… weiß Benjamin Stocksiefen genau. Der Zimmermeister und Geschäftsführer der Holzbau Stocksiefen GmbH ist leidenschaftlicher Verfechter vom nachwachsenden Baustoff und das Gesicht der vierten Generation des 75-jährigen Familienunternehmens, das sich in der Köln Bonner Region vorrangig mit dem Bau von Holzhäusern, Anbauten und Aufstockungen einen Namen gemacht hat. Seit dem 18. Juni 2021 ist Benjamin Stocksiefen auch weit darüber hinaus bekannt – und zwar als Redner. Genauer gesagt als Europameister des internationalen Speaker Slams, auf dem sich Teilnehmer aus über zehn Ländern in vier verschiedenen Sprachen messen, indem sie über persönliche Themen referieren. Benjamin Stocksiefens Botschaft: „Lasst uns in Zukunft Holz als Baumaterial Nr. 1 nutzen, damit auch unsere Kinder noch einen lebenswerten Planeten vorfinden.“ Wir haben den strahlenden Sieger kurz nach seinem Erfolg zum Gespräch über seinen Weg zum „Holzbaubotschafter“ getroffen.

Sie gehen ungewöhnliche Wege für jemanden in der Baubranche. War Holz schon immer etwas ganz Besonderes für Sie?
Auf jeden Fall. Bereits im frühen Alter nahm mich mein Vater oft zu seinem Zimmerplatz in Troisdorf-Bergheim mit. Er baute damals 200 Dachstühle im Jahr, was eine riesen Hausnummer ist. Ich hatte den frischen Geruch, den Holz ausströmt, also schon als Kind in der Nase. Intensiviert hat sich das Thema Holz dann durch die zahlreichen Baustellenbesuche. Man ging in diese großen Betonbauten hinein, um ganz oben die Fläche für die spätere Montage des Dachstuhls auszumessen, und dieser beständige nassfeuchte Geruch von Beton reizte immer meine Schleimhäute. Das führte teilweise zu starken Kopfschmerzen. Ich dachte: Bauen ist cool, aber es muss doch möglich sein, dass nicht nur der Dachstuhl, sondern das ganze Haus aus Holz besteht. Heute bin ich genau dort angekommen, diese Traumhäuser zu bauen. Aus einem nachwachsenden Rohstoff mit einzigartigem, natürlichem Raumklima. Dafür stehe ich jeden Tag auf.

Der gesundheitliche Aspekt beim Hausbau prägte den jungen Benjamin Stocksiefen. Bei seiner Rede auf dem Speaker Slam weist der heute 33-jährige daher eindringlich darauf hin, dass Holz einen gesunden Lebensraum bietet. Eine Studie von 2003 belege beispielsweise, dass sich ein Mensch beim Schlafen in einem Zirbenholzbett rund 3.500 Herzschläge am Tag erspart. Das bedeute etwa eine Stunde weniger Arbeit fürs Herz. Ein weiterer Aspekt ist die Nachhaltigkeit. Der ökologische Hausbau ist das Markenzeichen des Familienbetriebs und helfe Menschen dabei, natürliche Wohnräume aus Holz zu errichten.

Was sind die Vorteile beim Holzhausbau?
Vor allem drei Dinge: Holz erzeugt ein wunderschönes, beruhigendes und gesundes Raumklima. Außerdem hat der Hausbau mit Holz eine schnelle Bauzeit. Nicht zuletzt handelt es sich um einen nachwachsenden Rohstoff, der CO2 speichert. Bauen mit Holz ist aktiver Klimaschutz und wenn ich mir ansehe, welche Wetterextremen um uns herum entstehen und Naturkatastrophen heraufbeschwört werden, dann ist er alternativlos. Wir verschwenden aus Kostengründen willkürlich natürliche Ressourcen. Darum ist es für mich logisch, zukünftig nur noch aus Holz zu bauen. Ausgenommen natürlich Tiefbau, bei dem die Eigenschaften von Beton unschlagbar sind. Doch oberirdisch ist Holz die beste Wahl. Abgesehen davon, dass der Beruf des Zimmermanns sehr beliebt ist und die Ausbildungsschulen aus allen Nähten platzen, ist es für die meisten in der Baubranche recht unüblich alles mit Holz zu schaffen. Viele tun sich schwer damit. Doch es gibt jetzt immer mehr Seminare, die über nachhaltiges Bauen aufklären. Das ist dringend notwendig, denn viele haben noch das Bild der Fertighäuser aus den 1970er und 1980er Jahren vor Augen und hegen Zweifel an der Standhaftigkeit bei Sturm, Feuer und Wasserproblemen. Viele erkennen ein Holzhaus nicht, weil sie nicht wissen, dass man es ganz herkömmlich verputzen kann.

