Die nordische Küche ist spannend und hat in den vergangenen Jahren die Kulinarik der Welt erobert. Restaurants wie das Noma in Kopenhagen gelten als Vorreiter der nordischen Küche, die sich vor allem an der Natur und was es dort Essbares zu finden gibt, orientiert. Köttbullar, die vielen von uns durch die Besuche einer schwedischen Möbelhauskette bekannt sind, sind nur ein sehr kleiner Bestandteil der Küche des hohen Nordens. Wer sie probieren möchte, muss – trotz oder gerade wegen der Rückbesinnung auf Traditionen – offen sein. Wir haben einen Blick in die Kochtöpfe Skandinaviens geworfen.

Die nordische Küche geht auf Rezepturen zurück, die die Menschen vor Hunderten von Jahren entwickelt haben. Körner und Samen, Blut und Innereien, Geflügel, Schwein, Meeressäuger und Meeresfrüchte, Salz- und Süßwasserfisch, Wild sowie Gemüse, Beeren und Hülsenfrüchte wurden verarbeitet und wanderten auf die Speisezettel. Auch heute ist diese Küche stets naturverbunden und sehr kreativ. Allerdings wirkt so manche regionale Zutat aus dem hohen Norden etwas ungewöhnlich. Algen, Moose und Flechten sind ebenso zu finden, wie gepökelter Schweinbauch und frisches durchgeseihtes Rinderblut. Dahinter stecken dann Gerichte wie beispielsweise Blutpudding oder Schweinebauch mit gebratenen Äpfeln und Zwiebeln.

Die nordischen Länder sind zusammengenommen ein riesengroßes geografisches Gebiet, in dem es Unterschiede, jedoch auch viele Überschneidungen innerhalb der Kultur, der politischen Geschichte und schließlich der Esskultur gibt. Der Lage im hohen Norden war es früher geschuldet, dass in den meisten skandinavischen Ländern die Nahrungsversorgung streng saisonal ausgerichtet war. Die Zeitspanne, innerhalb derer die Felder bestellt und abgeerntet werden konnten, war denkbar kurz. Durch Jagd und Fischerei wurden Vorräte wie Getreide, Gemüse und Früchte ergänzt. Waren die Vorratskammern gut gefüllt, so wurde das saisonale Überangebot für andere Jahreszeiten genutzt. Im Sommer geerntetes Gemüse oder erlegtes Wild wurden für den Winter haltbar gemacht, was den Gerichten letztendlich eine besondere Note verlieh.

Nordic Food, nordische Küche

eute macht moderne Technik das Haltbarmachen von Lebensmitteln eigentlich nicht mehr notwendig. Doch seit einigen Jahren hat man sich in den nordischen Restaurantküchen wieder auf die alten Aromen besonnen und kombiniert sie mit frischen Zutaten und Gewürzen. Alte Rezepte werden neu erfunden, dabei liegt der Fokus wie früher auf naturnahen Produkten. 2004 formulierte der dänische Koch und Gastro-Unternehmer Claus Meyer – einer der Gründer des Noma – zusammen mit weiteren Küchenchefs aus ganz Skandinavien das Manifest der Neuen Nordischen Küche. Ziel war eine eigenständige, eben auf die skandinavische Natur zugeschnittene Kochkultur. In dem Manifest machten die Küchenchefs deutlich, dass die nordische Küche, was Geschmack, Qualität und Individualität betrifft, mit anderen großen Küchen verglichen werden könne. Sie stehe allerdings nicht im Wettbewerb – beispielsweise mit der französischen oder chinesischen Küche. Ihr Ziel sei es vielmehr, der Gleichgültigkeit und der globalen Junk- und Fast-Food-Kultur entgegenzuwirken, die nicht nur die Gesundheit und kulturelle Integrität, sondern auch die Vielfalt und Nachhaltigkeit des gesamten Planeten bedrohe. Die Lebensmittel, die in der Neuen Nordischen Küche verwendet werden, werden mit Sorgfalt hergestellt und das Hauptaugenmerk liegt auf Geschmack und Vielfalt, vergessenen Sorten und Rassen, alten Verarbeitungsmethoden und neuen Ideen. 2005 übernahm der Nordische Ministerrat das Manifest als Basis für das New Nordic Food Programm, das die Neue nordische Küche möglich machen sollte.

Doch gibt es die einzig wahre nordische Küche? Die gebe es nicht, erklärte Magnus Nilsson in seinem im Phaidon Verlag erstmals 2015 erschienenen Kochbuch „Nordic, Das Kochbuch“. Nilsson ist Schwede und hat elf Jahre lang, bis Dezember 2019, in dem kleinen Ort Fäviken Gourmets aus der ganzen Welt mit seiner Kochkunst begeistert. Unter seiner Leitung wurde das gleichnamige, mit zwei Sternen ausgezeichnete Restaurant zu einem der kulinarischen Hotspots des Nordens und darüber hinaus. Nilsson legte größten Wert auf Regionalität: Auf den Tellern landete nur das, was es in der direkten Umgebung gab. So servierte er gebackene Lammzungen, Muscheln auf einem Bett aus Moos oder fermentierten Saibling mit Sauermilch. Nebenher recherchierte Nilsson zwei Jahre lang für das Kochbuch, reiste durch ganz Skandinavien und sammelte Gerichte, die die nordische Küche in all ihren Facetten widerspiegeln – authentisch, traditionell und regional.

