Eric Werner ist in der Gastronomieszene kein Unbekannter. Mit gerade einmal Mitte zwanzig verdiente er im Essener „Résidence“ als jüngster deutscher Küchenchef zwei Sterne. Im „Himmel un Äd“ im Wasserturm erkochte er dann einen weiteren Stern. Doch plötzlich schlossen 2018 die Türen des Kölner Restaurants. Ein Schock nicht nur für die Gourmets der Domstadt. Doch Werner ist am 1. August mit der Eröffnung eines eigenen Restaurants in die Welt der Spitzengastronomie zurückgekehrt. „astrein“ liegt am Rand der Kölner Innenstadt und, kulinarisch gesehen, in bester Umgebung. Das Zwei-Sterne-Haus „Le Moissonnier“ und der Italiener „Marcellino“ sind Nachbarn. Wir haben Eric Werner zur Mittagszeit im „astrein“ getroffen.
Es ist 14 Uhr. Die Türe im „astrein“ auf der Krefelderstraße in Köln steht offen. Nach draußen dringt fröhliches Stimmengewirr. Der Neuzugang am Kölner Gourmethimmel ist gut besucht. Die meisten Gäste sind bereits bei Dessert und Café, unternehmen aber noch keine Anstalten, das Restaurant zu verlassen. Die Räume sind stilvoll eingerichtet – mit gezielt platzierten Highlights wie einem großen Spiegel in einem schweren Goldrahmen. Auffallend sind die Stühle, die wirklich so bequem sind, dass man versteht, warum die Gäste nicht mehr aufstehen möchten. „Mit der Auswahl der Stühle habe ich mir sehr lange Zeit gelassen. Nicht nur die Qualität unserer Menüs ist wichtig, der Gast soll sie auch in gemütlicher Atmosphäre genießen, und dazu gehören Stühle, die den Körper unterstützen“, betont Eric Werner. 1985 in Halle an der Saale geboren, baut sich der Wahlkölner gerade eine neue Existenz auf. Eine Situation, die anderen möglicherweise schlaflose Nächte bereitet, zaubert Werner ein Lächeln auf die Lippen. „Ich bin entspannt“, sagt er und hat, während wir uns unterhalten, Küche und Gastraum ständig im Blick.
Sie haben am 1. August Ihr erstes eigenes Restaurant eröffnet, wie fühlen Sie sich?
Super. Es ist gut angelaufen. Viele Stammgäste aus Restaurants, in denen ich früher gearbeitet habe, waren bereits da – selbst aus der „Résidence“ in Essen sind einige hier gewesen. Das hat mich sehr gefreut.
„Wir haben eine weltoffene internationale Küche, die handwerklich auf höchstem Niveau ist.“
Was hat Sie zu dem Schritt in die Selbstständigkeit bewogen?
Ich bin all die Jahre viele Kompromisse eingegangen. Im „astrein“ bin ich mein eigener Chef und kann die Dinge so umsetzen, wie ich sie mir vorstelle. Ich glaube, mit diesem Wunsch bin ich nicht alleine in meiner Generation. Anfang dreißig haben viele genug Mut und Erspartes, den Schritt in die Selbstständigkeit zu gehen. Außerdem möchte ich ab sofort derjenige sein, der entscheidet, ob das Restaurant geschlossen wird oder nicht. Ich habe in der Hinsicht schon viel erlebt. Im „Himmel un Äd“ im Wasserturm hatte ich mit meinem Team gerade eine super Form erreicht, als das Restaurant geschlossen wurde. Wir waren zu diesem Zeitpunkt richtig gut. Nach anderthalb Jahren hatte bei uns alles gepasst und wir waren in Höchstform. Wenn man dann erfährt, dass das Restaurant geschlossen wird, freut einen das nicht.
Sie haben lange nach einer geeigneten Location gesucht …
Es war nicht leicht, die passende Location zu finden, aber ich hatte nie den Druck, diesen Schritt gehen zu müssen. Wenn das Restaurant im Wasserturm nicht geschlossen hätte, wäre ich wahrscheinlich noch immer dort – das war ein hervorragender Arbeitsplatz.