Der aktuelle Preis für Holz ist hoch …
Ja. Wobei es vor allem der schnelle Preissprung nach langer konstanter Preislage auf niedrigerem Niveau ist, der abschreckt. Unsere Kunden setzen heute ihre Investitionssummen in Relation zu anderen Werten wie der Nachhaltigkeit. Sie fragen sich, was Sie ihren Kindern hinterlassen können. Es soll ein Architektenhaus sein, welches man ruhigen Gewissens vererben kann. Es hat definitiv ein Umdenken in der Gesellschaft stattgefunden. Außerdem können Bauherren bei uns dank unserer flexiblen Holzrahmenbauweise an vielen Stellen sparen. Sie ist die preiswerteste Baumethode.

In Deutschland schwindet die Baufläche. Welche Rolle will Stocksiefen – und soll Holz – bei dieser Entwicklung spielen?
Der Trend in der Region geht tatsächlich zum Anbau und zur Aufstockung, was zu unserem Kerngeschäft zählt. Die Menschen machen sich immer mehr ihren Bestand zunutze. Es gibt sehr wenige freie Grundstücke, kaum noch Neubaugebiete. Vor allem im innerstädtischen Raum wird gerne eine Etage „draufgesetzt“, weil es schnell realisierbar ist, eine leichte Bauweise hat und die schlanken Wandaufbauten für Investoren mehr Wohnfläche bieten, die sie vermieten können.

„Es gibt Häuser, es gibt Zuhause, und es gibt Stocksiefen“ heißt es auf Ihrer Firmenseite. Was ist anders beziehungsweise besser, wenn Sie bauen?
Wir gehen heute mit dem vollständigen Hausbau oder auch bereits beim Bau einer Aufstockung mit dem Kunden auf eine gemeinsame Reise. Statt 200 Dachstühle sind es 20 bis 25 Großprojekte pro Jahr. Die sind ein Erlebnis, bei dem auch freundschaftliche Verhältnisse entstehen. Nicht selten wollen Bauherren auch Eigenleistung erbringen und übernehmen einzelne Gewerke, die in ihrer Kompetenz liegen. Manche möchten unbedingt die Fassaden streichen. Sie bringen dann Freunde, Familie und Bekannte mit, stellen den Grill an und hören nebenbei Bundesliga. Ein richtiges Event also, bei dem man auch noch Geld spart, weil wir uns die Arbeit teilen. Da wir nicht als Generalunternehmer auftreten, öffnen wir für solche Wünsche gerne unsere Tore. Das Feedback ist sehr dankbar.

Benjamin Stocksiefen

Auch wenn Benjamin Stocksiefen stets eine wohlriechende „Schnupperprobe” von Zirbenholz aus den Hochlagen Österreichs dabei hat, lässt bereits der Eintritt in sein Firmenbüro in Niederkassel-Mondorf keinen Zweifel daran, dass man bei einem Fachmann mit Leidenschaft für seinen Werkstoff zu Besuch ist. Es duftet überall nach Holz, und zwar in vielen Nuancen. Vom Empfangsflur über eine Treppe in den ersten Stock und dort durch einen breiten und einen schmalen Gang, vorbei am höhenversetzten Architektenbüro bis hinunter zur Produktionshalle, in der aus Holz Häuser gemacht werden, nimmt man den Geruch mehrerer Holzarten wahr und erspäht ihre verschiedenen Verarbeitungen. Das warme Licht macht den kleinen Abenteuerlauf heimelig. Hier wird über alle Sinneswege für den Bau eines Holzhauses argumentiert. Das ist Teil des Geschäfts, das der Zimmermeister mit nachhaltigem Konzept führt. Auf diesen Gesichtspunkt des Holzbaus verweist Stocksiefen unermüdlich. Auch als Autor und Redner auf europäischer Bühne. Als Klima-Aktivist würde er sich jedenfalls nicht bezeichnen.

Mein Antrieb besteht immer darin, den Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zu geben. Sie und ihre Familien sind das, was zählt. Die Frage, die ich mir stelle, lautet daher also: Wie kann ich mein Team bestmöglich auslasten? Und die Antwort liegt in der Nachhaltigkeit. Maximal viele Interessenten ausführlich im Büro zu beraten, führte nicht zu einer höheren Abschlussquote. Eine grobe Kostenkalkulation erfolgt telefonisch viel schneller und schafft Zeit, sich intensiver mit dem schönen Teil der Arbeit zu beschäftigen. Im Zuge dessen bauten wir unseren YouTube-Kanal auf, auf dem sich die Kunden bereits vor Kontaktaufnahme über uns und Holzhäuser im Allgemeinen informieren können. In meinem Buch beantworte ich außerdem alle häufigen Fragen zu dem Thema. Und dafür, auch wenn es vielleicht nicht die beste Wortwahl ist, brenne ich. Die Kundengespräche sind viel effektiver geworden. Man erreicht die Menschen mit Holz. So bin ich im Prozess der Geschäftsoptimierung wohl zum „Holzbaubotschafter“ geworden.

