GELESEN. GEFALLEN. GEHÖRT.

Lassen Sie sich von unseren Tipps zu einer kleinen Auszeit inspirieren.

Vielschichtig

Luise ist klug, Luise ist unabhängig, Luise ist eine Insel. Als Meeresbiologin hat Luise sich einen exzellenten Ruf erarbeitet, ihr Spezialgebiet: die Meerwalnuss, eine geisterhaft illuminierte Qualle im Dunkel der Ozeane. Als Luise für ein Projekt mit einem renommierten Tierpark nach Graz reisen soll, zögert sie nicht lang. Doch Graz, das ist auch ihre Heimatstadt, das ist die Wohnung ihres abwesenden und plötzlich erkrankten Vaters. Und das ist die Geschichte einer jahrelangen Sprachlosigkeit und Fremdheit zwischen ihnen. Soghaft und strömend erzählt Marie Gamillscheg von der allmählichen Befreiung aus den Zwängen der eigenen Kindheit, des eigenen Körpers und aus den Gesetzen, die andere für einen gemacht haben. Es ist zugleich der Versuch, die Unmöglichkeit einer Beziehung zu erfassen: zwischen Mensch und Tier, Mann und Frau, Vater und Tochter. Nicht immer einfach zu lesen, aber es lohnt sich.

Marie Gamillscheg, Aufruhr der Meerestiere, Luchterhand, gebundenes Buch, 304 Seiten, ISBN: 978-3-630-87562-0, 22 Euro

Stimme des Lebens

Sprechen ist ein wesentlicher Teil unseres Menschseins und die Stimme ist ein empfindliches Instrument ist, das gepflegt werden will. Und genau da setzt das von Tasha Arsalan attraktiv illustrierte Buch der Bonner Stimmtrainerin und Stimmtherapeutin Susanne Koch an. Sehr verständlich erklärt die Autorin das komplexe Zusammenspiel der zahlreichen physischen Elemente, aus denen das Phänomen Stimme entsteht, sowie die psychischen Faktoren, die darauf einwirken – und wie umgekehrt unsere Stimme auch unsere physische und psychische Gesundheit beeinflussen kann. Es wird so leicht verständlich, dass eine gesunde Stimme einen gesunden Körper bedingt. Weshalb alles, was der Stimme hilft, umgekehrt auch unserer Gesundheit insgesamt dienlich ist. Als erfahrene Praktikerin belässt es die Autorin aber nicht bei der bloßen Theorie, sondern liefert zahlreiche praktische und alltagstaugliche Übungen, um die Stimme zu trainieren und zu pflegen, damit zugleich einen Beitrag zum inneren Gleichgewicht und Wohlbefinden zu leisten und allen, die mit der Stimme arbeiten das Leben zu erleichtern. Mit „Stimme küsst Leben“ legt Susanne Koch ein ebenso informatives wie unterhaltsames Buch vor, dessen Lektüre sich nicht nur für Stimmakrobaten lohnt!

Susanne Koch, Stimme küsst Leben. Wie Sie mit Ihrer Stimme gesund und glücklich werden. Independently published, Paperback, 111 Seiten, ISBN: 979-8767678945, 25 Euro

Schön absurd

Er war mal Musiker. Jetzt ist er Mitte vierzig und im Großen und Ganzen nicht unzufrieden. Seine Freundin hat ein geregeltes Einkommen, und das Ein-Mann-Tonstudio wirft auch ein bisschen was ab. Die Träume von der künstlerischen Karriere sind längst begraben. Sie schmerzen nicht mehr. Da lernt er Vanessa kennen, Schauspielerin, jung, strahlend schön. Zuerst versteht er gar nicht, warum sie sich für ihn interessiert. Er verliebt sich in sie. Er verlässt seine Freundin. Ist er jetzt mit Vanessa zusammen? Es wird immer größer: das Glück und das Chaos. Sie ist beides für ihn. Und er kommt nicht los von dieser Frau und ihren Abgründen. Liegt das am Ende gar nicht an Vanessa, sondern an ihm selbst? Der Roman ist unterhaltsam und tragisch zugleich. Einmal angefangen muss man das Buch zu Ende lesen, auch wenn es manchmal weh tut.

