„Es ist das Spiel mit Kontrasten, das mir am meisten Spaß macht.“ Der Satz von Marina Hoermanseder beschreibt den experimentellen Stil der in Berlin lebenden Designerin und Unternehmerin perfekt. Die gebürtige Österreicherin erlangt mit ihrem gleichnamigen Label Aufmerksamkeit – sogar von Lady Gaga. Nun ist es Zeit für den Sprung von Berlin auf die internationalen Laufstege. Wir haben mit Marina Hoermanseder über ihre Anfänge bei Alexander McQueen, den kräftezehrenden Weg zu einer erfolgreichen Designerin und den Hang zum Fetisch gesprochen.
Interview: Sandy Niedobecki
Seit Ihrem Debüt bei der Berlin Fashion Week im Januar 2014 ziehen Ihre Kollektionen viel Aufsehen auf sich und Marina Hoermanseder ist schon nach nur zwei Jahren nicht mehr aus dem „Fashion Week“-Business wegzudenken. Haben Sie damit gerechnet?
Es wäre kühn, mit so etwas zu rechnen. Ich glaube, dass in solchen Situationen niemand damit rechnet. Man kann es nur hoffen, aber damit rechnen? – So bin ich nicht. Wenn man mich damals gefragt hat: „Wo sehen Sie sich in zwei Jahren?“, hätte ich mir nie angemaßt, überhaupt nur davon zu träumen, dass meine Mode in so kurzer Zeit so groß wird.
Bekommen Sie langsam Routine?
Ein bisschen tatsächlich. Wenn ich daran denke, wie es das letzte Mal zwei Wochen vor der Show zuging und am Ende doch noch alles geklappt hat – dann bin ich tatsächlich nicht mehr ganz so nervös. Deswegen: Routine nicht wirklich, aber ich bin auf jeden Fall etwas gelassener geworden.
Sie haben bei dem Label Alexander McQueen in London gelernt und gearbeitet. In welcher Hinsicht hat Sie dieser Job geprägt?
In jeder Hinsicht. Es war die härteste und beste Schule, die ich hätte besuchen können. Wir mussten an jedem Detail so lange arbeiten, bis es perfekt war. Und nur wenn es das war, wurde es gezeigt und verschickt. Das ist das Wichtigste, was ich gelernt habe und was ich auch immer in meinem Team durchsetzen möchte – Perfektion und Durchhaltevermögen! Natürlich habe ich auch viel über die Geschichte des Labels und Alexander McQueen selbst gelernt. Zu erfahren, dass er seine ersten Kollektionen in einer Garage in East London mit der Hilfe von Freunden erstellt hat, war auch ein bisschen mein Motor, als ich am Anfang meine erste Kollektion auf meinem Küchenboden mit Freunden „zusammengeschustert“ habe. Das hat mir viel Glaube an mich selbst und Motivation gegeben.
War es schon immer Ihr Traum, Designerin zu werden?
Eigentlich nicht. Ich habe viele Berufswünsche gehabt: Zoodirektorin und Meeresbiologin; dann wollte ich kurzzeitig Schauspielerin werden … Das lag auch daran, dass meine Eltern es nicht erlaubt haben, dass ich mit 14 Jahren in die Modeschule gehe. Sie wollten, dass ich zunächst einen „normalen“ Schulabschluss habe. Danach habe ich noch ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen.
„Ich kann gar nicht sagen, warum mich häufig eher düstere Themen inspirieren, aber es ist irgendwie so.“
Der Weg zur erfolgreichen Fashion-Designerin ist aber sicherlich nicht immer einfach gewesen?
Nein, auf gar keinen Fall. Ich bin ein sehr positiver Mensch, aber ich bin mittlerweile nicht mehr nur Designerin, sondern auch Unternehmerin. Wir haben ein Team von 16 Leuten, und diese zu führen, das ist etwas, dass man weder auf der Modeschule noch im Studium beigebracht bekommt. Es spielen so viele Dinge eine Rolle. Beispielsweise der Vertrieb der Mode – da gibt es schon so einige Stolpersteine. Ich habe aber gelernt, dass man diese Steine aufsammeln und etwas Schönes daraus bauen kann.
Was denken Sie, welche Eigenschaften sind wichtig, um erfolgreich zu sein?
Ehrgeiz, Fleiß und auch Mut!
Und das bringen Sie alles mit?
Sagt man mir nach (lacht).
Ihre aktuelle Frühjahr/Sommer-Kollektion zeigt sich in romantischen Pastellfarben, bestückt mit zauberhaften 3D-Blumen. Gleichzeitig wirken hautenges Leder, zahlreiche Riemen und Schnallen daneben progressiv mit einem Hang zum Fetisch-Look. Wie passt das zusammen?
Ich spiele schon von Anfang an mit Kontrasten und Gegensätzen; das ist was, mir am meisten Spaß macht. Ich möchte aber auch gar nicht nur Leder verarbeiten und Lederkorsetts auf die Bühne schicken. Einerseits möchte ich zeigen, dass Lederröcke salonfähig sind, indem man sie elegant kombiniert. Auf der anderen Seite sind Gegensätze einfach sehr spannend. Ich bin nicht der Typ für ein Seidenkleid – wenn, dann muss es gebrochen und mit etwas Härterem wie einem Ledergürtel kombiniert werden. Ich liebe Kontraste. Das ist meine Bildsprache und das zeigen wir jedes Mal von Neuem.
