Maximilian Lorenz hat mit zwölf Jahren Drei-Sterne-Koch Dieter Müller über die Schulter geschaut. Mit 21 Jahren hat er im Belgischen Viertel in Köln das Restaurant „L’escalier” übernommen. Mit 25 Jahren erhielt er den ersten Stern. Heute betreibt der 26-Jährige neben seinem Gourmetrestaurant außerdem das auf Smoken und Pulled Pork ausgerichtete Grillrestaurant „Pig Bull”, den auf Hausmannskost spezialisierten Imbiss „SMAX” sowie das Landgasthaus „Alter Lindenhof“ in Bergisch-Gladbach.
Maximilian Lorenz beschreibt sich selbst als sehr zielstrebig und verbissen. Als wir ihn morgens um neun Uhr auf den Treppenstufen des „L’escalier” treffen, wirkt er hingegen sehr entspannt. Gemeinsam betreten wir das noch im Dornröschenschlaf liegende Restaurant. Dort verrät uns der junge Gastronom, dass er gerne Spaghetti Bolognese isst und den Hähnchensalat seiner Oma – der weltbesten Köchin – liebte. Auf der Speisekarte des „L’escalier” findet man keinen Hähnchensalat, dafür aber beispielsweise Fischbrötchen mit Hering, Zwiebel, Kraut, Brioche und Dill sowie Hirschpastete mit Knollensellerie, Walnüssen und Preiselbeeren. Für die Fischbrötchen, die als Vorspeise des Mittagsmenüs auf der Karte stehen, ist Maximilian Lorenz an diesem Vormittag zuständig – nach unserem Interview.
Ist Koch Ihr Traumberuf?
Absolut. Da mein Vater in Bergisch-Gladbach einen Betrieb für Garten- und Landschaftsbau hat, wollte ich bis zu meinem elften Lebensjahr eigentlich Garten- und Landschaftsbauer werden. Aber dann hat mein Vater für einen Koch einen Garten gestaltet und damit wurde mein Interesse für diesen Beruf geweckt. Ich habe mich mit Kochen beschäftigt und innerhalb kürzester Zeit stand für mich fest, dass ich Koch werden möchte.
Was fasziniert Sie daran?
Ich kann mich komplett kreativ ausleben. Jeder Mensch muss essen und trinken, um ein Grundbedürfnis zu stillen. Wir schaffen es aber mit unserem Beruf, dieses Grundbedürfnis so zufriedenzustellen und zu stimulieren, dass Glücksgefühle entstehen.
„Meine Oma war die weltbeste Köchin und ihren Geflügelsalat habe ich geliebt.“
Wo unterscheiden Sie sich von anderen Restaurants?
Wir kochen deutsch. Ich bin Deutscher und ich koche deutsch. Das ist kein Wahlslogan irgendeiner Partei! Aber ich habe ein großes Problem mit Restaurants, in denen man angeblich neue deutsche Küche erhält und stattdessen werden Maki, US Dry-aged Beef und Sashimi serviert. Bei uns gibt es Hering, Lammnacken und auch einmal Bratkartoffeln. Wir arbeiten, wenn möglich, mit deutschen Produkten und, wenn das nicht geht, mit französischen. Frankreich ist schließlich die Mutter der Novelle Cuisine. Sie werden bei uns nichts anderes finden.
Sie haben bis zu Ihrer eigentlichen Ausbildung viele Jahre Praktika gemacht – u. a. bei Drei-Sterne-Koch Dieter Müller und Nils Henkel. Da waren Sie noch sehr jung …
Stimmt. Meine Mutter hatte die Idee, mir anstelle von Playstation und Co. etwas schenken zu wollen, das mich wirklich begeistert. Sie fragte bei Dieter Müller (Schlosshotel Lerbach) an, ob ich bei ihm für einen Tag zuschauen dürfte. Dieter Müller war davon angetan, dass ein Zwölfjähriger sich für den Beruf interessiert und stimmte zu. Aus einem Tag wurden zwei Jahre, in denen ich meine schulfreie Zeit in seiner Küche verbrachte. Die Zeit bei Dieter Müller und Nils Henkel hat mich am meisten geprägt. Kochtechnisch konnte ich damals noch gar nicht so viel mitnehmen, aber menschlich habe ich sehr viel gelernt. Der Spüler wurde morgens mit Handschlag begrüßt. In der Küche herrschte ein sehr ruhiger, entspannter, aber konzentrierter Ton. Das versuche ich auch umzusetzen.
Haben Sie zu beiden noch Kontakt?
