Das Hohe Venn hat etwas Magisches und ist zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert. Der Naturpark verzaubert die Besucher mit immer anderen Farben und Formen und strahlt gerade in den kalten Monaten des Jahres etwas Surrealistisches aus. Wir haben das Hohe Venn an einem Wochenende zu Beginn des Winters besucht und eine herrliche Wanderung über hölzerne Stege und einsame Moorpfade unternommen.
Am frühen Morgen geht es los. Von Köln aus fahren wir zur Baraque Michel, deutsch Michelshütte, wo wir das Auto auf einem der beiden großen Wanderparkplätze abstellen. Das traditionelle Gasthaus liegt auf 674 Metern Höhe und ist damit der dritthöchste Punkt im Venn. Nahe der Hütte liegt die Kapelle Fischbach, die 1831 errichtet wurde. Ihre Glocken hat man jeden Abend geläutet, um Wanderern, die sich verirrt hatten, den Weg zu weisen. Rund um die Baraque Michel liegen die Zugänge zu zahlreichen, wunderschönen Wanderwegen. Wir entscheiden uns für eine größere Runde, die wir unterwegs noch erweitern. Wir möchten die einzigartige facettenreiche Landschaft möglichst lange genießen.
Hier findet man seltene Arten von Moor- und Feuchtgebietsflora, wie Beinbrech, Wollgras, Heidekraut, Rosmarinheide, Europäischer Siebenstern, Moosbeere.
Langsam hebt sich der Morgendunst und wir haben das erste Mal freien Blick auf das Hochmoor. Grenzüberschreitend erstreckt sich das Hohe Venn von der Eifel bis in die Ardennen. Es ist eines der letzten Hochmoore Europas und liegt zwischen den Orten Malmedy, Eupen, Spa und Monschau. Durch einen konsequenten Naturschutz konnten dort seltene Pflanzen und Tiere überleben. Jetzt zu Beginn des Winters herrscht eine nahezu gespenstische Ruhe. Alles hat sich zurückgezogen und die Natur erwartet den ersten Schnee. Wir genießen die Entschleunigung und wandern stillschweigend vor uns hin.
Ein gespenstischer Ort – verkohlte Baumreste im Geisterwald „Noir Flohay“
Seit 1957 steht das Hochplateau unter Schutz. Eingerahmt ist es von kleinen Venndörfern und Städten, die von einer langen Historie geprägt sind. Die Landschaft ist karg und wirkt auf uns unnahbar. Auf dem höchsten Punkt, dem „Signal de Botrange“, hat man vom 24 Meter hohen Aussichtsturm einen wunderbaren Ausblick auf die mystische Winterlandschaft. Wir haben Glück, dass wir einen Tag erwischt haben, an dem keine Nebelschwaden die Sicht behindern. Die Winter hier sind lang und hart. Ende Oktober gibt es bereits den ersten Frost, der uns früh morgens empfangen hatte. Jetzt am späten Vormittag sind die Temperaturen angenehmer und unser gleichmäßiges, aber dennoch zügiges Wandertempo vertreibt die Restkälte.
Vor tausend Jahren, so haben wir uns zuvor informiert, erstreckte sich ein Laubwald über einen Großteil des Hochplateaus. Nur vereinzelt traf man damals auf waldfreie Moorflächen. Dann kam im Mittelalter der Mensch und begann den Laubwald abzuholzen, beweidete die Landschaft und so wandelte sich nach und nach die Hochebene in eine ausgedehnte Heidelandschaft um.
Ein Teil unseres Weges führt über den Naturlehrpfad Polleur Venn. Dort finden wir jede Menge Informationen über die Entwicklung und das Gleichgewicht der wichtigsten Ökosysteme im Hohen Venn. Der rund drei Kilometer lange Pfad ist auch für Menschen zugänglich, die nur eingeschränkt beweglich oder mit dem Kinderwagen unterwegs sind. Für jeden, der mehr über das Hohe Venn wissen möchte, lohnt es sich, den Lehrpfad in seine Route einzubauen.
Nach rund 26 Kilometern durch eine der schönsten Naturlandschaften sind wir an unserem Ausgangspunkt zurück. Bevor wir uns auf den Heimweg machen, kehren wir im Baraque Michel ein. Das Restaurant ist gut besucht, doch wir haben Glück und es ist ein Tisch frei.
BUCHTIPP:
Krimi vor toller Kulisse
In einer ostbelgischen Kleinstadt wird eine Familie vermisst: Ihr ausgebranntes Auto wurde am Rande des Hohen Venn gefunden, von den Eltern und dem Sohn fehlt jede Spur. Sind sie Opfer einer Entführung geworden? Während Suchtrupps die weitläufige Moorlandschaft durchkämmen, forschen Ermittler Piet Donker und seine Kollegen nach den Hintergründen. Doch die Zeit läuft gegen sie, denn der Täter verfolgt einen grausamen Plan.
Stephan Haas, Tod im hohen Venn, Emons Verlag, Taschenbuch, 336 Seiten, ISBN: 978-3-7408-1276-8, 13 Euro
Mit einer leicht scharfen Kürbiscremesuppe und einem herrlich deftigen Wildschweinragout verwöhnen wir uns für die vielen gewanderten Kilometer. Es war ein herrlicher Ausflug und ein wirklich empfehlenswerter Tipp für alle, die es nachmachen wollen. Im Internet findet man viele verschiedene Routen. Man sollte sich allerdings die Abfahrt so wählen, dass man am frühen Morgen vor Ort ist. Denn an Schönwetter-Tagen oder, sobald der erste Schnee liegt, kann es auf den Parkplätzen voll werden. Ist man erst einmal unterwegs, verläuft es sich und man trifft nur vereinzelt auf andere Wanderer.
Fotos: Edina Grabecz (8)