Heinz Strunk, Es ist immer so schön mit dir, Rowohlt Buchverlag, gebundene Ausgabe, 288 Seiten, ISBN: 978-3-498-00198-8, 22 Euro

Das Herz des Waldes

Die Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard nimmt uns mit in ihre Welt, ins Zentrum des Waldes, und zeigt, dass Bäume viel mehr sind als bloße Rohstofflieferanten: lebendige Wesen mit hochspezialisierten Aufgaben, die soziale Strukturen bilden und über ein Geflecht aus unterirdischen Netzwerken miteinander kommunizieren. Sie lernen, passen ihr Verhalten an die Bedingungen ihrer Umwelt an, erkennen Nachbarn, haben Erinnerungen und sogar einen Sinn für Zukunft. Sie konkurrieren miteinander und unterstützen sich gegenseitig auf erstaunlich hochentwickelte Weise – Eigenschaften, die normalerweise menschlichen Gesellschaften zugeschrieben werden. Im Zentrum von Simards Forschungen stehen die „Mutterbäume“: alte, mächtige und geheimnisvolle Bäume, die die anderen um sie herum versorgen, verbinden und beschützen. Während sie ihre wissenschaftliche Suche nachzeichnet, die zu ihrer bahnbrechenden Entdeckung des „Wood Wide Web“ führte, erzählt Suzanne Simard auch von ihrer eigenen Reise. Von ihrer Kindheit in den Wäldern von British Columbia, von Liebe und Verlust, von Beobachtung und Veränderung und von der zutiefst menschlichen Eigenschaft, verstehen zu wollen, wer wir wirklich sind und welchen Platz wir in der Welt einnehmen.

Suzanne Simard, Die Weisheit der Wälder. Auf der Suche nach dem Mutterbaum, btb, gebundenes Buch, 544 Seiten, ISBN: 978-3-442-75837-1, 24 Euro

Ein spannender Fantasy-Roman

Eine ferne Zukunft auf einem fernen, scheinbar paradiesischen Planeten – doch der Schein trügt. Etwas Mörderisches lauert unter der Erde, dessen auch die ersten Siedler nicht Herr wurden. Deswegen haben sie ihre Kinder gentechnisch aufgerüstet, sie mit Flügeln ausgestattet, mit denen sie fliegen können. Doch nicht nur am Boden lauern Rätsel: Der Himmel ist allezeit undurchdringlich. Die Menschen wissen von den Sternen, haben sie aber noch nie gesehen. Das weckt die Neugier von Owen, einem Außenseiter, der alles daransetzt, die vertrauten Grenzen seiner Welt zu durchstoßen und dem Geheimnis auf die Spur zu kommen – mit verheerenden Folgen … Ein typischer Eschbach, den man unbedingt lesen sollte.

Andreas Eschbach, Eines Menschen Flügel, Lübbe, Hardcover, 1.257 Seiten, ISBN: 978-3-7857-2702-7, 26 Euro

Entspannt erzählt

„Boy meets Girl“ – mit diesem Satz kann alles anfangen, jede mögliche Geschichte nimmt von hier aus ihren Lauf. Auch für Nora verändert eine kurze Begegnung ihr ganzes Leben. Plötzlich steht sie vor der Erkenntnis, dass sie schon viel zu lange nur eine Besucherin in ihrem eigenen Leben war. Der Schmerz über das Scheitern ihrer Ehe und die wachsende Hilflosigkeit ihres alternden Vaters setzen in ihr endlich den Wunsch zur Veränderung frei. Als sie Gregory trifft, spürt sie, dass das Leben noch etwas anderes bereithält – und doch fehlt ihr etwas, das sie nicht greifen kann. Dann begegnet sie Yann wieder, einem Freund aus alten Tagen, den sie fast verloren glaubte. Ein locker geschriebener, entspannt erzählter Roman über eine Trennung und einen Neubeginn, der viele positive, hoffnungsvolle Gefühle vermittelt. Perfekt für ein Sommerwochenende.

