Als wir bei Alexandra Roth zum Interview im Büro eintreffen, telefoniert sie gerade mit einem Unternehmen aus Aachen. Thema: die von Alexandra Roth und Jürgen Hofmann initiierte Kampagne gegen K.o.-Tropfen. Frauen und Männern ins Trinkglas geschüttet, hinterlassen die Tropfen bei den Opfern eine große Gedächtnislücke – nachdem diese sich bereits mehrere Stunden in einem wehr- und willenlosen Zustand befunden haben. Die Aktion „NO!K.O.“ hat von Bonn aus große Wellen geschlagen und viele Unterstützer gefunden – weit über die Bundesstadt hinaus.

Das Konzept gegen die gefährlichen Tropfen hat in der vergangenen Karnevalssession für riesige Aufmerksamkeit gesorgt und das Engagement der Initiatoren hält an: Hobbyfotograf Jürgen Hofmann lichtet für die begleitende Fotokampagne täglich neue Unterstützer von „NO!K.O.“ ab und veröffentlicht die Porträts auf diversen Social-Media-Kanälen. Armbändchen mit Kampagnenlogo werden bei zahlreichen Veranstaltungen zugunsten des „Weißen Ringes“ verkauft. Alexandra Roth hält Vorträge und gibt Interviews im Radio, Fernsehen sowie in Zeitungen und Magazinen. Zusammen mit Jürgen Hofmann hat sie aus „NO!K.O.“ eine Kampagne für 365 Tage im Jahr gemacht. Das hat man nicht nur in Bonn erkannt – die gelben Aktionsbändchen sind mittlerweile deutschlandweit zu finden.

ko tropfen kampagne Jürgen Hoffmann
Jürgen Hoffmann
KO tropfen kampagne Alex Roth
Alexandra Roth
KO tropfen kampagne Ashok Alexander Sridharan
Ashok Alexander Sridharan

Alexandra, du bist die Initiatorin der Aktion „NO!K.O.“ und hast damit im positiven Sinne für viel Wirbel gesorgt. Was ist der Hintergrund und welches Ziel wird mit der Kampagne verfolgt?
Der Hintergrund ist, dass ich selbst betroffen bin. Mir ist, außer dass ich einen kompletten Filmriss hatte, nicht mehr passiert. Aber es hat mich sehr beschäftigt, dass es überhaupt passiert ist – vor allem, weil ich dachte, dass ich mit 42 Jahren, verheiratet und mit zwei Kindern durch das Raster der Täter falle. Ich habe in den Wochen nach dem Vorfall realisiert, dass ich in unserem behüteten Bonn längst nicht die Einzige bin, die K.o.-Tropfen verabreicht bekommen hat. Es gibt Frauen, die hatten nicht so großes Glück wie ich, sondern da ist es dann unter anderem auch zu Vergewaltigungen gekommen. Das hat mir den Anstoß gegeben, dieses Thema aus der Tabuzone herauszuholen und darüber aufzuklären, dass jeder, Frauen und Männer, K.o.-Tropfen heimlich ins Getränk gemischt bekommen und Opfer werden kann.

no ko kampagne Ibrahim Loutfi
Ibrahim Loutfi
ko tropfen kampagne Petra Spinath und ihr Sohn Manuel
Petra Spinath und ihr Sohn Manuel
no ko kampagne Katharina Breidenbend
Katharina Breidenbend
no ko kampagne Rolf Mayr
Rolf Mayr
no ko kampagne Romy Britten
Romy Britten
no ko kampagne Christine Brouwers und Tochter Leonie
Christine Brouwers und Tochter Leonie
no ko kampagne Sonja Kattwinkel
Sonja Kattwinkel
no ko kampagne Richard, Anne, Lena Recker und Stephanie Slania-Recker
Richard, Anne, Lena Recker und Stephanie Slania-Recker
no ko kampagne Patrick Recktenwald
Patrick Recktenwald

