Was bei der Flexibilisierung des Arbeitsortes zu beachten ist

Während der Corona-Pandemie haben viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer Homeoffice oder Mobiles Arbeiten praktiziert, teils zum ersten Mal – und angesichts des Zeitdrucks auch ohne ernsthafte Beschäftigung mit den rechtlichen Rahmenbedingungen. Vielerorts wird eine Fortsetzung gefordert. Für die Zukunft ist aber kein einfaches „Weiter so“, sondern eine sorgfältige Vorbereitung zu empfehlen, um den gesetzlichen Verpflichtungen gerecht zu werden, Risiken entgegenzuwirken und Chancen wahrzunehmen.
Mobiles Arbeiten
Homeoffice oder Mobiles Arbeiten?

Im Arbeitsrecht wird grundsätzlich zwischen zwei verschiedenen Arten der Arbeit außerhalb des Betriebs unterschieden. Auf der einen Seite gibt es die Arbeit aus der eigenen Wohnung heraus, das umgangssprachlich „echte“ Homeoffice – vom Gesetzgeber als Telearbeit bezeichnet –, und auf der anderen Seite das Mobile Arbeiten. Diese Unterscheidung ist – wie sich im Weiteren noch zeigen wird – von erheblicher Bedeutung für den Umfang der Pflichten des Arbeitgebers.

Bei der Mobilen Arbeit erhält der Beschäftigte die Möglichkeit, seinen Arbeitsort frei zu wählen. Dies bedeutet, dass er die Arbeit letztlich an jedem Ort erbringen kann, an dem die erforderliche Infrastruktur zur Verfügung steht – also auch in einem Café, im Park oder gar auf dem Kinderspielplatz. Fraglich ist jedoch, ob es tatsächlich im Interesse des Arbeitgebers liegt, wenn der Beschäftigte beispielsweise in einem Café mit Kunden oder Geschäftspartnern telefoniert.

Soll diese Gefahr vermieden werden, kann dies nur durch eine Festlegung des Arbeitsortes erfolgen. Dies bedeutet aber zugleich, dass es sich nicht mehr um Mobiles Arbeiten handeln kann, das sich gerade durch die freie Arbeitsplatzwahl definiert. Gleiches gilt, wenn die Tätigkeit auf Grund ortsgebundener, nicht mobiler Arbeitsmittel faktisch nur an einem bestimmten Ort ausgeübt werden kann. In diesen Fällen handelt es sich um Telearbeit bzw. „echtes“ Homeoffice. Anders als der Gesetzeswortlaut der Arbeitsstättenverordnung vermuten lässt, ist hierfür – auf Grund europarechtskonformer Auslegung – auch nicht die vollständige Ausstattung des Telearbeitsplatzes durch den Arbeitgeber erforderlich, sondern es genügt bereits die Bereitstellung eines mobilen Arbeitsmittels wie eines Laptops.

Dies bedeutet, dass bereits die vertragliche oder faktische Freiheit des Beschäftigten in der Wahl seines Arbeitsortes über das Pflichtenprogramm des Arbeitgebers entscheidet.

Einrichtung des Arbeitsortes und Unterhalt

Wenn tatsächlich Mobiles Arbeiten vorliegt, treffen den Arbeitgeber keine Pflichten hinsichtlich der arbeitsschutzkonformen Einrichtung des Arbeitsortes und seines Unterhaltes. Anders jedoch bei der Telearbeit. Denn hier findet die Arbeitsstättenverordnung Anwendung.

Hiernach muss der Arbeitgeber zunächst eine Gefährdungsbeurteilung des Telearbeitsplatzes vornehmen. Dabei wird er vor das praktische Problem gestellt, dass er keinen Einblick in die (privaten) Räumlichkeiten des Beschäftigten hat. Als Lösung kann entweder eine – widerrufliche – Erlaubnis zum Betreten der Räumlichkeiten in die Homeoffice-Vereinbarung aufgenommen werden oder der Beschäftigte hat die Begebenheiten detailliert darzustellen. Dadurch, dass der Arbeitgeber keine dauerhaften Einflussmöglichkeiten auf die Gefahren hat, beschränken sich seine Pflichten vor allem auf Organisations- und Hinweispflichten, während den Beschäftigten erhebliche Mitwirkungspflichten zur Vermeidung von Gefahren treffen.

