Robert Maas ist einer der jüngsten Neuzugänge im Sternenhimmel des Guide Michelin. Im EQUU bekocht er seine Gäste sehr intuitiv und persönlich. Wir haben mit Robert Maas über seinen schwierigen Weg in die Spitzengastronomie gesprochen und er hat uns erzählt, für welches Gericht er in New York sogar 16 Blocks weit laufen würde.

Es ist Samstagvormittag, halb elf. Das Viertel rund um den Post Tower ist menschenleer. An den Büros sind die Rolladen heruntergelassen. Nur im Remise Bistro und EQUU brennt Licht. Dort sind wir mit Robert Maas verabredet. Irgendwo drinnen brummt ein Staubsauger. Im EQUU gibt Robert Maas gerade in fließendem Englisch ein Interview. Die Remise ist schon für den Abend eingedeckt. Wir nutzen die Zeit und lassen uns von Sommelier Fabrice Thumm und Restaurantleiterin Bettina Heider durch das aufwendig und mit viel Liebe zum Detail eingerichtete ehemalige Kutscherhaus führen. Nach wenigen Minuten ist Maas bei uns: „Möchten Sie einen Espresso?“, fragt er. Möchten wir gerne. Fabrice Thumm ist so nett und bringt ihn frisch aufgebrüht an unseren Tisch. Wir sind schon mittendrin im Interview und erfahren, dass Robert Maas eigentlich Germanistik und Japanologie studiert hat und den Traum hatte, in einer Werbeagentur wie Jung von Matt oder Ogilvy zu arbeiten. Keine Chance. Sein Vater erinnerte ihn daran, dass er gerne kocht. So wurde Robert Maas Koch und da er das, was er macht, auch richtig macht, ein sehr guter. Einer, dem es wichtig ist, er selbst zu bleiben.

Robert Maas im Gespräch mit Susanne Rothe
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Sie haben mit der Remise begonnen. Jetzt haben Sie neben dem Bistro noch ein Gourmetrestaurant und seit wenigen Monaten auch einen Stern. Es ist viel bei Ihnen passiert …
Ja, der Betrieb des Bistros war für mich als Junggastronom schon ein riesiger Schritt. Natürlich auch eine großartige Möglichkeit, die allerdings mit viel, viel Arbeit verbunden war. Am Anfang wollte ich nur den ersten Ansturm bewältigen und dann versuchen, in ruhiges Fahrwasser zu kommen. Doch das Interesse der Menschen, die die ganze Entstehung der Remise mitverfolgt hatten, blieb enorm. Irgendwann war klar, wir brauchen einen Break, sonst schaffen wir das nicht weiter.

Wie sah das aus?
Wir haben vier Wochen Betriebsferien gemacht. Die Meinungen darüber gingen dann in Richtung „wegen Reichtum geschlossen“ und „der Maas ist weg“. Es gab die abenteuerlichsten Vermutungen. Die Wahrheit ist: Es ging einfach nicht mehr. Wir sind morgens aufgestanden und wussten nicht mehr, wie wir abends nach Hause gekommen sind. Wir haben ausgesehen, als stammten wir aus dem „Fluch der Karibik“. Wir haben uns in den vier Wochen erholt, neue Leute eingestellt und beschlossen, das EQUU aufzumachen.

Davon hat man nicht viel mitbekommen.
Wir haben daraus kein großes Tamtam gemacht. Das Restaurant existierte ja schon, nur haben wir in den Räumen zunächst Bistroessen serviert. In einem zweiten Schritt konnten die Gäste zwischen Bistro- und EQUU-Gerichten wählen. Als die Resonanz gut war, haben wir das Angebot komplett auf unser EQUU-Menü umgestellt.