Nach welchen Kriterien haben Sie gesucht?
Der Standort war sehr wichtig. Wir sind hier in der Krefelderstraße 37 gut erreichbar. Zu Fuß liegt der Hauptbahnhof nur 15 Minuten entfernt. Das ist gerade für das Mittagsgeschäft optimal. Dann war die Größe entscheidend. Die Räume sollten Platz für 40 bis 50 Gäste bieten. Außerdem wollte ich eine offene Küche haben.
Warum eine offene Küche?
Als Inhaber des Restaurants ist mir der Kontakt zu meinen Gästen sehr wichtig. Ich möchte sehen, wenn sie kommen, und sie dann begrüßen. Ich möchte mitbekommen, ob sie sich wohlfühlen und ob alles in Ordnung ist. Das geht nicht, wenn ich in der Küche abgeschottet arbeite.
Was bedeutet der Name „astrein“?
Den Namen gibt es schon sehr lange, er erfüllt ein paar entscheidende Kriterien: „astrein“ ist Deutsch, leicht verständlich, für jeden vorstellbar und positiv. Die Bedeutung von „astrein“ kennt sowohl ein siebenjähriger Junge als auch ein 80-jähriger Opa. Der Clou dabei ist, dass der Name gleichzeitig Qualität ausdrückt. Ursprünglich steht astrein für perfektes Holz, ohne Verwurzelungen oder Verästelungen. Für diese Qualität steht auch unsere Küche.
Wie viel von Ihren Erfahrungen in Sterneküchen steckt in „astrein“?
Ich würde das gar nicht auf die Sterneküchen reduzieren. Egal, wo ich gearbeitet habe oder welchen Vorgesetzten ich hatte, ich habe immer gute und schlechte Erfahrungen mitgenommen. Zu den guten Erfahrungen gehören vor allem Qualität und kompromisslos zu sein – die schlechten lasse ich in meinem eigenen Restaurant natürlich aus. Letztendlich kommt es darauf an, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.
Ihre Einrichtung ist nicht abgedreht, sondern eher entspannt. Passt das zu Ihrer Küche?
Ich glaube schon, ich bin ja auch entspannt.
War es Ihnen wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, die keine Hemmschwelle hochkommen lässt?
Ich nenne das Schlemmschwelle. Der Gast, der zu uns kommt, muss keine Angst vor einer Schlemmschwelle haben. Hier ist jeder so, wie er ist. Die Servicemitarbeiter tragen zwar einheitlich schwarze Kleidung, aber es ist ihre eigene, in der sie sich wohlfühlen. Wir wollen die einzelnen Persönlichkeiten nicht unterdrücken.
Können Sie Ihr neues gastronomisches Konzept einmal beschreiben?
Über allem steht der enge Kontakt zu unseren Gästen. Mittags bieten wir ein Menü an, das aus vier kleinen Gerichten besteht und jeden Tag wechselt. Es gibt immer einen Vorspeisensalat, eine kalte Suppe, ein Hauptgericht und zum Abschluss ein Dessert. Alle vier Gerichte werden auf einmal serviert. Hintergrund ist, dass Berufstätige mittags nur wenig Zeit haben. Daher ist die Suppe bereits kalt und man muss bei uns nicht erst auf das nächste Gericht warten. Wer keine Lust auf das Mittagsmenü hat, der kann auch etwas von der Abendkarte essen. Abends bieten wir dann ein Fisch-/Fleischmenü an sowie ein vegetarisches Menü. Alles kann miteinander kombiniert werden und man hat die Auswahl zwischen vier, fünf oder sechs Gängen. Wir möchten unseren Gästen nicht vorschreiben, was sie in welcher Reihenfolge zu essen haben. Das ist zwar für die Küche sehr anstrengend, aber es geht uns um den Gast.
Was inspiriert Sie zu Ihren Gerichten?