Dieser Weg war also nicht geplant?
Es entwickelte sich ganz natürlich. Wir sind zielstrebig, aber die konkreten Maßnahmen wurden so nicht festgeschrieben. Hätte mir jemand vor zwei Jahren gesagt, dass ich mal auf die Bühne gehen werde, hätte ich vermutlich gelacht und gefragt: Warum? Aber man kam doch schnell an den Punkt, an dem man sich sagte: Doch, das probiere ich jetzt einmal. Und ich liebe es, neue Sache auszuprobieren. Auch wenn es bedeutet, ein Jahr lang zu üben – für vier Minuten auf der Bühne. Verrückt. Eine tolle Erfahrung!

Sie sprechen von Ihrem preisgekrönten Auftritt beim Speaker Slam. Wie war es, sich darauf vorzubereiten und welche Hürden gab es?
Es war ein sehr lehrreiches Jahr. Man konnte sich online in Videokursen ansehen, wie man solche Reden am besten entwickelt und wie bisherige Gewinnerreden aufgebaut waren. Ich habe im Verlauf des Jahres oft überlegt, nicht doch alles umzuschreiben, aber schlussendlich perfektionierte man die Rede immer weiter, bis man sie fast auswendig konnte. Das war auch gut so. Denn beim Auftritt vor Publikum hatte man genau vier Minuten Zeit, ehe das Mikro abgeschaltet wurde. Das ist manchen Teilnehmern leider passiert, als sie gerade ihre Botschaft hinüberbringen wollten. Ich war zwischendurch etwas irritiert, weil ich, anders als bei den unzähligen Probeläufen vor dem Spiegel, meinen Text deutlich schneller vorgetragen hatte. Aber es ging dann doch alles gut.

Dem Auftritt ging Ihr 2019 erschienenes Buch „Die Feels Wood Story – Wie Holz dabei hilft, ein nachhaltiges und erfülltes Leben zu führen“ voraus. In diesem beschäftigen Sie sich nicht nur mit Holz …
Stimmt. Es funktioniert als Ratgeber für Unternehmensnachfolger, Handwerker oder auch allgemein als Orientierungshilfe für Menschen, die vor schwierigen Entscheidungen stehen. Ich habe dort alles hineingeschrieben, was ich auf meinem Weg gelernt habe. Es geht über Holz hinaus. Das liegt daran, dass ich beim Schreiben in einer Phase der Persönlichkeitsfindung steckte. Viele Fragen beschäftigten mich und mir wurde sehr bewusst, dass das Leben von jetzt auf morgen vorbei sein kann. Was würde meine vier Jahre alte Tochter dann noch von mir wissen? Ich wollte, dass sie in jedem Fall nachvollziehen kann, was der Papa so gedacht und wie er die Welt verstanden hat. Der emotionale Antrieb war entscheidend.

Der Grundstein für Ihren Werdegang als Holzhausbauer wurde früh gelegt. Ging es von jungen Jahren an konsequent dorthin, wo sie jetzt stehen?
Nein, es war zwischendurch etwas holprig. Nach der Realschule ging es auf das Wirtschaftsgymnasium und anschließend in die Zimmererausbildung. Soweit so klar. Eines Tages aber stand mein Vater vor der Türe und legte mir ein Duales Studium zum Bauingenieur in Köln nahe, welches ich neben meiner Ausbildung machen konnte. Im Grunde war das eine gute Idee und auch die Noten stimmten anfangs. Allerdings gab es ein für mich schicksalhaftes Fach: Hydrostatik und Gewässerkunde. Das funktionierte einfach nicht und so konzentrierte ich mich wieder nur auf meine Ausbildung, wurde Geselle und ging 2011 nach Kassel auf die Meisterschule. Im Nachhinein bin ich froh darüber, wie es gekommen ist. Denn hätte ich mein Studium irgendwie weitergeführt, hätte ich mich von dem entfernt, was ich eigentlich machen wollte: Holzbau.

Sie geben Holz einen hohen Stellenwert in Ihrem Leben. Wer und wo wären Sie ohne Holz?
Ich wäre auch im pädagogischen und sozialen Bereich glücklich geworden. Ich helfe einfach gerne Menschen und habe in sozialen Einrichtungen, die wir unterstützen, einschneidende Erlebnisse gehabt, die mich dankbarer gemacht haben. Die extra Energie, die ich in meinem Beruf aus mir herausholen kann, weckt der nachhaltige und soziale Aspekt meiner Arbeit. Ich habe das Glück, mit einem tollen Baustoff Gutes für Mensch und Umwelt zu bewirken. Holz macht glücklich.
(Bryan Kolarczyk)

Fotos: Benjamin Stocksiefen (4)