Kaffee ist in Deutschland sehr beliebt. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbandes trank 2018 jeder Deutsche 164 Liter des schwarzen Heißgetränks. Auch Christiane Hattingen liebt Kaffee – guten Kaffee, den sie selbst im Bonner Kaffeekontor röstet und verkauft.
Christiane Hattingen Bonner Kaffeekontor

Am Rand der Bonner Altstadt tut sich der Kaffeehimmel auf. In dem kleinen Laden in der Maxstraße duftet es verlockend. Überall liegen Kaffeesäcke. Manche sind prall gefüllt mit den kleinen hellen Rohbohnen, andere sind schon leer und geben nur noch einen Hinweis darauf, welche lange Reise ihr Inhalt hinter sich hat. Hinten links steht der Röster, mit dem Christiane Hattingen ihre Gourmetkaffees zubereitet. Mit viel Fingerspitzengefühl und dem Wissen, was in jeder Rohbohne an Aromen steckt. Derzeit verkauft die Kaffeesommelière 19 Filterkaffeesorten und 12 Espressoblends. Über mangelnde Kundschaft kann sie sich nicht beklagen. Während unseres Gesprächs läutet ständig die Ladenglocke. Christiane Hattingen bleibt relaxt – bedient, berät, verkauft und nimmt Bestellungen auf. Richtung Jahresende habe sie immer sehr viel zu tun, erzählt sie zwischen zwei Kunden. Kaffee sei ein beliebtes Präsent. Dann klingelt die Glocke wieder. Egal, vor mir steht eine schöne Tasse Kaffee – von der Kaffeesommelière selbst zubereitet. Die von Kaffeeduft dominierte Atmosphäre im Kaffeekontor hat etwas Beruhigendes. Das passt, denn der Genuss einer guten Tasse Kaffee benötigt auch Ruhe und Muße.

Sie haben an der Bonner Universität einen Magister in Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaften gemacht und betreiben jetzt das Kaffeekontor …
Ja genau. Ich habe nach meinem Abschluss zunächst in der Werbung und auch journalistisch gearbeitet. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, stundenlang auf der Autobahn zu stehen, um von Kunde zu Kunde zu fahren. Ich wollte noch einmal, etwas Schönes machen.

Dann sind Sie auf Kaffee gekommen …
Ich trinke total gerne guten Kaffee. Im Urlaub in Wien hörte ich dann zufällig einen Vortrag über Kaffee. Das hat mich fasziniert. Es stellte sich heraus, dass man am Wiener Institut für Kaffee-Experten Lehrgänge absolvieren kann. Dort habe ich mich zur Kaffeesommelière
ausbilden lassen.

Sie beraten nicht nur rund um die braune Bohne, Sie rösten Ihren Kaffee auch selbst.
Und das ist sehr spannend. Die Aromen des Kaffees entstehen durch die Röstung. Sie sind zwar in den Rohbohnen schon angelegt, um sie dort aber herauszukitzeln, muss man sie entsprechend rösten. Deswegen war für mich schnell klar, dass ich nur Kaffees verkaufen möchte, die ich selbst geröstet habe – zumal ich eine Affinität zu Maschinen habe. Rösten ist ein Handwerk, das jeder lernen kann. Den Unterschied im Geschmack machen aber Fingerspitzengefühl und eine besondere Empathie zu Kaffee aus. Koch kann auch jeder lernen, aber nicht jeder Koch ist gleich Johann Lafer. Rösten zwei Röster mit derselben Maschine die gleichen Bohnen, kommt ganz unterschiedlicher Kaffee heraus.

Wie gelingt es Ihnen, die Aromen herauszukitzeln?
Zunächst einmal beschäftige ich mich mit der Bohne. Wichtig ist: Wo kommt sie her? Auf welchem Boden wächst sie und welches Klima herrscht dort? Wie werden die Kaffeekirschen aufbereitet? Dies alles gibt Rückschlüsse auf die Aromen, die der Kaffee hat. Dann geht es noch darum, um welche Arabicavarietät es sich handelt. Das ist eine botanische Unterteilung, die mit der Vielfalt von Apfelsorten zu vergleichen ist. Der Rest hängt vom Rösten ab. Wir haben gerade drei neue Sorten in unser Programm genommen und machen derzeit die ersten Teströstungen. Wir führen immer, egal ob es sich um Espresso oder Filterkaffee handelt, zunächst eine Standardröstung durch. Danach ruht der Kaffee ein paar Tage, um sein volles Aroma zu entwickeln. Dann probieren wir und passen die Röstung eventuell an.

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Christiane Hattingen im Gespräch

Das heißt, Sie haben eine bestimmte Vorstellung davon, wie der Kaffee schmecken sollte?
Ja, ich mag es zum Beispiel nicht, dass der Kaffee, wie es gerade en vogue ist, sehr hell geröstet wird und dadurch noch sehr viele Frucht-, aber weniger klassische Kaffeearomen hat.

Wie viele Aromen hat Kaffee?
Man kennt etwa 870, aber er hat über 1.000 Aromen. Zum Vergleich: Ein Wein hat „nur“ um die 400 Aromen.