Wie charakterisieren Sie Ihren Mode-Stil?
Als eine sehr charmante Gradwanderung zwischen Couture, Prêt-à-porter und Fetisch.
Wie kleiden Sie sich persönlich am liebsten?
Wahrscheinlich relativ langweilig. Im Alltag habe ich meistens einen A-Linien-Rock und einen gemütlichen Pulli an. Ich liebe ausgestellte Röcke, am liebsten mit besonderen Details, die auf allen. Man sieht mich recht selten in Hosen.
Woher holen Sie sich Ihre Inspiration?
Das ist unterschiedlich und klingt für Außenstehende vielleicht etwas seltsam. Die erste Kollektion war stark von Orthopädie inspiriert, was auch immer noch dazugehört. Weitere Inspirationsquellen waren das menschliche Gehirn, die Nacktkatze, aber auch Kinderbücher und Karten. Ich kann gar nicht sagen, warum mich häufig eher düstere Themen inspirieren, aber es ist irgendwie so.
Was ist Ihr Lieblingsteil aus der aktuellen Kollektion?
Die Blumenkorsage, weil sie das Leben so perfekt in einem Teil zeigt. Das Leder steht für Orthopädie; dennoch ist es romantisch durch die Pastellfarben. Die Korsage zeigt wieder das Spiel mit Kontrasten.
Ihr Job nimmt viel Zeit in Anspruch. Haben Sie noch Zeit für andere Interessen neben der Mode?
Ich bin stolze Hundebesitzerin. Das zwingt mich dazu rauszugehen, mich zu bewegen und in den Park zu gehen. In meiner Freizeit beschäftige ich mich in der Hauptsache mit meinem Hund. Bevor ich mich in ein neues Hobby stürze – Klavierspielen habe ich aufgegeben, würde ich die Zeit nutzen, um noch mehr zu arbeiten.
Stars wie Rihanna und Lady Gaga zählen bereits zu Ihren Kunden. Gibt es jemanden, an dem Sie Ihre Mode einmal besonders gerne sehen würden?
Mein großer Wunsch wäre es, wenn Michelle Obama oder Herzogin Catherine meine Mode tragen würden.
Haben Sie Vorbilder in der Mode?
Alexander McQueen, hat mich natürlich sehr stark geprägt. An Coco Chanel finde ich beeindruckend, dass sie die Hose für Frauen eingeführt hat. So einen modischen Wandel zu bewirken, ist echt bewundernswert. Ich kann aber ehrlich sagen, dass ich jeden, der einen solchen Weg geht, bewundere. Ich weiß, wie nervenaufreibend der Job sein kann, und auch, wie viel Zeit und vor allem Kraft er kostet.
… und im Leben ?
Meine österreichische Oma, die nicht so schöne Zeiten durchlebt hat, aber immer positiv gestimmt und der Meinung war, dass alles gut wird – und diese Einstellung versuche ich ganz stark zu leben.
Gibt es etwas, das nur sehr wenige Menschen über Sie wissen?
Ja, und das wird auch so bleiben (lacht). Ich bin grundsätzlich ein sehr offenes Buch, aber wenn es ein paar Dinge gibt, die wenige wissen, dann bleibt das auch so.
„Eine Jeans und ein weißes T-Shirt – es gibt kaum jemanden, dem das nicht steht – kombiniert mit einer coolen Kette oder einer bunten Tasche, das gibt dem ganzen Look eine Aussage!“
Was raten Sie Frauen, die unsicher im Umgang mit Mode sind und nicht wissen, was ihnen steht?
Auf keinen Fall etwas nur deshalb anzuziehen, weil man es in einer Zeitschrift gesehen hat. Nur weil es an jemandem anderen gut aussieht oder gerade Trend ist, bedeutet das noch lange nicht, dass es einem selber gut steht. Was ich immer rate, ist zu kombinieren! Man muss nicht komplett trendy und teuer angezogen sein – Basics reichen. So bin ich persönlich auch: Ich kombiniere die Sachen mit ein paar cooleren bunteren Accessoires. Eine Jeans und ein weißes T-Shirt – es gibt kaum jemanden, dem das nicht steht – kombiniert mit einer coolen Kette oder einer bunten Tasche, das gibt dem ganzen Look eine Aussage!
Die Saison hält viele Trends bereit: Muster, Netze, 3D-Blumen … Zum Abschluss würden wir gerne noch wissen, was Modeliebhaber diese Saison auf keinen Fall verpassen sollten?
Accessoires und Applikationen, wie zum Beispiel unsere Blumen-Tasche. Und Farben! Ich finde, im Sommer dürfen wir alle in den Farbtopf greifen und richtig Spaß haben. Im Winter ist man doch oft genug schwarz, blau und grau angezogen.
Was ist noch für die Zukunft geplant?
Hoffentlich Großes. Wir versuchen jetzt zu expandieren, das heißt, auch den asiatischen Raum zu erschließen, gerade mit dem Verkauf. Außerdem planen wir für dieses Jahr eine Show im Ausland. Wir wollen global werden.
Fotos: Christoph Schlossnikel, Cecilia-Leitinger/Marina Hoermanseder (9)