Zu Nils Henkel ja, gerade auch durch die Jeunes Restaurateurs d’Europe (JRE), einer Vereinigung junger Spitzenköche in Europa. Mittlerweile sagen wir Nils und Max zueinander. Das ist ein schönes Gefühl. Zu Herrn Müller habe ich leider sehr, sehr wenig Kontakt. Er hat einfach immer noch sehr viel zu tun.
Maximilian Lorenz
Sie haben auch einiges zu tun: Sie sind nicht nur Inhaber und Küchenchef im „L’escalier”, sondern auch Mitinhaber des „Pig Bull BBQ“ sowie des „Alten Lindenhofs“ und haben dieses Jahr das „SMAX” gegründet. Wurde es Ihnen langweilig?
Mein ursprüngliches Ziel war es, ein Restaurant und einen Stern zu haben. Als ich das erreicht hatte, war mein großes Ziel bereits mit 25 Jahren erfüllt. Passt. Die anderen Geschäfte kamen nach und nach hinzu. „Pig Bull“ entstand durch eine Freundschaft, das „SMAX” durch eine Bekanntschaft und der „Alte Lindenhof“ durch die Familie.
Wie schaffen Sie das?
Spätestens ab Laden drei habe ich gemerkt, dass ich nicht mehr täglich von morgens bis abends in der Küche stehen kann, die Buchhaltung und den Einkauf mache und auch noch in jedem Laden Präsenz zeige. Wir haben dann das „L’escalier” so umstrukturiert, dass dort das Qualitätsmanagement jederzeit gesichert ist, ohne dass die Gäste in den anderen Läden zu kurz kommen.
„Ich mache mir viele Gedanken, wie ich einen Teller anrichte. Das ist für mich sehr wichtig.“
Sind Sie eher Koch oder Unternehmer?
Ich bin Gastronom, lasse es mir aber nicht nehmen, regelmäßig im „L’escalier” auch selbst zu kochen. Ich finde es sehr spannend, wie sich ein Koch zum Unternehmer weiterentwickeln kann. Es gibt in Deutschland viele gute Köche, aber nicht jeder ist gleichzeitig ein guter Küchenchef und Unternehmer.
Welche Rolle spielen dabei Ihre Teams?
Eine große. Ganz wichtig ist es für mich, dass es nicht nur fachlich, sondern vor allem auch menschlich passt. Ich lege großen Wert auf Umgangsformen, auch auf Hierarchie – jedoch eine sehr entspannte.
Muss man, um als Sternekoch heute überleben zu können, mehrere Standbeine haben?
Was heißt überleben? Für mich bedeutet das, Unternehmen wirtschaftlich und solide zu führen und einen stabilen Lebensstandard aufzubauen. Wir stellen uns in unterschiedlichen Bereichen der Gastronomie auf, aber immer mit dem Anspruch, zu den Besten zu gehören. Wir wollen das beste Streetfood machen, wir wollen das beste Restaurant haben, wir wollen den besten Imbiss und den besten Gasthof haben. Viele fragen: „Wie kann ein Sternekoch denn Currywurst/Pommes verkaufen?“ Ich sage: „Das kann sein, wenn sie die beste in Köln ist.“
Wieviel Einfluss nehmen Sie noch auf die Küche und die Karte?
100 Prozent! Mein Küchenchef sagt mir, auf welche Produkte er Lust hat. Dabei spielt die Saisonalität eine Rolle. Ich „bastel“ daraus etwas und er kann sich dann daran austoben. Aber was die Geschmacksbilder und -kombinationen betrifft, ist alles zu 100 Prozent meine Handschrift – auch im „SMAX” und „Alten Lindenhof“. Nur im „Pig Bull“ ist es ein bisschen anders. Mit Sebastian Franke, der selbst aus der Sternegastronomie kommt, habe ich einen hervorragenden Geschäftspartner, dessen Herz für Streetfood schlägt und in dessen Adern nicht Blut, sondern BBQ-Soße fließt. Er entwickelt die Ideen und gemeinsam machen wir dann das Finish.
Welche Rolle spielt das Auge beim Kochen?
Eine große. Wir sitzen hier ja auch nicht in Müllsäcke gekleidet. Ich mache mir viele Gedanken, wie ich einen Teller anrichte. Das ist für mich sehr wichtig. Man muss sich nicht nur immer geschmacklich, sondern auch optisch weiterentwickeln und das ist schwer.
Restaurant L’escalier in Köln
Das „Pig Bull” ist bekannt für sein Pulled Pork, wie passt das zur Gourmetküche?
