Designklassiker verkörpern Stil und Ästhetik einer Zeit, die Vergangenheit ist. Sie sind dennoch zeitlos – mit einem Anfang, aber keinem Ende. Wir stellen hier einige Favoriten und ihre berühmten Designer vor.

Man nennt ihn den „7er“ – ein Stuhl, der seinen Designer zu einem der erfolgreichsten Skandinaviens und seinen Hersteller zu einer Weltfirma machte. Der Däne Arne Jacobsen (1902 – 1971) hat ihn 1955 als Kantinenstuhl entworfen, das Unternehmen Fritz Hansen stellt ihn heute noch her. Das Besondere: Die durchgehende Holzschale des geschwungenen Serienstuhls ist nicht nur in einer, sondern in zwei Richtungen gebogen. Das hatte vor Jacobsen noch kein Designer gewagt. Die Annahme, dass dies funktionieren könnte, leitete Jacobsen von „verdrehten“ hölzernen Flugzeugpropellern ab. Jacobsen erfand dabei gleichzeitig zwei statische Neuerungen: den Einschnitt der Taille und, an dieser schwächsten Stelle des Stapelstuhls, ein unsichtbares Textil-Inlay als Stabilisator der gegensätzlichen Federkräfte. Seit 1955 wurden Stühle der Serie viele Millionen mal verkauft – „mit Abstand der größte Verkaufserfolg eines Stuhls in der Geschichte Fritz Hansens“, heißt es bei dem Unternehmen. Arne Jacobsen war sowohl als Architekt als auch als Designer sehr aktiv und produktiv. So hat er Ende der 1950er Jahre in Kopenhagen das Royal Hotel entworfen und das Gebäude bis in jedes Detail seiner Einrichtung beeinflusst. Seine Möbelentwürfe „Der Schwan“ und „Das Ei“ – beide von 1958 – zählen wie die 7er-Serie zu den Klassikern und sind in Designmuseen ebenso wie in privaten oder öffentlichen Gebäuden zu finden. „Der Schwan“ weist keine Geraden auf, sondern ausschließlich Kurven und wirkt organisch – für diese Zeit eine technische Novität. „Das Ei“, auch Egg Chair genannt und einer der begehrtesten Wohnklassiker überhaupt, sorgt durch seine einzigartige Form für eine private Atmosphäre – wo immer er steht. Beide Sessel werden auch wieder von Fritz Hansen produziert und entstehen aus einem Styroporkern. Charles und Ray Eames sind das Traumpaar der Designwelt des vergangenen Jahrhunderts. Ihr Weg dahin war von Zufällen bestimmt. Der Architekt und die Kunststudentin hatten sich in Detroit kennengelernt, nach nur zehn Monaten geheiratet und waren dann nach Kalifornien gezogen. In ihrem Haus in Los Angeles begannen sie mit Schichtholz zu experimentieren und „bucken“ daraus Objekte. Der Zufall half den Eames. Es war in Zeiten des Zweiten Weltkriegs und ein Militärarzt entdeckte die gerundeten Holzobjekte.

 

„Form folgt Funktion – das ist oft missverstanden worden. Form und Funktion sollten Eins sein, verbunden in einer spirituellen Einheit. “

Frank Lloyd Wright, Architekt

 

Vitra_Lounge Chair

Der „Lounge Chair“ von Charles und Ray Eames ist zeitlos elegant.

