GEWÄHRLEISTUNGSRECHTE UND SCHADENSERSATZ AM BAU

Kommt es zu Mängeln an einem Bauwerk oder Teilen davon, stellt sich immer wieder die Frage, wer dafür haftet. Das BGB sieht hierfür grundsätzlich in erster Linie die Gewährleistungsrechte (§§ 634 ff. BGB) vor. Diese berechtigen den Auftraggeber, von dem Auftragnehmer die Beseitigung eines Mangels (§§ 634 Nr. 1, 635 BGB) zu verlangen. Beseitigt der Auftragnehmer den Mangel nicht, stehen dem Auftraggeber unter anderem Rücktritts- oder Kündigungsmöglichkeiten (§§ 634 Nr. 3, 323 ff. BGB; § 650r und § 314 BGB) sowie weitere Schadensersatzansprüche (§§ 634 Nr. 4, 280 ff. BGB) zur Seite. In aller Regel verjähren diese Gewährleistungsansprüche in einer Frist von fünf Jahren ab Abnahme der Bauleistung (§§ 634a Abs. 1 Nr. 2, 640 BGB).

Was aber passiert, wenn viele Jahre später festgestellt wird, dass der Auftragnehmer mangelhaft gearbeitet hat und dadurch beispielsweise Folgeschäden entstehen? Haftet der Auftragnehmer dann noch Jahre später? Der Bundesgerichtshof hat dies nunmehr für bestimmte Fälle bejaht (BGH, Urteil vom 23.02.2021 – VI ZR 21/20).

Zum Fall:

In dem Präzedenzfall führte der Auftragnehmer, ein Sanitärunternehmen, in einer neu errichteten Sporthalle Installationsarbeiten durch. Diese Arbeiten wurden im Jahre 1995 als mangelfrei abgenommen. Im Jahre 2009 bemerkte der Auftraggeber, der Eigentümer der Sporthalle, Wasserschäden. Ein Sachverständiger stellte sodann fest, dass Ursache für die Wassereintritte mangelhafte Arbeiten des Auftragnehmers waren. Der Auftragnehmer hatte unzulässigerweise Hahnverlängerungen abgesägt. Die an diese Hahnverlängerungen angrenzenden Bauteile, die nicht von dem Auftragnehmer errichtet worden waren, wurden durch austretendes Wasser beschädigt. Der Eigentümer der Sporthalle hatte diese Schäden beseitigen lassen und machte sodann die dafür angefallenen Sanierungskosten klageweise gegenüber dem Auftragnehmer geltend.

Der Auftragnehmer berief sich auf Verjährung. Sowohl das Landgericht Stralsund in I. Instanz als auch das Oberlandesgericht Rostock in II. Instanz hielten die Klage für unbegründet und gingen davon aus, dass die Ansprüche verjährt seien. Der Bundesgerichtshof sah dies anders.

Zur Entscheidung:

Der Bundesgerichtshof stellte zunächst fest, dass die Gewährleistungsrechte, also die Mängelrechte (§§ 634 ff. BGB), tatsächlich verjährt sind. Der Bundesgerichtshof vertritt allerdings die Auffassung, dass vorliegend deliktische Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 BGB bestehen, und stellte fest, dass Verjährung insoweit noch nicht eingetreten war.

Das Deliktsrecht und das Vertragsrecht stehen nebeneinander. Deliktische Pflichten sind darauf gerichtet, Eigentums- oder Besitzverletzungen zu verhindern. Bei diesen Ansprüchen geht es somit um das sogenannte „Integritätsinteresse“. Deckt sich der vom Auftraggeber geltend gemachte Schaden mit dem Unwert, welcher der Sache wegen ihrer Mangelhaftigkeit von Anfang an anhaftet (Äquivalenzinteresse), ist der Schaden allein auf enttäuschte Vertragserwartungen zurückzuführen, so dass für deliktische Schadensersatzansprüche kein Raum besteht. Als Beispiel: Wird ein Haus errichtet und nicht fachgerecht abgedichtet und entstehen dadurch Feuchtigkeitsschäden an diesem Haus, so kommt es nur auf Gewährleistungsrechte an und für das Deliktsrecht ist kein Raum. Sind allerdings Äquivalenz- und Nutzungsinteresse nicht stoffgleich, kann der Schaden von der deliktischen Haftung aufgefangen werden, selbst wenn Mängelansprüche des Auftraggebers nicht bestehen (bspw. weil sie verjährt sind). Stoffgleichheit liegt wiederum dann vor, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise der Fehler von Anfang an die Gesamtsache, für deren Beeinträchtigung Schadensersatz verlangt wird, erfasst, etwa weil diese Sache als Ganzes wegen des Mangels von vornherein zum vorgesehenen Zweck nicht verwendbar war (wie etwa im Beispiel des nicht sach- und fachgerecht abgedichteten Hauses).

In dem vorliegenden Fall allerdings ist der Bundesgerichtshof der Auffassung, dass sich die vom Mangel betroffenen Bauteile von der Sporthalle als solches trennen lassen. Denn die Halle war im Übrigen mangelfrei und konnte bestimmungsgemäß genutzt werden. Der Wasseraustritt hat somit die Halle beschädigt. Darüber hinaus stellt der Bundesgerichtshof fest, dass die Eigentumsverletzung nicht bereits durch die mangelhafte Installation der Wasserhähne im Jahre 1995 eingetreten sei, sondern erst durch das austretende Wasser. Der Wasseraustritt sei daher für den Beginn der Verjährung der deliktischen Ansprüche (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB) entscheidend.

Konsequenzen für die Praxis:

Wird ein Baumangel zu einem Zeitpunkt entdeckt, zu welchem die Gewährleistungsansprüche (§§ 634 ff. BGB) bereits verjährt sind, ist der Auftraggeber gut beraten zu prüfen, ob ggf. deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB) bestehen. Im Umkehrschluss ist daher auch der Auftragnehmer gut beraten, bei einer etwaigen Mängelrüge nach Verjährungseintritt zu überprüfen, ob deliktische Ansprüche vorliegen könnten oder nicht.

Nicht bei jeder denkbaren Fallkonstellation ist es so, dass neben den vertraglichen Ansprüchen auch deliktische Ansprüche bestehen. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass mangelhafte Arbeiten oftmals zu Folgeschäden an nicht stoffgleichen anderen Gewerken führen und neben den vertraglichen Ansprüchen folglich Deliktsansprüche bestehen können. Solche deliktischen Ansprüche verjähren letztendlich nicht in 5 Jahren ab Abnahme (§ 640 BGB), sondern mit einer Frist von 3 Jahren (§ 195 BGB). Diese Frist beginnt aber nicht mit der Abnahme, sondern gem. § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt hat. Gerade bei Mängeln wie dem vorliegenden, die erst nach langer Zeit sichtbar werden, wird Kenntnis eben auch erst nach dieser langen Zeit erlangt. Deshalb können deliktische Ansprüche oftmals erst nach den Gewährleistungsansprüchen verjähren.

Unsere Gastautorin: Dr. Vanessa Palm

Dr. Vanessa Palm ist Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht. Sie berät und vertritt Bauherren, Investoren, Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure. Spezialisiert ist sie sowohl auf die Vertragsgestaltung als auch auf prozessuale Auseinandersetzungen.

Die Kanzlei mit Büros in Bonn, Berlin und Leipzig bietet individuelle Rechtsberatung auf höchstem juristischen Niveau.

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Dr Vanessa Palm, Rechtsanwältin bei Busse & Miessen