also in einer Art Live-Situation aufgenommen, die Spuren dann aber getrennt bearbeitet und abgemischt werden.

Reinhören lohnt sich unbedingt, ob in die schöne und aufwendig produzierte CD (Melodic Revolution Records, USA, z. B. über Amazon) oder einfach über Streaming-Anbieter. Noch schöner ist Voyager IV natürlich live. Wer sie noch nicht gesehen hat, zum Beispiel auf den Stadtgartenkonzerten im August  oder in der Harmonie in Bonn, für den bietet sich 2020 noch eine Reihe von Gelegenheiten die „Pictures at an Exibition“ live zu hören. (Claudia Meier-Kortwig) 

spaceboys voyager 4

Konzerttermine 2020

  • 24. Januar, Rheine, Hypothalamus
  • 25. Januar, Nordenham, Jahnhalle
  • 30. Januar, Bonn, Harmonie
  • 01. Februar, Nistertal (WW), Bürgerhaus
  • 02. Februar, Lütgendortmund, Piano
  • 06. Februar, Idstein, Scheuer
  • 07. Februar, Köln, Kantine (Support für Still Collins)
  • 08. Februar, Bochum, Riff
  • 21. Februar, Berlin, Maschinenhaus (+ Green Desert Tree)
  • 17. April Unna, Lindenbrauerei

Foto: Lieve Vanderschaeve (2), Johannes Kuchta (2)