Gerade war noch Sommer. Jetzt färben sich schon die Blätter an den Bäumen. Es wird kühler. Wir kramen die warmen Jacken und Pullover aus den tieferen Schichten des Kleiderschranks hervor. Vielen graut es vor der Dunkelheit und Kälte der kommenden Monate. Doch zum Glück gibt es Yoga! Denn Yoga hilft mit seinem ganzheitlichen Ansatz gegen den Herbst-Blues.

„Wer regelmäßig Yoga übt, erhöht die Aktivität seiner Immunabwehr“, sagt Anna Stechert, die in Köln Yoga unterrichtet. Gelernt hat sie die aus Indien stammende philosophische Lehre in Burma, wo sie mehrere Jahre Zuhause war. Yoga stärkt nicht nur die Abwehrkräfte, sondern baut Verspannungen ab, regt den Stoffwechsel an und stabilisiert den Kreislauf. „Mit Yoga lassen sich selbst trübe Regentage gut aushalten, denn es wirkt auch auf die Psyche. Das Wort selbst bedeutet Einheit/Harmonie“, erklärt Anna. Körper und Geist werden von Blockaden befreit und die Energie kann wieder fließen. Der Endorphinspiegel steigt – und damit die Laune. „Mithilfe von Meditation, Atemübungen und Achtsamkeit verlangsamt sich zudem unser Gedankenkarussell“, erläutert Anna den ganzheitlichen Ansatz.

Im Yoga gibt es verschiedene Richtungen, aber ein Ziel: die Gesundheit zu fördern und einen zufriedenen Geist zu kultivieren. Yoga ist weder Sport noch Religion. Techniken und Anschauungen überschneiden sich oftmals und sind nicht völlig getrennt voneinander zu sehen. Wir schauen uns die bekanntesten Varianten des Yoga und ihre kleinen Eigenheiten genauer an:

Yogamatten

Hatha-Yoga

Hatha-Yoga ist der Klassiker und Ursprung der allermeisten heute gängigen Yogastile. Vielfach wird es für Anfänger als besonders gut geeignet beschrieben, doch es gibt auch Hatha-Schulen, die mit dem Kopfstand beginnen. Jeder hat unter anderem im Zusammenhang mit Hatha schon einmal etwas vom herabschauenden Hund oder Sonnengruß gehört: Die Asanas, die körperlichen Übungen, sind aber nur ein Teil des traditionellen Hatha. Wie in allen Yogatraditionen sind auch Ernährung, Tiefenentspannung und Meditation sehr wichtig. Hatha setzt sich aus den zwei Worten Sonne (Ha) und Mond (tha) zusammen. Beim Hatha-Yoga werden Hitze und Kühle, Kraft und Stille miteinander vereint.

Yin-Yoga

Yin-Yoga ist eine meditative und reflexive/passive Yogapraxis, die hauptsächlich im Sitzen und Liegen praktiziert wird. Die Asanas werden für längere Zeit – mehrere Minuten – gehalten. So kann der Körper sich ganz in die Haltungen hineinfühlen. Die Folge ist tiefe Entspannung. Yin-Yoga dehnt/stimuliert besonders die Faszien bzw. das Bindegewebe. Ins Schwitzen kommt man eher weniger, aber die Dehnungen können sehr intensiv sein.

Ashtanga-Yoga

Das Übungssystem besteht aus einer festgelegten Reihenfolge, die jeweils mit Bewegungselementen verbunden ist. Der Bewegungsfluss wird mit einem gleichmäßigen Atem begleitet. Die Reihenfolge ist so aufeinander abgestimmt, dass nacheinander alle Körperteile aktiviert und gedehnt werden. Man kann abschalten und kommt gut ins Schwitzen.

„Mit Yoga trainiert man auch seine Konzentrationsfähigkeit und die Koordination.“

Yogalehrerin Anna Stechert

© Foto: Jana Rodenbusch

Kundalini-Yoga

Die Übungsreihen sind eine Kombination aus dynamischen Körperübungen, bewusster Atmung, geistiger Ausrichtung und Mantra-Meditation. Kundalini-Yoga gilt als sehr wirkungsvoll und ist einfach zu erlernen. Letztendlich entscheidet darüber aber das persönliche Empfinden.

Vinyasa-Yoga

Hier werden klassische Asanas zu immer wieder neuen Bewegungsabfolgen zusammengestellt, sodass sich ein anstrengender, fließender Übungsstil (Flow) entwickelt. Es wird mit einer intensiven Atemführung und häufig mit Musik geübt. Ein wichtiges Ziel ist es, die eigene Kraft und Lebendigkeit zu erfahren.

Jivamukti-Yoga

Die Übungen werden fließend geübt und von Musik begleitet. Der Lehrer korrigiert die Schüler mit Körpereinsatz. Darüber hinaus rezitiert der Yogalehrer aus altindischen Schriften, spricht über Philosophien oder Lebensweisheiten. Jivamukti verbindet dynamisches, Vinyasa-ähnliches Yoga mit der Beachtung fünf zentraler Elemente: Shastra (Schriften), Bhakti (Hingabe), Ahimsa (Gewaltlosigkeit, d. h. keinem Lebewesen ein Leid zufügen), Nada (Ton, Klang, Musik) und Dhyana (Meditation).