Das Geheimnis der Neuen Nordischen Küche liegt also zunächst in der Besinnung auf traditionelle Produkte und einem Bekenntnis zur Natur. Doch ohne große Kreativität und Experimentierfreude hätte sie vermutlich kaum Chancen gehabt, die Gaumen der Gourmets auf der ganzen Welt zu erobern. Doch man muss nicht erst ein halbes Jahr auf einen Tisch im Noma oder Maaemo (Oslo) warten, um in den Genuss dessen zu kommen, was die neue nordische Küche ausmacht. Mit einem bisschen Kochtalent bekommt man Frikassee vom Lamm auch in der heimischen Küche hin – zumal die gut beschriebenen Rezepte von Nilsson sich prima zum Nachkochen eignen. Es müssen ja nicht gerade die gebratenen Eissturmvogelküken sein. Dieses Produkt ist nun wirklich schwierig zu bekommen.

Hier sind zwei Rezepte aus dem umfangreichen und fantastischen Kochbuch von Magnus Nilsson. Unter mehr als 700 Rezepten eine Auswahl zu treffen, war sehr schwer. Aber Skagen-Salat und Pilzgratin sind sicherlich etwas für jeden Gaumen und jedes Kochtalent:

Nordic Food, Pilzgerichte

PILZGRATIN

Zubereitung: 30 Minuten

Dieses Rezept habe ich (Anm. d. Red.: Magnus Nilsson) nur in einem Kochbuch aus den frühen 1980er-Jahren gefunden. Es ist nicht sehr nordisch, sollte es aber sein und wird es jetzt vielleicht auch … Es ist mit das Beste, was man mit Steinpilzen anstellen kann.

Für 4 Personen:

  • Butter, zum Braten
  • 600 g Steinpilze
  • 100 g Sahne
  • 50 g geriebener würziger Hartkäse
  • ein kleines bisschen Knoblauch, gerieben
  • frisch geriebene Muskatnuss
  • Salz und weißer Pfeffer

Eine eingebutterte Pfanne bei mittlerer Hitze auf den Herd setzen. Inzwischen die Pilze mit einem sehr scharfen Messer in etwa 5 mm dicke Scheiben schneiden. In die Pfanne geben und darin braten, bis sie wirklich schön gebräunt sind, aber noch nicht schrumpelig. Jede Seite großzügig mit Salz und Pfeffer würzen und wie in der Illustration zu sehen in eine Auflaufform schichten. Die Pilzschicht sollte nicht dicker als 1 cm sein. Den Backofen auf 250 °C vorheizen. Die restlichen Zutaten in einer Schüssel verrühren. Die Mischung nicht zu sehr salzen, da die Pilze bereits gesalzen sind und der Käse ebenfalls Salz enthält. Über die Pilze gießen und das Ganze im vorgeheizten Ofen überbacken, bis die Oberfläche schön gebräunt ist. Vor dem Servieren etwa ruhen und abkühlen lassen.

Nordic Food, Fischgerichte

SKAGEN-SALAT
Skagenröra (Schweden)

Zubereitung: 10 Minuten
Ruhezeit: mindestens 10 Minuten

Dieser Mix aus Eismeergarnelen und Mayonnaise wurde in den 1950er-Jahren vom Schweden Tore Wretman erfunden und nach der norddänischen Stadt Skagen benannt. Erstaunlicherweise kennt den Skagen-Salat in Dänemark beinahe niemand, während er in Schweden eine der beliebtesten Vorspeisen ist. Oft wird er auf in Butter gebratenen Weißbrotscheiben und mit dem Rogen der Zwergmaräne als Toast Skagen serviert. Heute nennt man skagenröra jeden Salat mit Sahne, der etwas enthält, was entfernt an ein rötliches Krustentier erinnert. Die Originalversion enthält Garnelen, Mayonnaise und Dill (manche sagen, dass auch etwas geriebener Meerrettich dazugehört). Rote Zwiebeln oder andere Zwiebelsorten gehören zu den schlimmsten Neuerungen. Die zarte Dillmischung erinnert mich (Anm. d. Red.: Magnus Nilsson)dann immer an den spezifischen Geruch in einem schmuddeligen Secondhand-Kleiderladen, eine Mischung aus altem Schweiß und Kunstfaser-Kleidung der 1960er-Jahre. In einen Skagen-Salat gehören keine Zwiebeln, und er enthält absolut keine Milchprodukte.

Ist die Mayonnaise gut geworden, schmeckt der Salat säuerlich genug – fügt man jetzt noch Essig oder Zitrone hinzu, wird der Salat ebenfalls zu flüssig. Mit einer Zitronenspalte servieren.

Für 4 Personen als Vorspeise:

  • 400 g gekochte Eismeergarnelenschwänze, geschält
  • 100–200 ml Mayonnaise (Seite 674), sehr fest
  • 1 großer Bund Dill, Blätter gezupft und Stängel fein geschnitten
  • Salz und weißer Pfeffer
  • geriebener Meerrettich

Die Hälfte der Garnelenschwänze grob hacken und mit den restlichen ganzen Garnelenschwänzen in eine Schüssel geben. Genug Mayonnaise zufügen, sodass alle Garnelen gut überzogen sind. Vorsicht, nicht zu viel Mayonnaise zugeben, da sich der Salat sonst in eine Sauce verwandelt, was nicht im Sinne des Erfinders ist. Dill, Salz und Pfeffer zufügen und nach Belieben geriebenen Meerrettich.

Salat 10 Minuten im Kühlschrank ziehen lassen. Erneut umrühren, wenn nötig mehr Mayonnaise zufügen und noch einmal abschmecken.

Magnus Nilsson Nordic Das Kochbuch

Magnus Nilsson, Nordic, Das Kochbuch, Phaidon by Edel, gebunden, 768 Seiten, ISBN: 978-3944297248, 39,95 Euro

Fotos: Phaidon by Edel Verlag, pixabay.com (2),
Foodfotos: © Erik Olsson (2)