Julia Holbe, Boy meets Girl, Penguin Verlag, gebunden mit Schutzumschlag, 288 Seiten, ISBN: 978-3-328-60180-7, 20,60 Euro

Ein Klassiker – immer wieder lesenswert

Am 20. Juli 1714 stürzen in Peru fünf Menschen in den Tod, als eine von den Indios erbaute Hängebrücke reißt. Ein Franziskanermönch, Zeuge dieser Katastrophe, beginnt den Lebensgeschichten der Toten nachzuforschen. War alles blinder Zufall oder höhere Fügung? Doch je mehr Berichte, Anekdoten und Erinnerungen er zusammenträgt, desto weniger kann er einen höheren Sinn erkennen in dem, was diese Menschen antrieb: die Liebe in ihren unterschiedlichsten Formen. Und vielleicht ist diese Liebe das Einzige, was bleibt. Die Wiederentdeckung eines der größten Klassiker der amerikanischen Literatur. Sehr lesenswert.
Thornton Wilder, Die Brücke von

San Luis Rey, Fischer Taschenbuch, 176 Seiten, ISBN: 978-3-596-20001-6, 12 Euro

Haylen_Beck_Ohne_Spur_MP3

Thriller

Audra Kinney flieht mit ihren Kindern vor ihrem gewalttätigen Ehemann. Mit dem Auto will sie nach San Diego. Doch mitten in der Wüste von Arizona wird sie von der Polizei angehalten. Im Kofferraum ihres Wagens findet der Sheriff ein Päckchen Marihuana, das Audra noch nie gesehen hat. Sie wird verhaftet. Und was dann kommt, hätte sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht vorstellen können. Denn plötzlich sind ihre Kinder verschwunden. Der Sheriff behauptet, Audra sei allein im Wagen gewesen. Die Welt hält Audra für eine Mörderin.

Haylen Beck, Ohne Spur, der Hörverlag, 1 Hörbuch MP3-CD, ISBN: 978-3-8445-3060-5, 9,99 Euro

Abenteuerlich

Ulm, im Mai 1932: Mit nicht viel mehr als etwas Proviant und dem kühnen Plan, nach Zypern zu paddeln, lässt Oskar Speck sein Faltboot zu Wasser. In sechs Monaten will er zurück sein. Aber alles kommt anders. Gepackt von sportlichem Ehrgeiz, begleitet von Jazzmusik und Mark Twains weisem Witz, gejagt von den Nationalsozialisten, die aus dem Faltbootfahrer einen deutschen Helden machen wollen, fährt der schweigsame Einzelgänger von Zypern aus immer weiter in die Welt. Ohne Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Gili, die sich, wie er, den Widrigkeiten der Zeit entgegenstellen muss. Doch das Schicksal gibt Oskar eine letzte Chance. „Der Flussregenpfeifer“, Tobias Friedrichs literarisches Debüt, basiert auf der unglaublichen, aber wahren Geschichte des Hamburgers Oskar Speck, der über sieben Jahre lang mit seinem Faltboot 50.000 Kilometer zurücklegte. So erstaunlich wie dessen Reise ist auch dieser humorvolle, dramatisch wie rasant erzählte Roman um wahre Freundschaft und Freiheitsliebe, starke Frauen und den Zufall als Wegweiser des Lebens.

Tobias Friedrich, Der Flussregenpfeifer. Nach einer wahren Geschichte, C. Bertelsmann, gebundenes Buch, 512 Seiten, ISBN: 978-3-570-10433-0, 24 Euro

Hochaktuell

Vischnanca ist klein und wunderschön am sonnigen Hang gelegen. Aber die Natur birgt Gefahr: Der Berg über dem Dorf droht abzurutschen. Das betrifft alle: Die junge Bäuerin Ria ist hier zu Hause, hat ihren Hof als Biobetrieb zukunftsfähig gemacht. Die deutsche Familie Blom ist neu ins Dorf gezogen und liebt alles daran – die Natur, den Garten am Haus, die gute Nachbarschaft. Doch jetzt muss die Dorfgemeinschaft abstimmen und steht vor der Entscheidung: „Bleiben oder gehen?“ Ria und die Menschen um sie herum müssen sich fragen, wie sie leben wollen und was ihnen wirklich wichtig ist. Mitreißend und facettenreich: ein Roman über Mensch, Natur, Klima, Gebirge und die Herausforderungen unserer Zeit.