Jetzt haben Sie einen Stern, war das ihr Ziel?
Da muss ich etwas weiter ausholen. Bevor ich entschieden habe, es hier als Gastronom zu versuchen, war ich an einem Punkt, an dem ich den Beruf an den Nagel hängen wollte. Ich wollte nicht mehr kochen und hatte mit der Sternegastronomie abgeschlossen – mit der ganzen Lügerei, dem Über-den-Tisch-ziehen und der Ausbeuterei. Das war nicht mehr das, was ich wollte. Zwei Wochen, bevor ich das letzte Mal einen Kochlöffel in die Hand nehmen wollte, habe ich Herrn Marc Asbeck kennengelernt, der mir das Angebot machte, dieses Objekt hier zu übernehmen. Es zeigte sich schnell, dass die Remise – hier ist jetzt Tobias Näckel Küchenchef – ein Objekt ist, das nahezu nach einem Fine Dining Restaurant schreit. Das ganze Ambiente ist so schön. Und jetzt komme ich zum Stern: Es ist nicht so, als hätte ich noch nie einen erkocht. Es stand nur nicht mein Name daran. Ich koche ja nicht auf einmal besser. Mir ist heute nur wichtig, dass ich koche, was ich kochen möchte, und nicht, was ich kochen muss, weil ich irgendwo angestellt bin.

„Ich serviere eine Komposition aus dem, was ich selbst gerne esse – kreativ, aber nicht abgehoben.“

Wie kochen Sie denn?
(lacht) Das würden Sie nicht fragen, wenn Sie schon einmal bei mir gegessen hätten. Aber ich beschreibe es am besten mit dem Weg, den ich gegangen bin. Ich habe bei der Wahl meines Ausbildungsplatzes (Anm. d. Red.: Landhaus Kuckuck) eine klassisch französisch-deutsche Schiene gewählt. Danach wollte ich unbedingt den Fuß in die Sterneküche bekommen. Hier in Deutschland war das schwierig. Ich bin nach London gegangen, und habe dort in einem Restaurant gearbeitet, das komplett französisch gekocht hat. Wieder zurück in Köln habe ich ebenfalls französisch gekocht. Ich war für eine Saison in Paris: natürlich französische Küche. Dann wieder in einem Kölner Sternerestaurant: französische Küche. Ich konnte das nicht mehr sehen. Mir war klar, wenn ich hier anfange, koche ich nicht das 100.000ste Coq au Vin oder dekonstruiere die nächste Gänsestopfleber mit Brioche. Das ist eine schöne Küche, aber nicht mehr das, woran ich Spaß habe. Hier serviere ich eine Komposition aus dem, was ich selbst gerne esse – kreativ, aber nicht abgehoben.

Gibt es im EQUU nur Ihre Lieblingsgerichte?
Die Küche, die ich hier serviere, ist eine sehr intuitive, persönliche Küche. Das heißt, wenn ich ein neues Gericht brauche, orientiere ich mich zunächst an den Grundprodukten, die mir angeboten werden. Ich überlege, was ich damit machen könnte, damit ich es mag. Wenn es mir nicht schmeckt, serviere ich es nicht.

Wie oft erneuern Sie auf Ihrer Karte die Gerichte?
Mindestens einmal die Woche auf mindestens einer Position. Das halte ich immer ein. Manchmal kommt es vor, dass ich innerhalb einer Woche, das Menü komplett umwerfe. Wichtig ist eine erstklassige Qualität der Produkte. Das steht bei mir im Fokus.

Kann man sich im EQUU ein Menü zusammenstellen oder muss ich nehmen, was Sie anbieten?
(lacht) So würde ich das nicht formulieren. Was möglich ist, mache ich möglich. Ich biete ein Menü an, bei dem man zwischen vier, fünf oder sechs Gängen wählen kann. Bei der Entscheidung, wie viele Gänge man nimmt, sollte man sich von der Zeit, die man hat, und nicht von seinem Hunger leiten lassen. Es gibt bei jedem Menü zusätzliche Kleinigkeiten zu essen, sodass man in jedem Fall satt wird – auch bei vier Gängen. Die Auswahlmöglichkeiten sind in meiner Entwicklung der nächste Schritt. Sie müssen bedenken: Jede Entscheidung, die ich treffe, ist derzeit meine erste. Ich habe keine Vergleichsmöglichkeiten im EQUU. Das Restaurant ist von mir eröffnet worden und durch die Mitarbeiter und mich nach oben gekommen. Jetzt haben wir den Stern.

