Die Welt ist ein Kosmos aus Aromen, Düften und Wohlgerüchen, die das Leben prägen, Emotionen wecken, Erinnerungen konservieren. Wie gelingt es, darin den persönlichen Duft, die eigene Note zu finden? Eine Begegnung mit dem Berliner Parfümeur Geza Schön.

Ein Interviewtermin mit Geza Schön, einem der bekanntesten Parfümeure Deutschlands, ist eine Herausforderung. Am frühen Morgen. Wie viel Duft verträgt die Welt? Es ist die Frage, die umtreibt: Wie viel eigenes Deodorant darf sein, wie viel vom eigenen Eau de Toilette? Wird er es erkennen? Einordnen? Bewerten? Wie riecht eigentlich die Welt – oder duftet sie an einem kalten Januarsamstagmorgen in Berlin überhaupt nicht? Die U-Bahn mit ihren Röhren unter der Stadt riecht nicht, sie duftet auch nicht mit all ihren Menschen, die von A nach B hasten und hetzen, die sich durch die Metropole treiben lassen, die ihr Ziel suchen. Unter dem Asphalt der Stadt riecht es nach der Unrast des Moments.

Wie wichtig sind Düfte?

Geza Schön: Man muss unterteilen in Gerüche und Düfte. Der Mensch riecht von Natur aus. Aber er duftet, weil er Dinge schöner, attraktiver machen möchte. Es wäre sehr spannend herauszufinden, wie die Welt ohne Düfte röche und wie der Mensch sie dann wahrnehmen würde.

Ein Szenecafé in Xberg, wie es im Jargon der Hauptstadt heißt und nichts anderes als Kreuzberg meint. Es ist ein Mix der Düfte nach Kaffee, nach verbranntem Toast, nach der Hektik eines Samstagmorgens, an dem viele Menschen Platz nehmen wollen. Die Luft ist warm, feucht. Auf dem Tisch die Zuckerdose aus der Sammlung der Großmutter, eine Kerze kurz vor dem Abbrennen. Berlin ist die Heimat von Geza Schön. Hier ist seine Welt. Sein Kosmos. Hier bewegt er sich. Kreuzberg. Der Stadtteil, den man oft nur mit Krawallen zum Ersten Mai in Verbindung bringt, mit Demos, mit Widerstand, aber auch Chaos, Krawall, aber kaum mit Wohlgeruch und feinen Dingen.

Wenn Sie einen Duft für Berlin kreieren sollten, wonach würde die Stadt duften?

Geza Schön: Nach Linden. Nach all den Lindenbäumen der Stadt mit allen ihren Blüten.

Und das Rheinland? Wonach riecht das Rheinland?

Geza Schön: Das kann ich aus dem Stegreif nicht beantworten. Jede Stadt, jede Region hat ihren typischen Geruch, der sich aber verändert im Laufe des Jahres. In der milden Luft des Frühlings riecht eine Stadt anders, als wenn sich die schwere Sommerhitze über ihren Asphalt und ihre Dächer legt. Dürfte ich einen Duft für das Rheinland entwerfen, würde ich zunächst in die Region reisen und versuchen, diese in mich aufzunehmen, mir ein Bild zu machen, herausfinden, welche Pflanzen für die Region typisch sind. Gab es historische Momente, die einen Duft entstehen ließen? Ich habe ein solches Projekt einmal für Belfast umgesetzt. Aber ein Duft ist nur eine Momentaufnahme des subjektiven Empfindens. Komplexe Gebilde, Situationen oder Landschaften in einen Duft umzusetzen ist eine schwierige, wenn nicht unmögliche Aufgabe. Eine Rose kann ich eins zu eins umsetzen, aber vielschichtige Impressionen wie feucht, warm, kalt, laut bekomme ich auf einem Teststreifen nicht hin.

Es sind die Klischees, mit denen man sich selbst konfrontiert. Vorstellungen eines Parfümeurs entspringen einem Märchenfilm. Bunt, in überbordenden Kleidern, viel Samt, Brokat, Rüschen. Schrill, stets und ständig ein Taschentuch vor der Nase, eine große Nase, eine sehr große Nase, diese rümpfend, flach atmend, um nicht riechen zu müssen. Vielleicht eine Figur aus Versailles, vom Hofe des Sonnenkönigs, blass gepudert, überzeichnet.

Geza Schön: Kulturhistorisch ist die Entwicklung von Parfüms sehr interessant. Etwa zur Zeit Ludwigs XIV. haben sich Menschen gepudert, nicht gewaschen. Damals war es üblich, sich mit animalischen Dingen zu parfümieren. Sie haben ihren eigenen Geruch verstärkt, etwa indem sie das sehr stark stinkende Sekret von Katzen benutzten.

