An einem sonnigen Mittwoch stehen wir vor einer schmalen, massiven Holztür mit undurchsichtigen Glaskacheln und klingeln bei Familie Moll. Als sich die Tür öffnet, heißt uns Stefan Moll in seinem 2008 eröffneten Kunstkabinett willkommen – oder besser gesagt in seinem Zuhause, auch wenn wir uns für den Rest unseres Treffens im offiziellen Galeriebereich unterhalten werden. Der mit farbenfrohen Kunstwerken geschmückte Eingangsflur führt Besucher geradewegs in die privaten Räumlichkeiten der Galerie. Aus einem kleinen Zimmer mit hoher Decke und einem Schaufenster dringen warme Sonnenstrahlen hinein und lassen einzelne Werke schimmern. Es ist es ruhig, behaglich. „In Galerien herrscht üblicherweise wenig Rambazamba“, erklärt Stefan Moll und lächelt. „Ganz anders verhält es sich bei Vernissage und Finissage. Letztere steht unmittelbar bevor. Dann kommt das große Publikum. Das ist völlig normal.“
Es wirkt, als wäre ein Teil Ihres Zuhauses sehr spontan zu einer Galerie umfunktioniert worden …
Meine Frau und ich teilten von Beginn an die Idee, hier bei Einzug auch eine Galerie zu eröffnen. Als nebenberufliche Tätigkeit hatte sich das Vorhaben zunächst einmal hingezogen. Während Corona hat es dann eine Intensivierung erfahren. Denn das bis dahin normale berufliche Leben mit Galeriebesuchen, Ausflügen zu Kunstmessen und allem, was dazugehört, hatte sich – wie wir alle auf die eine oder andere Art erfahren mussten – zerschlagen. Also überlegten wir, ob man diese Idee von damals nicht wieder voranbringen sollte. Da ich ohnehin plante, programmatische und strukturelle Änderungen an der Galerie vorzunehmen, sie sozusagen aufzufrischen, war das eine sehr gute Gelegenheit.
Die Exponate sind auffällig bunt, geradezu laut. Wer ist der Künstler?
Die Arbeiten, die Sie hier sehen, sind von FLACA. Sie würde ich dem Bereich der Pop-Art zuordnen. Man muss sagen, dass das für ihre Arbeit eine eher verhaltene Ausstellung ist. Sie ist in der Regel deutlich expliziter in dem, was sie darstellt, und auch provokanter. Aber ich muss darauf achten, was ich hier direkt einsehbar durch das Schaufenster zeige. Tatsächlich schafft FLACA auch Werke, die mit Themen wie Sexualität, Fetischismus oder Bondage eindeutiger spielen. Hier ist der Bezug zu Letzterem zwar da, aber die Aussage ist doch ambivalenter.
Im ausgeleuchteten Schaufensterzimmer hebt sich ein Herz auf dunkelrotem Hintergrund ab. Es ist gefesselt und wird nur von Luftballons über dem Boden gehalten.
Macht FLACA solche Zugeständnisse gern?
Tatsächlich ja. Nicht zuletzt, da durch diese Einschränkung wieder andere ihrer Werke einen Weg ins Licht finden. Darunter auch knallbunte Kritik am Konsum, die im Flur zu sehen ist. FLACA fotografiert viele ihrer Motive und bearbeitet bzw. collagiert diese nachträglich am PC. Die zeichnerischen Fertigkeiten kommen dabei nicht zu kurz – es kommt vieles zusammen.
Wie lange stellen Sie die Werke Ihrer Künstler aus?
Ich versuche, jeder Künstlerin und jedem Künstler immer eine Ausstellungsdauer von acht Wochen zu ermöglichen, unabhängig von eventuellen Feiertagen und Abwesenheiten meinerseits.
Wie entsteht die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und den Kunstschaffenden?