Petra Hucke, Vom Gehen und Bleiben, Fischer Krüger, gebunden, 432 Seiten, ISBN: 978-3-810-530-80-6, 20 Euro

Sehr amüsant und frisch

Biologie-Doktorandin Olive glaubt an Wissenschaft – nicht an etwas Unkontrollierbares wie die Liebe. Dank ihrer Freundin Anh sieht sie sich plötzlich gezwungen, eine Beziehung vorzutäuschen, und küsst in ihrer Not den erstbesten Mann, der ihr über den Weg läuft. Nicht nur, dass dieser Kuss eine Kette irrationaler Gefühle auslöst – der Geküsste entpuppt sich zudem als Adam Carlsen: größter Labortyrann von ganz Stanford. Schon bald droht nicht nur Olives wissenschaftliche Karriere über dem Bunsenbrenner geröstet zu werden, auch ihre Verwicklung mit Carlsen fühlt sich mehr nach oxidativer Reaktion als romantischer Reduktion an, und Olive muss dringend ihre Gefühle einer Analyse unterziehen. Ein sehr amüsanter und frischer Roman mit einer sehr humorvollen Heldin. Eine wunderbare Liebesgeschichte, die man der besten Freundin zum Geburtstag schenkt.

Ali Hazelwood, Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe, Rütten & Loening, Softcover, 443 Seiten, ISBN: 978-3-352-00971-6, 16,90 Euro

Phantastische Welten

Dieser Bühnenabend ist eine Liebeserklärung an die Sprache, die in unserer visuell überladenen Welt zu verwehen droht. Ulrich Tukur und Christian Redl präsentieren ihre Lieblingsgedichte und haben sich dazu eine fast in Vergessenheit geratene Form ausgesucht: die Ballade. Wie der Kriminalroman lebt sie von Spannungsmomenten und Knalleffekten: Es geht immer um Mord, Ehebruch, Verführung, Kindsmord und unerwiderte Liebe. Tukur und Redl erwecken mit Texten von Goethe bis Brecht phantastische Welten zum Leben, die tief berühren. Die Pianistin Olena Kushpler reagiert am Klavier auf die Texte mit Musikstücken, die oft zeitgleich zu den Gedichten entstanden sind.

Vom Zauber einer verwehenden Sprache, Deutsche Gedichte und Balladen, gelesen von Ulrich Tukur & Christian Redl, am Klavier Olena Kushpler, Live-Mitschnitt Ulrich Tukur, Christian Redl, Random House Audio, Hörbuch-CD,1h 17 min, ISBN: 978-3-8371-5983-7, 18 Euro

Sollte man unbedingt lesen

Es ist März 2020, und eine uns vertraute Katastrophe zieht am Horizont auf. In einem idyllischen Landhaus außerhalb von New York versammelt der russischstämmige Schriftsteller Sasha Senderovsky eine illustre Gruppe alter Freunde und loser Bekanntschaften, um die Pandemie bei gutem Essen und anregenden Gesprächen auszusitzen. Über die nächsten Monate wachsen neue Freund- und Liebschaften, während sich längst vergessen geglaubte Kränkungen mit frischer Kraft manifestieren. Doch mit der Ankunft eines mythenumwobenen Hollywoodstars gerät das mühsam konstruierte Gleichgewicht dieser Wahlfamilie gefährlich ins Wanken … Ein süffig-intelligenter Roman, der Erinnerungen an Boccaccios „Dekameron“ und die großen Klassiker der russischen Literatur durchscheinen lässt – versetzt ins Amerika der Gegenwart.

Gary Shteyngart, Landpartie, Penguin, gebunden, 480 Seiten, ISBN: 978-3-328-60245-3, 25 Euro

Eine unglaubliche Lebensgeschichte

Ein junger Mann reist nach New York, um das Notizbuch seiner Urgroßmutter Martha bei Sotheby‘s versteigern zu lassen. Es enthält bislang unbekannte Skizzen und Zeichnungen von Feininger, Klee, Kandinsky und anderen Bauhaus-Künstlern. Martha wird 1900 als Tochter des Kapellmeisters eines kleinen Dorfes in Pommern geboren. Von dort geht sie ans Bauhaus in Weimar – ein gewagter Schritt. Walter Gropius wird auf sie aufmerksam, Martha entdeckt das Tanzen für sich und erringt so die Bewunderung und den Respekt der Bauhaus-Mitglieder. Bis die Nazis die Kunstschule schließen und Martha in ihre Heimat zurückkehrt. In ihrem Arm ein Kind und im Gepäck ein Notizbuch von immensem Wert – für sie persönlich und für die Nachwelt. Doch am Ende des Zweiten Weltkriegs verliert sich auf der Flucht Marthas Spur … Ein Roman über eine mutige und außergewöhnliche Frau sowie die Geschichte einer bewegten Zeit.

Tom Saller, Wenn Martha tanzt, Ullstein, 288 Seiten, ISBN: 978-3-548-06052-1, 10 Euro