Wie geht es weiter?
Wir müssen unseren eigenen Stil finden. Das hebt uns von der Masse ab. Wir haben vom Guide Michelin bescheinigt bekommen, dass wir sehr gut kochen. Jetzt müssen wir unsere Handschrift weiterentwickeln. Ich werde hier niemals ein großes Á-la-Carte-Restaurant werden. Das ist gar nicht umsetzbar. Möglich ist aber, dass man mit Persönlichkeit, Leidenschaft, Engagement, Liebe und Herzblut kocht. Das tragen wir aus der Küche nach draußen. Ein Konzept, das nur auf der Jagd nach Sternen basiert, passt nicht in dieses Restaurant und passt auch nicht mehr zu mir.

Stolz waren Sie aber schon, den ersten eigenen Stern zu bekommen?
Und wie! Bevor der Anruf da war, habe ich mir ganz schnell einen kleinen Wodka reingezogen, um die Nerven zu beruhigen. Dann kam der Anruf und es gab ein paar Tränchen und noch einen Wodka, danach haben wir Champagner getrunken. Es fühlt sich wie ein Etappensieg an.

Sie haben eben erzählt, dass es für Sie schwierig war, in die deutsche Sternegastronomie zu rutschen. Woran lag das?
Zu alt, keine Reputation, niemand, der mich protegiert hat? Es gibt sicherlich Kollegen, die das nicht so sehen, aber ich habe es so erlebt. Wenn man nach der 40sten Bewerbung immer den Satz hört „Sie müssen Erfahrung in der Sternegastronomie haben“, dann hört man irgendwann auf. Ich habe es, wie gesagt, in London versucht, und dort war es ganz einfach. Ich war mir damals allerdings nicht bewusst, was es bedeutet, in der Sternegastronomie zu arbeiten. In dem Punkt fehlte doch die Erfahrung. 

Was bedeutete es?
18 Stunden am Tag und 100 Stunden die Woche arbeiten. In der U-Bahn den Wecker stellen, damit man nicht die richtige Station verpennt, an der man raus muss. Das war in London heftig.

Gastronom und Spitzenkoch Robert Maas mit der Restaurantleiterin des EQUU, Bettina Heider, und Sommelier Fabrice Thumm
Gastronom und Spitzenkoch Robert Maas mit der Restaurantleiterin des EQUU, Bettina Heider, und Sommelier Fabrice Thumm

„Manchmal kommt es vor, dass ich innerhalb einer Woche, das Menü komplett umwerfe.“

Pulpo, Mais und Gartenkresse
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Esspapier mit Schinkensnack und Kaffeekaramell
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Kalbskopfragout, Sauerrahm, Avocado, Mango, Radieschen und Kapuzinerkresse
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Kann man das mit der Spitzengastronomie in Deutschland vergleichen?
Bei uns ist es gesetzlich anders geregelt. Viele Kollegen sagen, Koch sei ein extrem harter Beruf. Ich sehe das etwas anders. Wenn ein bestimmtes Niveau erreicht werden soll, muss man viel geben. Niemand zwingt einen dazu. Ich habe mich für die Sterneküche entschieden und habe das, was an Anforderungen damit zusammenhängt, mitgemacht – auch wenn es ein steiniger Weg war.

Sind Sie glücklich, es geschafft zu haben?
Ich habe generell ein Problem damit, glücklich und zufrieden zu sein. Dies hat nichts mit mangelndem Selbstwertgefühl zu tun, sondern es ist meine Art.

Anders gefragt: Machen Sie das, was Sie machen, noch immer gerne?
Ich kann nichts besser. Ich kann nicht singen, ich kann nicht tanzen. Meine Jungs in der Küche wissen genau, dass ich definitiv nicht singen kann. Ich kann nichts besser als kochen.