Darüber hinaus ist der Telearbeitsplatz entsprechend den Anforderungen an einen Bildschirmarbeitsplatz gemäß der Arbeitsstättenverordnung einzurichten. Die Pflicht zur Einrichtung und damit die Kosten treffen grundsätzlich den Arbeitgeber. Zudem muss er auch die weiteren Kosten, zum Beispiel Strom- und Heizkosten, (anteilig) tragen, wofür sich die Vereinbarung einer Kostenpauschale empfiehlt. Diese Kostentragung entfällt, wenn die Tätigkeit im Homeoffice im überwiegenden Interesse des Beschäftigten liegt. Dies ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, sodass die Frage der Kostentragung nicht pauschal beantwortet werden kann.

Sozialversicherungsrechtliche Risiken für den Arbeitnehmer

Die Tätigkeit außerhalb der Arbeitsstätte hält auch Risiken für die Arbeitnehmer bereit. Zwar sind sie bei jeglicher Form mobiler Arbeit gesetzlich unfallversichert. Jedoch kann es zu erheblichen Beweisschwierigkeiten hinsichtlich des Zusammenhangs zur beruflichen Tätigkeit kommen. Die Rechtsprechung legt hier einen ebenso strengen Maßstab an wie bei Unfällen auf dem Weg zur Arbeit. Auf dieses Risiko sollten Arbeitnehmer zumindest hingewiesen werden.

Risiko Arbeitszeit

Neben dem Kostenaspekt treffen den Arbeitgeber noch weitere Risiken. Allen voran ist hierbei die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu nennen. Durch die Tätigkeit im häuslichen Bereich verschwimmen die Grenzen zwischen beruflichem und privatem Leben. Es stellt sich oftmals auch eine Flexibilisierung der Arbeitszeit ein. Während diese im geringen Maße meist unproblematisch ist, kann es auch dazu kommen, dass die tägliche Maximalarbeitszeit überschritten oder die gesetzliche Mindestruhezeit von elf Stunden unterschritten wird. Dem gilt es bereits in der Homeoffice-Vereinbarung – soweit trotz Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag möglich – entgegenzuwirken, indem beispielsweise Rahmenzeiten oder Kernarbeitszeiten festgelegt werden.

Chancen

Aus wirtschaftlicher Sicht liegt eine Chance des Homeoffice in der Möglichkeit zur Kostenersparnis hinsichtlich der Mietkosten für die Büros. Dies lässt sich beispielsweise durch Desk-Sharing-Modelle realisieren. Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Denn solche Maßnahmen können die Frage, ob die Homeoffice-Tätigkeit im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers oder des Arbeitgebers liegt, beeinflussen und damit Auswirkungen auf die oben genannte Kostentragungspflicht haben.

Ausblick

Bereits vor der Corona-Pandemie gab es im BMAS Überlegungen, den Beschäftigten ein Recht auf Homeoffice zuzugestehen. Angesichts des als Corona-Schutzmaßnahme kurzzeitig bestehenden Rechts ist zu erwarten, dass diese Überlegungen in der nächsten Legislaturperiode verdichtet und weiterverfolgt werden. Gleichwohl bleibt abzuwarten, ob damit auch eine gesetzliche Bestimmung von Rechten und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bei flexibilisierten Arbeitsorten erfolgt. Jedenfalls bis dahin ist es geboten, eine fortgeführte Homeoffice-Praxis auf eine rechtlich sichere Vereinbarung zu stützen.

Fotos: Busse & Miessen, istockphoto.com/FreshSplash

Unsere Gastautoren: Dr. Andreas Nadler und Dr. Florian Langenbucher

Rechtsanwalt Dr. Andreas Nadler
Rechtsanwalt Dr. Andreas Nadler

Dr. Andreas Nadler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Dr. Florian Langenbucher berät er Sie in allen Bereichen des Arbeitsrechts. Beide sind Partner in der Kanzlei Busse & Miessen Rechtsanwälte.

Die Kanzlei mit Büros in Bonn, Berlin und Leipzig bietet individuelle Rechtsberatung auf höchstem juristischen Niveau.

buero.nadler@busse-miessen.de
Telefon (0228) 98 391 – 35

buero.langenbucher@busse-miessen.de
Telefon (0228) 98 391 – 71

www.busse-miessen.de

Rechtsanwalt Dr. Florian Langenbucher
Rechtsanwalt Dr. Florian Langenbucher