Einerseits kommen sie auf mich zu, andererseits werde ich auch auf sie aufmerksam. Man entdeckt viele interessante Kunstwerke auf Ausstellungen und in anderen Galerien und überlegt, was davon ins eigene Portfolio passen könnte. Das klappt seit 2008 – wie gesagt nebenberuflich. Regelmäßige Öffnungszeiten und eine straffere Struktur hinsichtlich der Abfolge von Ausstellungen gibt es seit Corona bzw. seitdem Öffnungen wieder erlaubt wurden. Im Fall FLACA hat uns unser zweiter Ausstellungsraum in Köln-Ehrenfeld zusammengebracht. Da sie aus der Umgebung kommt, war sie neugierig und besuchte uns dort. Als wir uns kennenlernten, begeisterte mich sofort, dass ihre Arbeit besonders vielfältig ist. Es gibt Werke, die halbwegs reduziert sind mit poetischem Touch. Andere wiederum sind knallig bunt, klar anklagend oder nur vordergründig ruhig. Neben den vorhin genannten Themen gibt es auch eine Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche. Sie hat außerdem einen ausgesprochen weiblichen Blick und positioniert sich unmissverständlich. Mir wurde früh klar, dass wir nicht nur einige wenige ihrer Werke nebst anderen in Köln ausstellen wollen, sondern ihr auch diese Einzelausstellung in Bonn ermöglichen.
Sie sprechen das „Candy Concept Cologne“ an. Worin liegt der Unterschied zur Galerie in Bonn?
In Köln zeigen wir ein Potpourri von Pop- und vornehmlich Street- und Urban-Art. Während in Bonn die einzelnen Künstler in einem bestimmten Turnus ausgestellt werden, beinhaltet das Candy Concept eine permanente Gruppenausstellung. Es bietet Besuchern einen Überblick unseres Gesamtportfolios mit verschiedenen Künstlern. Wir betreiben es seit anderthalb Jahren und es wird gut angenommen. In der Gegend ist viel los, Touristen flanieren in der Körnerstraße. Ich denke, das passt einfach zu uns. Dort gibt es viel zu entdecken, viel zu erleben. Ich glaube, unser Angebot von regionalen und internationalen Künstlern spricht eine breite Gruppe an. Das Besondere an Street- und Urban-Art ist, dass sie auch Menschen, die weniger kunstinteressiert sind, einlädt. Manches mag auf den ersten Blick einfach erscheinen. Und vielleicht ist es das sogar. Dennoch kommen einem beim zweiten Hinsehen neue Gedanken und plötzlich ist man ganz eingenommen.
Stefan Moll lebt und arbeitet in einer faszinierenden Welt der Kunst. Er erzählt leidenschaftlich von den Hintergründen einzelner Werke. Motive und Stile wecken Erinnerungen, sind scheinbar vertraut. Den Galeristen interessieren unsere Gedanken und Deutungen. Das Gespräch springt vom berühmten OBEY-Schriftzug von Shepard Fairey über den Kölner Street-Artist seiLeise bis hin zum Bonner Schulteschwarz, dessen Totenkopf-Figuren eher einen wenig erschreckenden, sondern bemitleidenswerten, fast schon „trotteligen“ Ausdruck haben. Es ist eben nicht immer alles so, wie es scheint.
Wen stellen Sie als Nächstes in Bonn aus?
Die nächste Vernissage findet im Mai im Zuge der Nacht der Galerien in Bad Godesberg sowie im Rahmen eines Kulturfestivals statt: Kai Semor wird seine Ausstellung „NEON ROT“ eröffnen. Er ist ein Graffitikünstler aus Köln, der abstrakte Werke auf Leinwand und Holz kreiert. Wir betten außerdem eine Graffiti-Live-Performance in die Nacht der Galerien ein: Semor sowie Alexander Gnida und Markus Schümmelfeder, zwei weitere Künstler der Galerie, werden sich das Haus gegenüber vornehmen.
Wir blicken durch das Schaufenster und werden von der weißen Fassade des gegenüberliegenden leerstehenden Gebäudes geblendet.
Ein Wandgemälde an dieser Stelle sorgt bestimmt für Aufmerksamkeit …
Niemand weiß, wann das Haus abgerissen wird, weder die Stadt noch der Architekt des geplanten Neubaus. Hoffentlich haben wir Glück. Denn solange es steht, dürfen diese schönen weißen Wände in ein Kunstwerk umgewandelt werden. Die Menschen, die daran vorbeigehen, werden dann wissen, wo es herrührt.
Stefan Moll strahlt vor Vorfreude.
(Bryan Kolarczyk)