Wir gehen mit dem gleichen Ansatz daran wie bei unserer Sterneküche. Bei einem normalen Menü in der Sterneküche hat man 14 Komponenten: süß, sauer, scharf, warm, kalt usw. Im „Pig Bull” haben wir drei Komponenten. Wir brechen das Erfolgskonzept eines Sternerestaurants auf drei Komponenten herunter und bieten zudem das Streetfood für weniger als zehn Euro an. Das ist sportlich, aber es funktioniert.
Wie halten Sie es selbst mit Streetfood?
Ich liebe es. Ich esse aber nicht gerne im Stehen. Das kann ich nicht.
Wenn es bei Ihnen einmal schnell gehen soll, was kommt auf Ihren Teller?
Spaghetti Bolognese. Und wenn am Sonntag noch Zeit ist, dann gibt es die Hardcore-Variante: Lasagne. Bolognese ist echt mein Favorit und es kann jeder in meiner Familie kochen.
Wie kochen Sie es?
Morgens ansetzen und ganz langsam über mehrere Stunden kochen lassen, bis noch so viel übrig ist, dass es hoffentlich für zwei Personen reicht.
Woher stammt der Name „SMAX”?
Ich habe eine relativ lustige Vergangenheit. Ich war ein sehr großer Fan von Hip-Hop, habe selbst Texte geschrieben und probiert, ansatzweise Musik zu machen. Das hatte zwar keinen Erfolg, aber ich hatte einen Künstlernamen: „SMAX”.
Machen Sie noch Musik?
Nein. Ich höre gerne Musik und gehe, wenn ich es schaffe, auf Konzerte. Aber ich schreibe keine Texte mehr.
Bedauern Sie das?
Es war damals ein toller Ausgleich, denn ich war in einer Phase, in der ich mich gefragt habe, wie ich mit dem Druck auf der Arbeit klarkommen soll. Heute kompensiere ich den Stress ganz gut anders.
Wie?
Ich gehe sehr gerne Golf spielen und dafür nehme ich mir mittlerweile sogar zweimal im Monat die Zeit. Ich gehe ganz bewusst nicht am Wochenende, sondern in der Woche. Das hat mir geholfen loszulassen, als ich im „L’escalier” einen Küchenchef integriert habe. Wenn ich neben ihm stehen geblieben wäre, hätte das nicht so hervorragend funktioniert. Mein Küchenchef bringt mich auch dazu, ruhiger zu werden.
Sind Sie unruhig?
Wenn ich morgens aufstehe, greife ich – bildlich gesprochen – links und rechts in die Steckdose und los geht`s. Dann kommt mein Küchenchef und sagt: „Chef entspann dich, lass uns erst einmal einen Kaffee trinken.“ Das hilft.
Welches gastronomische Konzept verbirgt sich hinter dem „Alten Lindenhof“?
Das ist ein Landgasthaus. Wir bieten dort eine gehobene deutsche Küche – zum Beispiel Zwiebelrostbraten, Rinderragout, Wildpastete. Klassisch deutsch, lecker. Wir haben Ende Mai eröffnet und der Zuspruch war so groß, wie ich es noch nie erlebt habe.
Kaisergranat, Karotte und Beeten
Krake, Ochsenschwanz, Aubergine, Salzzitrone
Worauf führen Sie diesen Erfolg zurück?
Das hat verschiedene Gründe, aber ein wesentlicher ist sicherlich die
Location. Der Biergarten ist riesig mit einer großen Wiese, alten Linden und dem Fachwerkhaus.
Was bedeutet Ihnen der Ausspruch „think local“?
Ich tue mich mit dem Begriff Regionalität sehr schwer. Für mich bedeutet „local“ auf Produkte bezogen Deutschland.
Wo gehen Sie gerne essen?
Zu Joachim Wissler ins Restaurant Vendôme. Ich versuche zweimal im Jahr dort hinzugehen. Außerdem esse ich sehr gerne bei Oliver Röder auf Burg Flamersheim – mal in „Bembergs Häuschen“, mal im Gasthaus „Eiflers Zeiten“. Dann gehe ich noch gerne ins Société hier in Köln essen. Ich bestelle dort meistens das Kwartier-Latäng-Menü. Das ist Essen wie bei Mama und Oma. Darüber freue ich mich. Meine Oma war die weltbeste Köchin und ihren Geflügelsalat habe ich geliebt. Leider kann ich ihn nicht so gut machen wie sie es konnte.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
Ich werde weiter kochen und unsere eigene Entwicklung vorantreiben. Köln hat noch viel Platz für gute Gastronomie.
(Susanne Rothe)
Fotos: L’escalier (5)