Er berichtete Charles und Ray Eames, dass die stählernen Beinschienen, die man bei Verwundeten einsetzt, zu starr und zu schwer seien. So gründete Charlesu u Eames eine eigene Firma für Beinschienen. Sein gebogenes, federndes Schichtholz bewährte sich, und dies auch noch in der Massenfertigung für die Army. Charles Eames nutzte diese Erfahrungen und übertrug sie auf seine Möbelentwürfe. Bereits kurz nach dem Krieg hatten die Eames mit den ersten Stühlen Erfolg. Ihre Namen – LCW (Lounge Chair Wood) und DCW (Dining Chair Wood) – entstammen einem immer noch vorhandenen militärisch-bürokratischen Denken. Ihr Design ist jedoch Ausdruck einer neuen, vom Krieg befreiten Leichtigkeit und steht für eine optimistische Zukunft. Die Stühle fanden schnell ihren Weg in Restaurants, Schulen, Universitäten und Flughäfen. Heute werden die Klassiker von Vitra hergestellt. Das Experimentieren und Forschen ließ Eames auch nach seinen ersten Erfolgen nicht los. In seinem Möbelprogramm lassen sich alle Phasen der Materialerkundung deutlich erkennen. Auf Schichtholz folgte Kunststoff (1950), danach Gitter aus Stahldraht (1951) und später Aluminium (1958). Genau zwischen diesen beiden letzten Phasen entstand 1956 der Entwurf zum berühmten „Lounge Chair“, der 2015, also fast 60 Jahre später, auf der IMM Cologne in einer Sonderedition von Vitra wieder einmal präsentiert wurde. An der Entwicklung des Lounge-Chairs arbeitete Charles Eames mehrere Jahre. Sein Ziel war, eine moderne, zeitgemäße Version des klassischen, englischen Clubsessels zu schaffen. Leichter und eleganter avancierte der Lounge Chair zu einem der bekanntesten Entwürfe von Charles und Ray Eames.

Design 1958

Der „Cone Chair“ von Verner Panton wird heute in acht Farben produziert.

Panton Chair Classic_

Der „Panton Chair“ von Verner Panton bietet einen angenehmen Sitzkomfort.

Aus der Geschichte des Designs nicht wegzudenken ist auch Verner Panton (1926 – 1998). Der Däne, der neben seinem Architekturstudium bei Arne Jacobsen gearbeitet hat, entwarf unter anderem die Möbelikonen „Cone Chair“ (1958) und „Panton Chair“ (1960). Bei Letzterem setzte sich Pantons Begeisterung für Kunststoff durch. Viele Jahre experimentierte er mit diesem neuen Material, sein Ziel war ein komfortabler, überall einsetzbarer Stuhl aus einem Guss. In Vitra fand Panton einen Hersteller, der bereit war, einen solchen Stuhl zu produzieren. Gemeinsam wurde der „Panton Chair“ entwickelt und 1967 erstmals gezeigt. Er galt als Sensation; einer der ersten Stühle steht im Museum of Modern Art in New York.

Die Irin Eileen Grey (1878 – 1976) sorgte erst vor ein paar Jahren mit ihrem berühmten Drachensessel für einen Markstein in der Geschichte des Auktionshauses Christie´s. Der zwischen 1917 und 1919 entstandene Ledersessel mit den hölzernen Armlehnen mit Drachenköpfen war im Besitz des französischen Star-Modeschöpfers Yves Saint-Laurent und wurde für die Rekordsumme von 19,5 Millionen Euro versteigert. Während die Entwürfe von Eileen Gray bis in die 1920er Jahre sehr von Art déco gekennzeichnet waren, distanzierte sich die Designerin danach zunehmend von dieser Stilrichtung und entwickelte einen eigenen, sehr minimalistischen und funktionalen Stil. Der höhenverstellbare Tisch „E 1027“ (1927) lässt heute noch die Herzen von Designliebhabern höher schlagen und auch der Sessel „Bibendum“ (1929) hat nichts von seinem nüchternen Charme eingebüßt. Beide Designklassiker werden von ClassiCon hergestellt; bei den kühlen Entwürfen in Weiß und mit viel Chrom erinnert nichts mehr an das gefällige Art déco der Anfangsjahre von Eileen Gray. „E 1027“ ist nach dem Sommerhaus benannt, das Eileen Gray in der Nähe von Nizza besaß. In unmittelbarer Nähe hatte ein anderes Designgenie seinen Sommersitz: Le Corbusier (1887 – 1965). Mit ihm sowie mit anderen Persönlichkeiten der Moderne arbeitete Eileen Gray eng zusammen.