„Viele Teilnehmer fühlen sich nach dem Yoga ausgeglichener, selbstbewusster, glücklicher.“

Yogalehrerin Anna Stechert von Happylotus Köln

© Foto: Jana Rodenbusch

Anna, welchen Stil unterrichtest du?
Ich habe meine Grundausbildung in Hatha-Yoga gemacht. Allerdings hat sich mein Stil inzwischen durch meine Erfahrung und weitere Fortbildungen weiterentwickelt und tut es immer noch. Ich habe viele Flow-Sequenzen in meinen Kursen, aber ich halte die einzelnen Asanas meist deutlich länger als beispielsweise bei Vinyasa. Ich baue auch oftmals Yin-Elemente in meine Kurse mit ein. Die Gestaltung meiner Stunden hängt stark von der Stimmung und den Bedürfnissen meiner Teilnehmer(innen) ab.

Woher weiß ich, welcher Stil zu mir passt?
Am besten ausprobieren! Verschiedene Stile, verschiedene Lehrer(innen), unterschiedliche Settings! Und warum sollte man sich überhaupt auf einen Stil festlegen? Ich persönlich finde, dass es oft auch auf die körperliche Verfassung oder Stimmung ankommt. Mal möchte man sich vielleicht auspowern, ein anderes Mal lieber mehr in die Ruhe und Stille gehen. Ich selbst lege mich auch nicht fest in meiner eigenen Praxis. Erst neulich habe ich zum ersten Mal Jivamukti ausprobiert, eine Zeitlang fand ich Ashtanga toll.

Wie wirkt Yoga?
Dass Yoga positiv auf die Gesundheit einwirken kann, ist bereits medizinisch erwiesen. Die Stärkung des Immunsystems, die Linderung von Rückenschmerzen, Hilfe bei Depression, Arthrose – dies sind nur einige Beispiele. Unter anderem wirkt Yoga direkt auf das vegetative Nervensystem ein, genauer gesagt auf den Parasymphatikus und Sympathikus. Der Sympathikus sorgt für Anspannung (fight or flight), der Parasympathikus für Entspannung. Yoga stimuliert den Parasympathikus und bringt so das vegetative Nervensystem wieder in Balance. Nicht umsonst fühlen sich viele Teilnehmer nach dem Yoga ausgeglichener, selbstbewusster, glücklicher.

Durch die intensive körperliche Arbeit und den Fokus auf sich selbst, lernt man auch seinen Körper und Geist viel besser kennen und verstehen. Beim Yoga geht es nicht darum, sich mit anderen zu vergleichen, sondern nur um einen selbst: Was tut mir gut? Für mich bedeutet Yoga auch: Entschleunigung. Auf der Matte komme ich zur (inneren) Ruhe. Ich finde, gerade in der heutigen Zeit, in der wir von Informationen und Eindrücken überrollt werden, wir ständig am Herumhetzen sind und viele Dinge gleichzeitig tun (müssen), ist Yoga von unvorstellbarem Wert.

Und die Wirkung von Yoga hört nicht nach der Stunde auf. Es verändert die Art und Weise, wie du mit Situationen umgehst, wie du mit dir selbst umgehst.

Kann man mit Yoga noch in jedem Alter beginnen?
Unbedingt! Die körperliche Praxis kann sehr sanft sein. Mit Yoga trainiert man auch seine Konzentrationsfähigkeit und Koordination. Das finde ich wichtig, gerade im Alter. Inzwischen gibt es auch viele Kurse speziell für ältere Menschen oder Menschen mit körperlichen Einschränkungen.

Ist Yoga etwas für jeden Tag?
Das kommt ein bisschen darauf an, wie weit man den Begriff Yoga fasst. Für mich findet Yoga nicht nur auf der Matte statt, sondern genauso im täglichen Leben. Die körperliche Praxis ist nur ein kleiner Teil. Yoga ist eine Philosophie, mit Prinzipien und Lebensweisen. Mein Lehrer hat zum Beispiel immer gesagt: Wenn du etwas mit deiner vollen Aufmerksamkeit tust, mit Achtsamkeit, dann ist das Yoga. Und das kann man genauso gut beim Gemüseschneiden, Golfspielen oder am Arbeitsplatz üben.

Kann ich mir selbst Yoga beibringen?
Davon würde ich abraten. Yoga ist sehr individuell. Jeder Mensch ist anders, jeder Körper ist anders. Und jeder Tag ist anders! Da ist es schon sehr hilfreich, einen erfahrenen Lehrer an der Seite zu haben, der dich anleitet und dich unterstützt. Nach meiner Erfahrung sind zudem die Menschen, die Yoga machen, etwas ganz Besonderes – da tut es sehr gut und macht Spaß, Teil einer Gruppe zu sein. 

happylotus.de

Yoga für Skeptiker

Buchtipp:

Ulrich Ott ist Diplom-Psychologe, der sich seit langem auch wissenschaftlich mit Yoga beschäftigt. In seinem neuen Buch „Yoga für Skeptiker“ macht er umfassend mit Yoga vertraut. Im Verlauf seiner Darlegungen schlägt er den Lesern 50 Übungen vor und ermöglicht Theoretikern damit praktische Erfahrungen.

Ulrich Ott, Yoga für Skeptiker, Knaur MensSana TB, 288 Seiten, ISBN: 978-3-426-87636-7, 10,99 Euro