1982 erreichte sie mit Michael Jacksons Album Thriller ihren kommerziellen Zenit: die Schallplatte. Die bis heute über 60 Millionen verkauften Langspielplatten des erfolgreichsten Albums aller Zeiten sind ungebrochener Rekord. In solche Dimensionen wird der schwarze Tonträger zwar nie wieder vordringen. Doch selbst in Zeiten, in denen jeder überall auf Knopfdruck seine Lieblingsmusik via Musikstreaming-Diensten wie Spotify, Deezer und Co. genießen kann, erlebt die Schallplatte ein neues Revival. Nicht nur alte Sammlerstücke werden auf diversen Plattenbörsen gehandelt, sogar aktuelle Werke namhafter Künstler wie beispielsweise Adele werden mittlerweile wieder auf Platte gepresst. Dabei treiben längst nicht nur Nostalgiker älteren Semesters die Verkaufszahlen in die Höhe. Ebenso jüngere Musikfans der MP3-Generation sind hellhörig geworden. Es ist mehr als nur ein weiterer Retro-Trend.

Die CD ist mit einem Marktanteil von 85,2 Prozent (Stand 2017) zwar immer noch der umsatzstärkste der physischen Tonträger. Doch im Gegensatz zur Schallplatte sinken die Verkaufszahlen stetig, zuletzt brach der Umsatz um 15,9 Prozent ein. Die gute alte Schallplatte hingegen hat ihren Umsatz seit ihrem Comeback vor gut einer Dekade laut Bundesverband Musikindustrie verachtfacht. Selbst wenn sie mit einem Anteil von bescheidenen 8,7 Prozent eher eine Nische bedient, ist das eine Erfolgsgeschichte, mit der vielleicht nur die wenigsten gerechnet haben. Übrigens: Auch wenn der digitale Markt der dynamischste ist, kann man immer noch mehr als die Hälfte der insgesamt verkauften Musik in den Händen halten.

 

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Das schwarze Gold

Auf den Siegeszug der Schallplatte springen auch Musiklabel und andere Unternehmer. Während erstere zum Teil immer lauter darauf aufmerksam machen, dass sie ihre neuesten Erscheinungen auch auf Vinyl zum Verkauf anbieten, sorgen Schallplattenliebhaber wie Max Gössler und Alex Terboven für den Nachschub. Vor einem Jahr gründeten sie in Berlin das Vinyl-Presswerk „intakt!“ Da die Nachfrage groß ist, heutzutage jedoch nur wenige Presswerke verblieben sind, entschlossen sich die Unternehmer, ihren Beitrag zu leisten und insbesondere Engpässen kleinerer Indie-Labels entgegenzuwirken. Manchmal wird die ganze Nacht hindurch gepresst; so entstehen bis zu 30.000 Platten pro Monat.

 

Der Kult-Plattenladen „Mr. Music“ hier mit Carsten Krey (lks) und Anton Stechonin ist wieder eröffnet.

Der Kult-Plattenladen „Mr. Music“ hier mit Carsten Krey (links) und Anton Stechonin ist wieder eröffnet.

 

Nicht zuletzt hat die Renaissance der Schallplatte kürzlich in Bonn für ein weiteres Comeback gesorgt: Der Kult-Plattenladen „Mr. Music“ hat kein ganzes Jahr nach seiner Schließung in kleinerem Stil wieder aufgemacht. Was beim Eintritt direkt auffällt, ist der Fokus auf die alten Langspielplatten. Auch wenn man den CD-Verkauf weiterhin pflegen wolle, so mache die Schallplatte tatsächlich etwa 60 Prozent des Umsatzes aus. Am meisten gefragt sind die Genres Indie, Jazz und Rock. Auf den ersten Blick mag es paradox klingen, aber je weiter die Digitalisierung voranschreite, desto stärker sei die Nachfrage an Schallplatten, erklärt Carsten Krey, der „Mr. Music“ gemeinsam mit Inhaber Bernd Gelhausen führt. Der Austausch und die Verbreitung im Netz halten den Retro-Trend am Leben. Seit einigen Jahren könne man das ganz deutlich beobachten und genau da werde nun angeknüpft. Spätestens wenn es sich um Sammlerstücke dreht, könnten Fachmärkte nicht weiterhelfen. Worüber man sich im Internet informieren kann, darüber lässt sich im Plattenladen seines Vertrauens natürlich am besten diskutieren. Hier kommen Musikfans in gemütlicher Wohnzimmer-Atmosphäre ins Gespräch, der Kontakt zum Kunden ist elementar. Der wiederum wisse die „Musik zum Anfassen“ in der kleinen Musik-Oase zu schätzen. „Es ist schön, wenn Beruf und Hobby wieder zueinanderfinden“, resümiert Krey stolz.

Schallplatten_CoverDazu gehört auch die jährliche Teilnahme am internationalen Record Store Day. Seit 2008 feiert und verbreitet sich die Kultur der unabhängigen Plattenläden mit Auftritten von Künstlern und diversen Sonderaktionen. Es ist der einzige Tag im Jahr, an dem teilnehmende Plattendealer weltweit und zeitgleich ihre Vinyl-Specials anbieten: Limitierte Editionen, unveröffentlichte B-Seiten, Sonderauflagen etc. erscheinen ausdrücklich nur zu diesem Anlass. Der diesjährige „Record Store Day“ am 21. April war sogar der bislang erfolgreichste.

 

Totgesagte leben länger

Für viele bleibt die Schallplatte im Bereich Hörkultur die Maxime. Sie scheint nicht mehr oder besser gesagt nie wieder wegzudenken. Einfach ausgedrückt sind es die Nuancen, die Musikfans an der Tonwiedergabe dieses Mediums schätzen. Die digitalen, oftmals komprimierten Varianten erreichen schlichtweg nicht die ganze Klangfülle, die auf die große Drehscheibe gebannt ist. Außerdem: Wer sein heiß ersehntes Album mitsamt des zugehörigen Heftchens (Booklet) auch in den Händen halten und ausstellen möchte, hat im Gegensatz zur kleinen CD-Version sprichwörtlich mehr davon. Sei es also das wertgeschätzte Gesamtkunstwerk, die Qualität oder bloß der nostalgische Wert – die gute alte Schallplatte wird sich auch in Zukunft weiterdrehen. Wie Thees Uhlmann – deutscher Record-Store-
Day-Botschafter 2012 – sagte: „Euer Obst kauft ihr ja schließlich auch Bio!“
(Bryan Kolarczyk)

 

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Fotos: www.pixabay.com (3), Bryan Kolarczyk (6)