Die eine ist Fachärztin für Neurologie und Psychotherapeutin, der andere Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie. Judith Maria Hoffmann und Sven Schinner kommen aus ganz unterschiedlichen medizinischen Richtungen, führen aber seit einigen Monaten eine Praxisgemeinschaft. Das Ziel: die umfassende Betreuung der Patienten. Dabei spielt Zeit genauso eine große Rolle wie fachliche Kompetenz und interdisziplinärer Austausch. „Umfassend, interdisziplinär – individuell und persönlich“ – so lautet das Credo der beiden Mediziner in der Südstadt.

Was verbindet eine Neurologin und Psychotherapeutin und ein Internist und Endokrinologe, sodass Sie eine Praxisgemeinschaft gegründet haben?
Hoffmann: Wir haben eine ähnliche Vorstellung davon, wie eine Praxis sein sollte und wie wir sie führen möchten. Wir möchten beide nahe am Patienten arbeiten und die Praxis eher familiär führen. Nur wenn man sich wohlfühlt, entwickelt man Vertrauen – und das ist für eine erfolgreiche Behandlung wichtig. Es geht bei uns um Körper und Seele.

Und inhaltlich?
Schinner: Wir beide decken in unserem Praxisalltag alle wesentlichen Bereiche unserer Fachrichtungen ab. Jeder hat seine Schwerpunkte, mit denen er sich beschäftigt. Es gibt aber zum Beispiel psychische Belastungen, deren Ursachen in hormonellen Abläufen zu finden sind. Umgekehrt gibt es auch neurologische Ausfälle bei internistischen Erkrankungen. Daher verstehen wir uns auch als ein Team, das interdisziplinär arbeitet. Wir tauschen uns aus und erörtern gemeinsame Fälle.

Sie haben beide lange in Kliniken gearbeitet und haben Ihre Praxis jetzt in der Südstadt. Warum der Wechsel des beruflichen Umfeldes?
Schinner: Wir haben uns zur Selbstständigkeit ohne übergeordnete Instanzen entschlossen, weil wir beide frei in unseren medizinischen und organisatorischen Entscheidungen sein möchten.
Hoffmann: Ja, wir steuern das Schiff gerne selbst. Hier in der Südstadt sind wir in einem pulsierenden Viertel von vielen inhabergeführten Unternehmen. Es gibt kleine individuelle Geschäfte, Lebensmittelläden, schöne Cafés, den Friseur an der Ecke, ein Blumengeschäft, Menschen, die auf der Straße noch miteinander sprechen – und mittendrin unsere Praxis. Diese Vorstellung gefällt uns und entspricht unserer Vision einer lebendigen und persönlichen Praxis.
Schinner: Nicht zu vergessen die gute Verkehrsanbindung. Wir sind mit Bus und Bahn gut zu erreichen, und wer mit dem Auto kommt, der findet in der Südstadtgarage ein paar Meter weiter Parkmöglichkeiten.

Professor Schinner, Sie sind Internist, Diabetologe und Endokrinologe. Was bedeutet Endokrinologie?
Schinner: Neben den allgemein-internistischen Erkrankungen behandele ich endokrinologische Probleme. Die Endokrinologie ist eine Spezialisierung innerhalb der Inneren Medizin. Sie beschäftigt sich mit Erkrankungen hormonproduzierender Organe. Die häufigsten Erkrankungen in dem Feld sind sicherlich Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes mellitus und Osteoporose. Es gibt aber zum Beispiel auch Formen des Bluthochdrucks, die durch eine Überproduktion von Hormonen in den Nebennieren bedingt sind. Diagnostik und Therapie des Bluthochdrucks sind deshalb weitere Schwerpunkte.

Woran merke ich, dass ich ein hormonelles Problem habe?
Schinner: Das kommt ganz darauf an, welches hormonproduzierende Organ betroffen ist. Aber wir können als Beispiel die Schilddrüse nehmen, ein Schwerpunkt in meiner Praxis. Sehr häufig findet man Schilddrüsenknoten, die nicht zu einer veränderten Schilddrüsenfunktion führen. Diese fallen häufig als Zufallsbefund oder durch Schluckbeschwerden auf. Aber bei einer Überfunktion der Schilddrüse leiden die Patienten unter Unruhe, Herzrasen und oft Gewichtsabnahme. Bei einer Unterfunktion entsprechend unter Müdigkeit, manchmal Antriebslosigkeit und Gewichtszunahme.

Muss ich mir, wenn bei mir Knoten entdeckt werden, direkt Sorgen machen?
Schinner: Schilddrüsenknoten sind sehr häufig und die große Mehrzahl der Knoten sind gutartig. Die Aufgabe des Arztes besteht dann darin, durch entsprechende Untersuchungen die Art des Knotens festzustellen. Man benötigt hierfür immer eine qualifizierte Ultraschalluntersuchung und entsprechende Tests im Labor, manchmal weitere Diagnostik.

Sind Schilddrüsen-Defekte angeboren oder können sie in jedem Alter neu auftreten?
Schinner: Es gibt schon eine familiäre Häufung von Schilddrüsenerkrankungen, typisch z. B. bei der Unterfunktion durch eine Autoimmunerkrankung (Hashimoto). Das heißt aber nicht, dass die Erkrankung mit der Geburt da ist. Sie tritt in der Regel später auf. Schilddrüsenknoten nehmen mit dem Alter zu.

Dominiert in der Behandlung die medikamentöse Therapie oder wird mehr operiert?
Schinner: Die Mehrzahl der Erkrankungen wird medikamentös behandelt. Man muss schon genau abwägen, bei welchem Befund eine Operation wirklich nötig ist. Dafür braucht man eine sorgfältige Diagnostik.

