Begrünte Dächer und Fassaden sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Das sei nicht nur ein hoffnungsvoller Trend, sondern auch eine Notwendigkeit für die Städte im Kampf gegen den Klimawandel, so der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG). Dach- und Fassadenbegrünungen könnten dazu beitragen, die Hitzebelastung in den Städten zu reduzieren und Hochwasser zu mindern. Laut BuGG Marktreport Gebäudegrün 2023 ist die Fläche an Gründächern in Deutschland 2022 um 8,7 Millionen Quadratmeter auf insgesamt etwa 160 Millionen Quadratmeter gestiegen. Dachbegrünung sieht schön aus, holt die Natur in die Städte und hat viele weitere Vorteile – darüber haben wir mit dem Landschaftsgärtner Markus Lentzen gesprochen.
Dachbegrünung verbessert das Mikroklima, absorbiert Schall und filtert Schadstoffe aus der Luft. Welche Vorteile hat sie noch?
Dachgrün spielt für Hitze- und Überflutungsvorsorge sowie für den Artenschutz eine große Rolle. Es leistet Kühl- und Verdunstungsarbeit. Die Dachbegrünung kann bis zu 100 Prozent Jahresniederschlag zurückhalten und kontrolliert an die Kanalisation abgeben, damit schützt sie vor Überflutungen. Dachbegrünung schluckt außerdem Lärm und bindet Feinstaub und CO2 aus der Luft. Außerdem: Jedes Dach kann begrünt werden. Es muss nicht zwingend groß sein. Der Pflanzenteppich bietet sogar einen sicheren Lebensraum für zahlreiche Insekten. Für den Hausbesitzer bedeutet eine Dachbegrünung zudem, dass er wegen der zusätzlichen Dämmung Energiekosten spart.
Gibt es verschiedene Formen der Dachbegrünung?
Es gibt zunächst Extensivbegrünungen. Sie haben eine Aufbauhöhe von acht bis 15 Zentimetern. Bei geringem Aufbau werden niedrigwüchsige, pflegeleichte Stauden gepflanzt, die mit den extremen Standortbedingungen auf Dächern gut klarkommen. Die zweite Form ist die Intensivbegrünung mit einer Aufbauhöhe von 25 bis 100 Zentimetern. Sie eignet sich nur für Flachdächer, hat aber vielfältige Gestaltungs- und Nutzungsmöglichkeiten. Bevor man sich für eine Dachbegrünung entscheidet, sollte man die Statik des Gebäudes klären. Eine extensive Dachbegrünung beschwert das Dach um rund 40 bis 150 Kilogramm pro Quadratmeter. Intensivbegrünungen beginnen bei 150 Kilogramm.
Können Dachbegrünungen die Artenvielfalt positiv beeinflussen?
Es wachsen schon bei einer einfachen Extensivbegrünung fünf bis zehn verschiedene Pflanzenarten. Mit mehr Substrat lässt sich das steigern.
Wie ist eine Dachbegrünung aufgebaut?
Sie besteht aus mehreren Schichten. Ziel ist, die vorhandene Dachabdichtung gegen Durchwurzelung zu schützen. Die unterste Lage besteht aus einem Kunststoffvlies als Trennlage auf der vorhandenen Dachhaut. Darüber liegt die wasserdichte und wurzelfeste Wurzelschutzfolie. Eine weitere Lage Vlies, die die Wurzelschutzfolie vor Scharfkantigem schützt, liegt obenauf. Mit der „BuGG-WBB-Liste“ liegt dazu das aktuelle Nachschlagewerk geprüfter Produkte vor. Die nächste Schicht ist eine Speichermatte mit einer Drainageschicht, um Wasser zu speichern und abzuleiten. Ein Filtervlies darüber verhindert, dass die Wasserableitung verstopft. Dann wird eine für Gründächer gemischte Substratschicht ausgebreitet. Sie ist leicht und durchlässig. Darauf erfolgt entweder die Pflanzung mit Flachballstauden oder es wird eine ausgewählte Sprossen- und Samenmischung ausgesät.
Welche Pflanzen eignen sich zur Dachbegrünung?
Besonders geeignet für extensive Dachbegrünungen sind Stauden wie zum Beispiel Sedum (Fetthenne), Dachwurz und Heidenelken sowie verschiedene niedrige Gräserarten. Es gibt sie in allen möglichen Mischungen. Sehr schön sind auch Sandthymian oder Schnittlauch. Niedrige Fetthennen haben eine unglaubliche Farben- und Formenvielfalt. Sie bilden schöne polsterartige Teppiche, da ihre Triebe ganz einfach einwurzeln und neue Triebe schieben. Diese Pflanzen brauchen nur wenig Pflege und auch nur wenig Wasser. Im ersten Monat sollte mehrfach durchdringend gegossen werden, damit die Pflanzen richtig anwachsen können. Wichtig ist, insbesondere im ersten Standjahr nicht erwünschte Spontanvegetation regelmäßig auszumachen. Bei der Intensivbegrünung hat man mehr Pflanzmöglichkeiten, auch mit Gehölzpflanzen, da die Dicke der Vegetationstragschicht höher ist als bei der extensiven Begrünung. Pflanzungen auf intensiv bepflanzten Dächern sind sehr schön anzuschauen, benötigen jedoch deutlich mehr Pflegeaufwand.
Was kostet eine Dachbegrünung?
Eine Extensivbegrünung kostet in Eigenarbeit ohne Pflanzen zwischen 20 und 40 Euro pro Quadratmeter. Die Intensivbegrünung ist kostenintensiver. Selbst wenn sie einfach konzipiert ist, liegt der Kostenrahmen leicht beim Doppelten. Viele Kommunen zahlen Zuschüsse von 10 bis 20 Euro pro Quadratmeter begrünter Dachfläche oder übernehmen prozentuale Anteile der Kosten. Wer ältere Gebäude saniert und dabei das Dach begrünt, kann diverse Förderprogramme nutzen. Über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) werden günstige Finanzierungen angeboten. Eine Ersparnis bieten viele Gemeinden auch dadurch, dass Dachbegrünungen als Entsiegelungsmaßnahmen anerkannt und mit günstigeren Abwassergebühren belohnt werden. In Bonn gibt es seit zwei Jahren das „Förderprogramm Begrünung“; im entsprechenden Internetportal sind dazu Informationen zu finden.
(Susanne Rothe)
B U C H T I P P:
In diesem Buch findet man Lösungen für Gründächer mit unterschiedlicher Nutzung, z. B. als Moosteppich, Kräuterrasen, Wildblumenwiese, Gemüse- und Obstgarten, Dachterrasse und Wohngarten. Man erfährt, wie solche Gründächer geplant, angelegt und gepflegt werden. Auf die Auswahl geeigneter Pflanzen wird besonderer Wert gelegt. Die Kosten für die Anlage und Pflege werden an konkreten Beispielen aufgezeigt. Auf der Grundlage umfangreicher Untersuchungen werden die Vorteile der Dachbegrünung für Bewohner und Umwelt nachgewiesen und können die Entscheidung für ein Gründach erleichtern.
Walter Kolb, Dachbegrünung – Planung, Ausführung, Pflege, Ulmer Verlag Stuttgart, gebunden, 160 Seiten, ISBN: 978-3-8001-1288-3, 39,90 Euro