Es ist gar nicht lange her, da verdrehte man schmunzelnd die Augen, wenn man von einem laut brummenden Drahtesel überholt wurde: Da ist wohl jemand zu faul, in die Pedale zu treten! Dieses Image von E-Bikes hat sich komplett gewandelt. Heute fahren nicht nur vermeintliche Senioren damit, auch zunehmend jüngere Sportradler nutzen die elektronische Antriebshilfe. Nicht zuletzt, weil diese nicht mehr lautstark brummt, zieht das Geschäft mit Pedelecs und E-Bikes heute stark an. Auch die diesjährige Fahrradmesse Eurobike, vom 8. bis 10. Juli in Friedrichshafen, steht ganz unter dem Fokus der E-Mobilität und wird rund 1.350 nationalen und internationalen Ausstellern eine Plattform bieten. Für uns Anlass genug, sich mit dem E-Phänomen auseinanderzusetzen, bevor es im Frühling wieder auf Radtour geht.
Es kann mitunter schon etwas verwirren, wenn nahezu ausschließlich von E-Bikes gesprochen wird, man streng genommen aber Pedelecs meint, die auch tatsächlich den größten Anteil aller „E-Bikes“ ausmachen. Diese haben einen Motor, der den Fahrer nur dann mit zusätzlichem Antrieb unterstützt, wenn man selber in die Pedale tritt. Je nach individuellem Bedarf leistet man sich eine Unterstützung mit bis zu 25 km/h oder stolzen 45 km/h. Das eigentlich als solches zu bezeichnende E-Bike fährt hingegen auf Knopfdruck, ohne Pedalunterstützung. Da es bereits ab 6 km/h zulassungspflichtig ist, wird es eher selten angeboten.
Interessant ist, dass derzeit in vielen Fahrschulen über beide Modelltypen aufgeklärt und diskutiert wird. Wir bleiben jedenfalls bei Pedelecs und schließen uns am besten der heute gängigen, allgemeinen Bezeichnung E-Bike an. Deren Elektromotoren sind das intelligente Upgrade, das die Automobilindustrie zwar lange schon verspricht, aber im Gegensatz zu Fahrradherstellern nicht anbietet. Intelligent deshalb, weil eine Software dafür sorgt, dass die Antriebskraft dem Fahrverhalten angepasst wird und so das Fahren weniger ersetzt als vielmehr den schönen Schub liefert, den man normalerweise nur bergab genießt.
E-Bikes sind der größte Wachstumsmarkt der Branche. Laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) waren Anfang 2017 drei Millionen von ihnen auf den Straßen unterwegs. In anderen Zahlen gesprochen, rechnet der Verband langfristig mit einem Anteil am Gesamtfahrradmarkt von bis zu 30 Prozent. Zahlreiche Fahrradhersteller wie Corratec bestätigen die stark wachsende Nachfrage an E-Bikes. 70 Prozent seines Gesamtumsatzes werden bei dem Raublinger Unternehmen mittlerweile durch den Verkauf von ebendiesen erwirtschaftet; 35.000 Exemplare sollen allein dieses Jahr auf den Weltmarkt kommen. Als bayrisches Unternehmen am Alpenrand liefert Corratec ein gutes Beispiel dafür, warum der moderne Fahrradtrend nicht abbricht. Wer gerne die unendlichen Auf- und Abfahrten bergiger Radstrecken bewältigt, stößt mit herkömmlichen Fahrrädern schnell an seine Grenzen. Die gefragte elektronische Variante macht diesen Sport nicht weniger sportlich, sie verschiebt die Grenzen vielmehr. Dadurch, dass steile Anstiege mit Leichtigkeit zu befahren sind, ergeben sich ganz neue, auch viel längere Tour-Möglichkeiten. Wen kümmern dann noch die abwertenden Blicke vom überholten Old-School-Radler? Stöbert man auf den Internetseiten diverser Hersteller, erscheinen in der Kategorie „E-Bike“ als erstes zumeist die elektronischen Mountain- oder Tourbikes. Sie demonstrieren augenscheinlich, dass Antriebshilfe und Sportgeist nicht im Widerspruch stehen. Fleißig strampeln muss man nämlich nach wie vor und wer wirklich ins Schwitzen kommen will, kann die Motorunterstützung bequem herunterregeln.
Der gerade in Europa erfolgreiche Komponentenhersteller Bosch pirscht derzeitig mit seinem praktischen PowerTube Akku mit 500 Wattstunden vor. Die schlanke Form des Stromspeichers erlaubt eine Integration in die Rahmenstruktur des Zweirads. Ganz neu ist die Idee nicht, doch mit dem Vorstoß von Bosch dürften klobige Batteriepacks, wie das hauseigene PowerPack, am Gepäckträger oder Rahmen, bald zur Ausnahme werden. Das Ergebnis dieser Innovation kann sich sehen lassen. Modelle wie beispielsweise das KENT 10 von Raleigh sind auf den ersten Blick nicht von herkömmlichen Fahrrädern zu unterscheiden. Mit einem Empfehlungspreis von 3.199,99 Euro hingegen fällt es da schon eher auf. Ebenfalls auffällig in diesem Zusammenhang ist das Life S von Corratec. Das liebevoll auch E-Chopper genannte Fahrrad besitzt zwar einen sehr auffällig angebrachten Akku, ist aber aufgrund seines kompakten Rahmens und den 20-Zoll-Ballonreifen ein ideales Citybike für jede Körpergröße.
Der Trend reißt nicht ab. Fahrradhersteller konnten bereits ein fantastisches Produktionsjahr 2017 verzeichnen und wollen 2018 erst so richtig durchstarten. Der Tenor ist einhellig: Es gibt für jeden Einsatzbereich das passende Modell. Egal, ob man nun täglich durch die Stadt zur Arbeit pendelt, ausgiebige Radtouren unternimmt oder steile Berghänge bewältigt, der Frühling kann kommen. Dieses Mal vielleicht sogar auf Knopfdruck … (Bryan Kolarczyk)
Fotos: Raleigh www.raleigh-bikes.de, Kalkhoff www.kalkhoff-bikes.com, Corratec www.corratec.com (2), M1-Sporttechnik www.m1-sporttechnik.de (4)
Titelbild: Das Modell SPITZING PLUS verfügt über den revolutionären cleanmobile-Antrieb, den M1-Sporttechnik exklusiv in seine Modelle integriert.