Haben Sie ein kochendes Vorbild?
Nein, habe ich nicht. Ich möchte nicht wie jemand anderer werden,
sondern ich möchte das Beste aus mir herausholen. Ich habe nach einem Jahr einen Stern und habe das Gefühl, da ist noch mehr drin.

Visieren Sie den zweiten Stern an?
Nö, das will ich damit nicht sagen. Ich möchte mich weiterentwickeln. Ich bin mit meinem Output noch lange nicht am Ende. Ich habe noch nicht alle die Gerichte auf den Teller gebracht, die mir im Kopf herumschwirren. Ich habe noch lange nicht erreicht, was ich erreichen möchte.

Und das ist?
Ich möchte, dass die Gäste mit mehr als nur einem Lächeln weggehen – und das jedes Mal, wenn sie im EQUU waren. Wenn sie gehen, möchte ich, dass sie sagen: „Wow, war das cool. Das war es wert.“

Stimmungsvolles Ambiente: wertige Materialien gepaart mit klaren Formen und ruhigen, warmen Tönen
Stimmungsvolles Ambiente: wertige Materialien gepaart mit klaren Formen und ruhigen, warmen Tönen

Das tun sie noch nicht?
Ich weiß es nicht. Die Resonanz ist positiv, aber man kann den Menschen ja nur vor den Kopf schauen. Und alles, was mit Essen und Geschmack zu tun hat, ist sehr subjektiv. Da muss nur ein Gang nicht ganz dem Geschmack entsprochen zu haben, dann ist der Wow-Effekt wahrscheinlich schon verfehlt. Man muss ein Gespür dafür entwickeln, mit was man die Gäste gerade glücklich macht. Das sind manchmal Kleinigkeiten, wie unaufgefordert noch etwas Sauce zum Hauptgang zu servieren. Das habe ich selbst in den vergangenen Jahren oft vermisst. Was brauche ich einen mikroskopisch kleinen Klecks Sauce auf dem Teller. Das sieht zwar schön aus, aber das reicht ja nicht einmal für ein Stück Fleisch. Ich möchte, dass die Gäste sich so fühlen, als wären sie bei mir zu Hause zu Gast. Ich interagiere mit den Gästen.

Gibt es jemand, für den Sie besonders gerne kochen würden?
Ja, für meinen Bruder, aber einen Promi habe ich nicht. Es ist mir eine Ehre, für jeden gleich gut und gleich gerne zu kochen. (schmunzelt) Ich sage noch einmal: Probieren Sie einmal mein Essen. Ich gebe mir immer gleich viel Mühe. Ich freue mich immer noch darüber, dass überhaupt jemand mein Essen haben möchte. Auch mit dem Guide Michelin ist es so, dass ich es schon cool finde, dass überhaupt an mich gedacht wurde.

Wo gehen Sie selbst gerne essen?
Beim Drachenhof in Köln-Porz, der macht unheimlich leckeres Entchen süßsauer. Sehr gerne bin ich im „El Inca“ in Köln. Dort gibt es südamerikanische Küche und ich kenne den Koch, einen super sympathischen Mann. Sehr gerne gehe ich auch ins „Metzger und Marie“ im Agnesviertel.

Was essen Sie am liebsten?
Ich weiß es nicht wirklich. Wenn mir jemand sagt, „da gibt es gute
Tacos“, dann würde ich beispielsweise selbst in New York 16 Blocks laufen, um die zu essen. Ich mag gute Tacos, aber eigentlich esse ich alles. Wenn ich einmal in einem Restaurant etwas Leckeres gefunden habe, bestelle ich mir das auch wieder. Ich gehöre nicht zu denen, die dann etwas Neues ausprobieren.

Was braucht man, um sehr gut zu kochen?
Einen Herd natürlich, ein Herz und zwei Hände!

(Susanne Rothe)

Fotos: P. M. J. Rothe (2), Robert Maas (6)