Das sind die Jahreszeiten. Man kann heute zu jeder Zeit alles kaufen, aber, wenn man nicht so danach geht, dann ist die Natur der Ideengeber.
Sie haben bereits mehrere Sterne erkocht, wie sieht es diesbezüglich mit Ihren Ambitionen im eigenen Restaurant aus?
Das steht für uns nicht an erster Stelle. Wenn eine Auszeichnung kommt, dann freuen wir uns. Gerade für die Mitarbeiter ist es ein gutes Gefühl, in einem ausgezeichneten Restaurant zu arbeiten. Für mich sind andere Punkte wichtig: Alle sollen gutes Geld verdienen. Das Team soll außerdem Spaß an der Arbeit haben. Darüber hinaus lege ich Wert darauf, dass wir mit den Arbeitszeiten klarkommen und die Gäste zufrieden und glücklich sind. Ich glaube, wenn dies alles funktioniert, dann kommt der Rest von alleine. Ich denke, es ist wichtig, sich Zeit zu lassen und nicht verkrampft auf etwas hinzuarbeiten.
Machen Sie jetzt als Ihr eigener Chef irgendetwas völlig anders?
Nein, ich habe immer gearbeitet, als ob ich im eigenen Restaurant arbeiten würde.
Warum sind Sie Koch geworden?
Ich fand Kochen immer cool. In der Schule konnten wir zwischen Handwerksunterricht und Hauswirtschaft wählen – ich nahm Letzteres. Es lag dann nahe, dass ich auch mein Schulpraktikum bei einem Koch machte. Der hat mir danach sofort eine Ausbildung angeboten und ich habe sein Angebot angenommen. Nach der Lehre habe ich einen Sommer lang in Frankreich gearbeitet, danach immer wieder woanders.
Ist das ungewöhnlich?
Früher war es normal, dass man die Arbeitsstellen häufiger wechselte, um vieles zu sehen und zu lernen. Heute ist das anders. Wenn jemand innerhalb kürzerer Zeit seine Stellen wechselt, denkt man zunächst, der hätte kein Durchhaltevermögen oder würde bei Schwierigkeiten direkt aufgeben. Hinter meinen Wechseln stand der Wunsch nach Verbesserung.
So sind Sie in der Spitzengastronomie gelandet. Was muss man haben, um zur Spitze zu zählen?
Qualitätsbewusstsein und Handwerk.
Wie beschreiben Sie die Küche, die Sie hier kochen?
Wir haben eine weltoffene internationale Küche, die handwerklich auf höchstem Niveau ist. Jeder Gast versteht unsere Küche. Sie ist nicht intellektuell oder abgedreht, sondern einfach zugänglich. Unsere Küche ist immer konzentriert. Es gibt ein gutes Produkt, eine leckere Sauce, frisches Gemüse – fertig.
Was ist mit dem Anrichten?
Ansprechend, aber ohne Schickimicki. Was dem Gast in Erinnerung bleibt, ist der Geschmack, alles andere wird schnell vergessen.
Kochen Sie auch zu Hause?
Wenn hier frei ist, immer. Also am Sonntag und Montag auf jeden Fall. Zu Hause kochen wir natürlich nicht so wie hier. Wir kochen unkompliziert. Gesund ist wichtig. Zu Hause essen wir zu 80 Prozent vegetarisch.
Was ist Ihr Lieblingsgericht?
Ich mag viele Gerichte gerne. Ich esse gerne Bigos (Anm. d. Red.: polnisches Nationalgericht) von meiner Frau mit Weißkohl und Wurst. Dazu frisches Brot. Das ist sehr lecker. Aber auch Gulasch mit Nudeln schmeckt mir.
Würden Sie Ihren Beruf noch einmal wählen?
Auf jeden Fall, immer wieder. Mir macht es Spaß. Ich arbeite gerne in der Küche – genauso gerne wie am ersten Tag.
(Susanne Rothe)
Fotos: © Sonja Ahmed (7)