Bremerhaven hat eine große Bedeutung als Kreuzfahrthafen – und ist auch selbst eine Reise wert. Lange bevor moderne Kreuzfahrtschiffe von der Stadt an der Nordseeküste aus vor allem in Richtung Nordeuropa aufbrachen, war Bremerhaven für Millionen von Menschen das Tor zur Neuen Welt. Im Deutschen Auswandererhaus werden ihre Geschichten erzählt. Man nimmt Teil an ihrer Reise in ein neues Leben – erlebt sie regelrecht. Jetzt beschäftigt sich das Deutsche Auswandererhaus in einer Sonderausstellung mit dem hochaktuellen Thema: Ist Migration ins All möglich? Zentrale Fragen werden neu gestellt: Können wir auf fernen Planeten überleben? Wem gehört das All und seine Schätze? Wer bestimmt über Space Migration?
Die Sonderausstellung „VERLOCKUNG WELTALL. AUSWANDERN AUF MOND, MARS, VENUS?’’ beginnt mit einer der ältesten bekannten Darstellungen astronomischer Beobachtung: Die Replik einer geschnitzten Figur aus Mammutelfenbein aus der Altsteinzeit ist ein 40.000 Jahre alter menschlicher Versuch, Himmelszyklen zu ordnen. Einen anderen Blick erlaubt die Zeichnung Mondlandschaft des jungen Petr Ginz: Sie entstand im Ghetto Theresienstadt und zeigt den Mond als Festung, in deren Sicherheit sich der junge Mann weg von der Erde träumt. Mit 16 Jahren wird Petr Ginz 1944 in Auschwitz ermordet. Seine Zeichnung wird gerettet und Jahrzehnte später mit einer ISS-Expedition ins All getragen.
Wie überleben wir dort oben? Was auf der Erde selbstverständlich ist — Schutz, Nahrung, Atmosphäre — muss im All künstlich geschaffen werden. Das Ausstellungskapitel Überleben zeigt, mit welchen Technologien das möglich sein könnte. Modelle von Mars-Habitaten, Experimente mit Vertical Gardening und KI-gesteuerte Roboter veranschaulichen aktuelle Entwicklungen. Die Ausstellung legt hier den Fokus auf die deutsche und europäische Raumfahrt, insbesondere die Europäische Weltraumorganisation ESA, die wichtige Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in diesem Bereich durchführt. Besonders hervorgehoben wird auch der Standort Bremen, der für seine herausragende wissenschaftlich-technologische Expertise steht. Frühste und aktuelle Science Fiction aus Uganda, China und Europa reflektieren literarisch die Folgen menschlichen Handelns im All.
Wem gehört das All? Das Kapitel Besitztümer beleuchtet die geopolitischen und wirtschaftlichen Machtfragen, die mit der Erschließung des Weltalls einhergehen. Vom Space Race zwischen USA und der UdSSR bis zu heutiger, satellitengestützter Infrastruktur und dem Abbau extra-terrestrischer Rohstoffe: Der Zugriff auf Ressourcen im All ist längst Teil strategischer Überlegungen – mit offenem Ausgang für Fragen von Besitz, Zugang und Gerechtigkeit. Versuche, den Zugriff aufs All durch internationale Abkommen wie dem Weltraumvertrag zu regulieren, stoßen dabei zunehmend an ihre Grenzen. Hier kann das Zukunftsthema Space Migration von historischen Auswanderungserfahrungen lernen — etwa im Hinblick auf Fragen der Teilhabe, der Ressourcenverteilung oder der sozialen Verantwortung. Die Ausstellung nimmt daher auch Möglichkeiten der Mitbestimmung in den Blick: Beteiligungsformate wie die der Europäischen Union eröffnen die Möglichkeit, sich aktiv in die Gestaltung einer gemeinsamen Weltraumzukunft einzubringen.
Die Ausstellung versammelt zudem zehn Kunstwerke aus über einem Jahrhundert (1909–2025), die sich mit dem Weltall auseinandersetzen, darunter Malerei, Skulptur, Installation, Druckgrafik, Zeichnung und Film. So collagiert Denilson Baniwa in seiner Werkserie Ficções Coloniais (2021) Figuren und Elemente aus bekannten Science Fiction-Filmen in koloniales Bildmaterial, deutet historische Narrative um und macht indigene Perspektiven sichtbar. Vom Künstler Panamarenko ist ein filigranes Flugobjekt zu sehen. Humorvoll blickt der deutsche Rockmusiker Udo Lindenberg auf den Weltraum, melancholisch der junge Künstler Paris Giachoustidis. Eine begehbare Installation zeigt der Hamburger Künstler Simon Hehemann mit seinem Werk „Die Seele der weißen Ameise’’.
Die Sonderausstellung läuft bis 7. Januar 2026. Doch auch unabhängig von ihr, ist das Deutsche Auswandererhaus einen Besuch wert. Es lohnt sich außerdem im nahegelegenen Deutschen Schifffahrtsmuseum sowie im Klimahaus vorbeizuschauen. bremerhaven.de
Foto: dah-hafenansicht-1-copyright-deutsches-auswandererhaus-foto-werner-huthmacher