Unabhängig von der Schilddrüse, wann würde Frau Dr. Hoffmann ins Spiel kommen?
Schinner: Das erklärt man am besten an einem fiktiven Fall: Bei Patienten mit langjährigem Diabetes mellitus – vor allem, wenn der Blutzucker nicht gut eingestellt ist – kann es zu Störungen der Nervenleitung kommen. Der Patient klagt dann über Kribbeln und Brennen sowie Taubheit in den Füßen. Solche Störungen der Nervenleitung können aber auch andere Ursachen haben. Dann kommt Frau Dr. Hoffmann ins Spiel, um andere Ursachen nicht zu übersehen. Andererseits wäre es dann meine Aufgabe, die Diabetesbehandlung zu optimieren, wenn bei einem Patienten bei Frau Dr. Hoffmann ein nicht gut eingestellter Blutzucker als Ursache einer solchen Problematik gefunden wird.

Frau Dr. Hoffmann, Sie sind Neurologin und einer Ihrer Schwerpunkte ist die Behandlung von Kopfschmerz und Migräne.
Hoffmann: Ja, besonders jüngere Menschen sind häufig von Kopfschmerz und Migräne geplagt. Gerade Frauen mitten im Leben sind oft von Migräne betroffen, die sie aus dem beruflichen und privaten Alltag reißt. Wenn Sie sich vorstellen, dass Kopfschmerzen manchmal über Stunden, gar Tage andauern können, sehen Sie die große Relevanz in allen Lebensbereichen. Neue Therapien geben Hoffnung, dass man den Ursachen der Migräne nun auf der Spur ist und gezielt behandeln kann.

Was sind die Ursachen für Kopfschmerzen bzw. Migräne?
Hoffmann: Die sind so vielfältig, dass ich hier nur zwei kleine Aspekte herausgreifen kann: Die Ursachen reichen von Spannungszuständen aufgrund von chronischem Stress in der allgemeinen Lebensführung bis hin zu Entgleisungen in der Neurotransmitterkonzentration. Je nach Indikation ist eine individuelle Therapie erforderlich. Häufig sind die Anforderungen von Arbeit und Privatleben schwer miteinander in Einklang zu bringen.

Kann ich vorbeugen?
Hoffmann: Ja, in gewissem Maße ist eine Vorbeugung dem Patienten selbst möglich, indem er eine Balance zwischen Spannung und Entspannung in seinem persönlichen Alltag entwickelt. Dazu gehören regelmäßiger Sport genauso wie tägliche Entspannungszeit und ausgewogene Ernährung. Hier auf sich selbst zu achten, kann hilfreich sein innere Spannung zu reduzieren. Daher ist es wichtig, seine Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren.

Wie sieht die Behandlung aus?
Hoffmann: Die oft notwendige medikamentöse Vorbeugung ist Thema für den Neurologen oder den behandelnden Hausarzt, der den Patienten oft viele Jahre kennt. In der Fachwelt wird ganz aktuell über die sogenannten monoklonalen Antikörper gesprochen. Auf diese neue Generation von Präparaten wird große Hoffnung gesetzt. Ich erarbeite für jeden Patienten ein individuelles Behandlungskonzept. Aus der neurologischen Sicht sind oft unterstützende Medikamente für eine gewisse Zeit hilfreich, die auf den Patienten massgeschneidert ausgesucht werden. Dies können zum Beispiel ein Betablocker oder ein entspannendes Präparat für erholsamen Nachtschlaf sein. Auch das viel belächelte Botulinumtoxin hat in der Prophylaxe der chronischen Migräne einen bemerkenswerten Platz einnehmen können und wird auch von den Krankenversicherungen unter bestimmten Bedingungen erstattet. Wenn es notwendig sein sollte, begleite ich die Behandlungen auch psychotherapeutisch. Manchmal ist es unumgänglich, aus dem Alltagsstress auszusteigen, und den Fokus auf die körperliche und seelische Gesundung zu legen. Hier arbeite ich sowohl mit den Kliniken in der Umgebung als auch mit den beiden deutschen Kopfschmerzkliniken in Kiel und Königstein zusammen.

Wie lange dauert eine Behandlung und bekommt man die Kopfschmerzen bzw. Migräne dauerhaft in Griff?
Hoffmann: Es gibt mehr als 250 Kopfschmerzarten und damit mehr als 250 unterschiedliche Verläufe. Manchen Patienten geht es bereits nach wenigen Tagen besser, andere profitieren erst nach einigen Monaten von der Behandlung. Zudem dauert es eine Weile, bis man die richtigen Medikamente für den Patienten gefunden hat. Genauso wichtig ist es, dass der Patient Alltagsmuster dauerhaft verändert und für sich selbst sorgt. Es ist oft Schwerstarbeit für ihn, an der Lebensführung etwas zu ändern. Auch hierbei unterstütze ich den Patienten.

Was sagen Sie Menschen, die unter chronischer Migräne leiden?
Hoffmann: Chronische Migräne ist mittlerweile gut erklärt und behandelbar. Jedes Jahr sehen wir mit Begeisterung, welche therapeutischen Fortschritte gemacht werden, welche Präparate zur Migränebehandlung neu diskutiert werden. Wichtiger als die globalen Forschungsergebnisse und genauso wichtig und erfolgversprechend wie die neuesten medikamentösen Optionen ist es, wenn der Patient sich selbst wichtig nimmt. Allgemein gilt: „Versuchen Sie eine gute Balance zwischen Spannung und Entspannung im Alltag zu finden und gehen Sie nur einen Schritt, denn jede Veränderung beginnt mit dem ersten Schritt.“ 

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www.bonn-neurologie.de

Foto: P. M. J. Rothe