 

„Vollkommenheit entsteht offensichtlich nicht dann, wenn man nichts mehr hinzuzufügen hat, sondern wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“

Antoine de Saint-Exupéry, Schriftsteller, aus: „Terre des Hommes“, 1939

 

Le Corbusier ist für viele Architekten das große Vorbild. Seine Möbel sind Kultobjekte, die aktuelle Wohnzimmer schmücken. Als Architekt galt sein besonderes Interesse der modernen Stahl- bzw. Eisenbetonbauweise. Er war ein Visionär, auch was das Wohnen betraf. Eines der markantesten und bekanntesten Möbelstücke, das er entworfen hat, ist die Chaiselongue „LC4“ (1929). Jahrelang soll Le Corbusier geforscht haben, bis er die LC4 „gefunden“ hatte. Sie war damals und ist auch heute noch ein Möbelstück, das nicht nur ästhetisch perfekt, sondern auch ergonomisch vollendet ist. Die Liegefläche gleitet kontinuierlich über das Untergestell, daher kann der Neigungswinkel stufenlos elegant angepasst werden. Gefertigt wird die „LC4“ – wie auch viele andere Entwürfe Le Corbusiers – von der italienischen Manufaktur Cassina, die bereits gegründet wurde (1927), bevor es die „LC4“ gab.

 

lc_4

Die „LC4“ von Le Corbusier ist ein Kultobjekt.

Die Möbel von Eckart Muthesius (1904 – 1989) haben viele Jahre im Dornröschenschlaf verbracht. Der Berliner Architekt hat in Indore/Indien den Palast des Prinzen Yeshwant Rao Holkar Bahadur gebaut. Außer den Gebäuden und Teilen der Gartenanlage entwarf Muthesius fast die gesamte Inneneinrichtung – von der Türklinke bis zur Lampe. Mehrere dieser Möbel haben vor einigen Jahren eine Wiederauferstehung erlebt und wurden von ClassiCon neu aufgelegt. „Banu“ ist eines der Glanzstücke aus dem Palast. Der elegante Hocker stand im Badezimmer der Maharani. Das Gestell wirkt von allen Seiten, als sei es aus einem Stück gefertigt.

sitzmoebel

Links: Sessel „Bibendum“, Leuchte „Tube light“ und der Tisch „E 1027“ – alle drei Klassiker wurden von Eileen Grey entworfen. Rechts: Der „Ball Chair“ verhalf Designer Eero Aarnio zum Durchbruch. Nicht nur Sammler schätzen den formschönen Sessel.

Marcel Breuer (1902 – 1981) gilt als einer der bedeutendsten Architekten und Gestalter der Moderne. Von 1925 bis 1928 leitete er die Tischlerwerkstatt am Bauhaus. In dieser Zeit entwickelte er einige wegweisende Möbeldesigns aus Stahlrohr. Zu seinen ersten Entwürfen gehörten die Satztische „B 9“ (1925/26). Im Bauhaus-Gebäude in Dessau von Walter Gropius waren „B 9“ in der Kantine eingesetzt. Heute sind diese eleganten Möbel, die von Thonet hergestellt werden, Klassiker, die in zahlreichen Wohnungen und im Bereich Projekt zu finden sind. Sie dienen als Beistelltisch, Ablagefläche oder Nachttisch neben Bett oder Sofa.

Der Finne Eero Aarnio (1932) war einer der ersten Industriedesigner, der Plastikmaterialien wie Fiberglas einsetzte. Er gründete 1962 sein erstes Designstudio und entwarf nur ein Jahr später seinen legendären „Ball Chair“ (Adelta). Dieser Sessel dämpft die Geräusche von außen und erzeugt dadurch eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Perfekt, um Musik zu hören oder zu lesen. Der Chair zeichnet durch seine runde Formgebung die Richtung vor, in die sich auch spätere Entwürfe von Aarnio bewegen werden. Fließende Formen wie beim „Pastil Chair“ und helle, kräftige Farben werden zu seinem Markenzeichen. Seine Entwürfe sind in die Sammlungen vieler internationaler Museen und Galerien aufgenommen worden, darunter das Museum of Modern Art in New York, das Stedelijk Museum in Amsterdam und das Centre Georges-Pompidou in Paris.

Fotos: ClassiCon, Cassina, Vitra (3), Fritz Hansen (2), Eero Aarnio/Adelta
Titelbild: Der Stuhl „die Ameise“ von Arne Jacobsen gilt als Vorgänger der Stühle aus der Serie 7