Warum wird das Thema oft verschwiegen?
Hat jemand ein Getränk mit K.o.-Tropfen getrunken, so ist er in der Regel viele Stunden außer Gefecht, doch nach etwa sechs bis acht Stunden sind die Tropfen nicht mehr nachweisbar. Die Opfer könne sich nicht erinnern und sind unsicher, ob sie wirklich durch K.o.-Tropfen in diesen Zustand geraten sind oder ob nicht doch Alkohol eine Rolle gespielt hat. Man schämt sich, fragt sich, ob man einem glaubt, und redet daher gar nicht erst darüber. So kommt es viel zu selten zur Anzeige. Die Opfer gehen eher zum „Weißen Ring“ oder zu speziellen Beratungsstellen für Sexualdelikte als zur Polizei. Selbst wenn ein Opfer aufgrund seines desolaten Zustandes vor den sechs bis acht Stunden in ein Krankenhaus kommt, wird nicht automatisch ein Test auf die Tropfen hin gemacht.

no ko kampagne Peter Rothe
Peter Rothe
no ko kampagne Lilian Pfender
Lilian Pfender
no ko kampagne Willi Bellinghausen
Willi Bellinghausen
no ko kampagne Philipp Kadgiehn
Philipp Kadgiehn
no ko kampagne Angela Menzel
Angela Menzel

Wie gefährlich sind die Tropfen?
Sehr. Je nach Dosierung können sie lebensbedrohlich sein – und dennoch sind sie frei verkäuflich. Die Tropfen garantieren dem Täter für einige Stunden bei seinem Opfer ein schwarzes Loch.

Kann man die Tropfen schmecken oder riechen?
Nein, kann man leider nicht.

Wie kann man sich vor K.o.-Tropfen schützen?
Einen garantierten Schutz gibt es nicht. Man soll natürlich kein Getränk aus der Hand von Fremden nehmen, sondern am besten wäre es, wenn man den Weg vom Zapfhahn oder von der Flasche bis zu sich im Blick hätte. Aber ein Moment der Ablenkung kann den Tätern schon reichen. Wichtig ist, dass Bekannte und Umstehende sensibilisiert sind und reagieren, wenn ihnen etwas komisch vorkommt. Man muss sich um einander kümmern.

Was rätst du Menschen, denen das Gleiche wie dir passiert?
Sich nicht von Schamgefühlen oder dem Glauben, dass man selbst etwas falsch gemacht hat, leiten lassen.

Hast du Kontakt zu anderen Opfern?
Ja, und die Erlebnisse, die erzählt werden, treffen mich sehr, vor allem, wenn ich daran denke, dass ich selbst großes Glück gehabt habe und nur dank der Aufmerksamkeit meines besten Freundes alles glimpflich abgelaufen ist. Das Schreckliche ist ja auch, dass die Opfer, vielfach Frauen, nicht wissen, was der
Täter mit ihnen gemacht hat.

Ihr habt riesige Wellen geschlagen, habt ihr damit gerechnet?
Nein, überhaupt nicht. Sie haben uns aber positiv überrollt.

Du hast die schlimmen Erfahrungen im Karneval gemacht, doch das Problem „K.o.-Tropfen“ endet nicht am Aschermittwoch. Macht ihr mit der Aktion weiter?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben uns vorgenommen, die Kampagne zumindest bis September durchzuziehen. Dann läuft sie ein Jahr. Es wird in den nächsten Monaten in Bonn Konzerte geben, auf denen wir „NO!K.O.“ thematisieren können. Im Herbst steht Pützchens Markt an, wo wir auch präsent sein werden. Wir sind im Kontakt mit Fachschaften, um eine Kooperation im Uni-Bereich auszuloten. Mein großes Ziel ist es, das Thema in die Politik hineinzutragen. Es kann nicht sein, dass die Substanz GBL, die hinter K.o.-Tropfen steckt, frei verkäuflich ist. Strafbar sind lediglich der Missbrauch sowie der Verkauf und die Weitergabe von GBL als Droge. (Susanne Rothe) 

no-ko.eu

Fotos: Jürgen Hoffmann (22)

no ko kampagne Alexander Ernst
Alexander Ernst
no ko kampagne Sebastian Büchel
Sebastian Büchel