Geza Schön ist nichts von dem, ein Gegenentwurf zu allen Klischees. Eine Tasse Earl Grey. Ohne Umstände bestellt. Dennoch suchen seine Augen den Raum nach Ideen ab, nach Inspirationen, nach Berlin. Geboren und aufgewachsen in Kassel, sammelte er schon als Kind Duftproben, lernte sie zu erkennen und zu unterscheiden. Schließlich absolvierte er eine Ausbildung zum Parfümeur. Es sei einfacher, Astronaut zu werden, denn in diesem Beruf einen der raren Ausbildungsplätze zu bekommen, sagt er rückblickend. In Deutschland gibt es derzeit rund 40 Kolleginnen und Kollegen, weltweit sind es 500. Fünf Jahre dauerte die Ausbildung, in der Schön seine Nase an rund 2000 Duftstoffen schulte, ihre Wirkung kennenlernte, erfuhr, wie Düfte kombiniert, ergänzt, bestärkt, abgemildert werden. Zwölf Jahre arbeitete er in der Duftindustrie, lebte in Argentinien, Großbritannien, Singapur, der USA und Frankreich, bis er 2005 nach Berlin zog. Drei Jahre zuvor hatte er sich selbstständig gemacht.

Geza Schön: Düfte sind zur Massenware geworden oder willkürlich. Sie haben keinen Charakter, keine Persönlichkeit. Alles ist geglättet, auf Masse und Massengeschmack ausgerichtet. Düfte müssen heute möglichst schnell, in möglichst jede Nase, in jedem Kaufhaus, in jedem Duty-Free-Shop weltweit den Kundinnen und Kunden gefallen. Aber es gefallen nur diejenigen Dinge, die die Menschen schon kennen. Alles was neu ist, schreckt ab. Deshalb sind Düfte heute völlig austauschbar. Viele Düfte bedienen nur einen Moment des Lifestyles für ein Publikum, das sich für einen Augenblick des Lebens mit diesem Lifestyle identifiziert, im nächsten mit einem völlig anderen. Es wird ein Segment bedient, in dem Menschen nicht nach dem Duft ihres Lebens suchen.

Chance oder Risiko?

Geza Schön: Auf jeden Fall eine Chance. Denn es öffnet auch einen Markt für Nischen, in denen Originalität und individuelle Düfte sich entwickeln können.

Sein Duft „Molecule 01“ hat Geza Schön bekannt gemacht. Er kam einer Revolution gleich, auf einem Markt, der sich jedes Jahr in massenkompatiblen, austauschbaren Parfüms wälzt. Molecule 01 enthält mit Iso E Super nur einen einzigen Duftstoff. Ein Duft der Celebreties gefällt: Madonna und Naomi Campbell mögen ihn, Kate Moss hat sich eine Kiste des Parfüms schicken lassen. Minimalistische Düfte sind sein Markenzeichen.

Geza Schön
„Riechen ist etwas subtiles, emotionales, persönliches“: Geza Schön im Gespräch
Geza Schön Molecule
Pur. Bei seinen Kreationen der Serie Molecule setzt Geza Schön auf ein einziges Duftmolekül. So bei Molecule 01, 100 ml, ab 110 Euro.

Wie findet man seinen eigenen Duft? Seinen Duft des Lebens?

Geza Schön: Der Mensch bevorzugt Düfte, die er bereits kennt. Riechen ist aber etwas Subtiles, Emotionales, Persönliches. Eine Entscheidung für einen Duft fällt nicht so leicht, wie etwa bei einem Musiktitel, einem Song, den schon nach wenigen Takten oder Tönen mag. Es ist eine Inspiration, ein Parfüm zunächst bei einem anderen Menschen zu riechen. Denn dann nimmt man den Duft nicht nur in seiner Kopfnote wahr, sondern in seinem ganzen Charakter, also so, wie er nach Stunden sich präsentiert. Diesen Duft muss man unbedingt auf seiner eigenen Haut ausprobieren. Manchmal passt es dann nicht, weil der Mensch eine andere Chemie hat, weil er sich anders ernährt, Sport macht, raucht. Ein anderer Weg ist, sich in einer Parfümerie drei, vier, fünf Essenzen auf einen Teststreifen aufsprühen und wirken zu lassen, riechen, wie der Duft sich verändert. Da ergibt sich meist eine erste Idee. Dann sollte man sich vielleicht die beiden Parfüms, die man in die engere Wahl genommen hat, auf die Haut aufsprühen lassen.

Und das Schnuppern an Kaffeebohnen?

Geza Schön: Das ist okay. Kaffee riecht stark. Und es gibt kein Parfüm, das nach Kaffee riecht. Also ist das ein neutraler Duft. Es geht darum, dass man etwas ganz anderes riecht und die Nase wieder frei bekommt für Parfümistisches.

Beautiful Mind 2 ist der neue Duft. Molecule 04 und Escentric 04 werden im Herbst des Jahres erscheinen.
(Martin Theobald)

Fotos: PM (4), Escentric Molecule