Was macht man als Kaffeesommelière, wenn man nicht gerade röstet?
Man verkostet und beurteilt Kaffees. Ich wähle Kaffees aus, die ich ins Programm nehmen möchte. Wir haben uns gerade für einen Kaffee aus Simbabwe, einen aus Ruanda und einen aus Java entschieden. Der Kaffee aus Java ist der älteste heute bekannte Arabica. Ruanda und Simbabwe sind kaffeetechnisch Entwicklungsländer. Meine Kaffees kommen oftmals aus politisch schwierigen Regionen. In Ruanda kaufen wir den Kaffee in einer Frauenkooperative, mit der der Kaffee direkt gehandelt wird. Die Frauen werden so unterstützt, dass sie ihre Familien ernähren können. 

Fahren Sie selbst vor Ort, um den Kaffee zu kaufen?
Jetzt nicht mehr. Es gibt einige direkt gehandelte Kaffees, wo es Kontakte in den Kaffeeregionen gibt. Das ist zum Beispiel in Guatemala der Fall. Dort kauft ein früherer Kollege von mir Kaffee direkt bei den Bauern, bringt ihn dann nach Deutschland und kümmert sich hier selbst um den Vertrieb. Durch diese persönliche Beziehung haben wir die Sicherheit, den Kaffee auch in der Qualität zu erhalten, die wir uns wünschen.

Welche Kriterien muss ein Kaffee erfüllen, den Sie kaufen?
Ausschließlich das Kriterium Qualität.

Was macht die Qualität eines Kaffees aus?
Das fängt bei den Rohbohnen an, bei ihnen gibt es große Unterschiede. Wir bewegen uns hier im Bereich Spezialitätenkaffees. Die werden mit Punkten bewertet. 100 ist die höchste Punktzahl und bei 80 Punkten starten die Spezialitätenkaffees. Alles, was darunterliegt, interessiert mich nicht.

Wonach schmeckt ein guter Kaffee?
Für mich gehört dazu ein angenehmer Kaffeekörper, egal ob er leicht, mittel oder stark ist. Er muss eine gute Struktur haben und darf nicht langweilig sein. Fruchtsäure bringt Lebendigkeit in den Kaffee. Ein Filterkaffee, der nur sehr mild ist und nussig-schokoladig schmeckt, wie der brasilianische Kaffee, ist für mich langweilig.

Wie finde ich als Laie heraus, ob ein Kaffee gut ist oder nicht?
Das geht nur, indem Sie probieren und vergleichen.

Welche Kaffees laufen bei Ihnen am besten?
Das sind die ganz klassischen Kaffeegeschmäcker aus Äthiopien, Guatemala, gefolgt von Kenia. Im Espressobereich sind es zwei eher kräftige Sorten, die eine ist nussig-schokoladig, die andere würzig – eben typisch italienisch.

Sie sind von einer Vielfalt an Kaffeearomen umgeben, freuen Sie sich noch selbst auf eine „gute“ Tasse Kaffee?
Unbedingt, wenn ich das nicht mehr tue, höre ich hier auf. Ich habe irgendwann erkannt: Das Leben ist zu kurz für schlechte oder durchschnittliche Sachen. Und ich folge, wenn es geht, ausschließlich dem, was mir Freude macht.

Was halten Sie von der „Coffee-to-go-Kultur“?
Nicht viel. Unabhängig davon, dass dabei eine riesige Menge Müll produziert wird, muss man, um eine gute Tasse Kaffee wirklich zu genießen, nicht herumlaufen, um die Aromen wahrnehmen zu können. Das ist wie Essen auf der Hand. Das ist für mich eine Unkultur. Kaffee ist nicht nur Kult, sondern für mich auch Kulturgut. Als die Kaffeehäuser entstanden sind, waren sie Orte der Begegnung, in denen man sich getroffen und bei einer Tasse Kaffee unterhalten hat.

Wann trinken Sie Ihre erste Tasse Kaffee?
Morgens zum Frühstück und über den Tag probiere ich hier unsere Röstungen zur Qualitätskontrolle. Abends trinke ich meistens noch einen Espresso. Ich trinke nicht übermäßig viel Kaffee, maximal vier bis sechs Tassen.

Was halten Sie von Trends wie kalt gefiltertem Kaffee?
Das finde ich sehr spannend und es macht Spaß, es zu machen. Kalt gefilterter Kaffee schmeckt sehr gut im Sommer, da er sehr erfrischend ist. Kaffee ist ein unheimlich kreatives Produkt, mit dem man sehr viel experimentieren kann. Und da gehört das kalte Aufbrühen definitiv dazu.

kaffeekontor bonn
kaffeekontor bonn

Pad- oder Kapselmaschinen – haben die für Sie ihre Daseinsberechtigung?
Nur bedingt. Für Menschen, die nicht viel Kaffee trinken, sind Pads sicherlich in Ordnung. Das kann eine Alternative zum Filterkaffee sein. Bei Kapseln sehe ich das nicht so. Durch sie wird sehr viel Müll produziert. Es gibt jetzt erste Kapseln aus Papier. Das ist ein guter Schritt. Die Pads finde ich ganz gut, wenn sie einen ordentlichen Kaffee beinhalten. Ich selbst lasse sie mit einem Blend von uns in kleinen Chargen herstellen, sodass ich immer frische Pads habe. Bei Pads ist das Müllthema nicht so kritisch. Die Maschinen für Pads sind auch deutlich preiswerter als ein Kaffeevollautomat. Außerdem sind Kaffeevollautomaten nach einer gewissen Zeit mit Schimmelsporen belastet, da innen immer eine feuchte Wärme herrscht.

Was muss ich beachten, wenn ich mir eine Tasse Kaffee aufbrühen möchte, die hinterher richtig gut schmecken soll – abgesehen vom guten Kaffee?
Eine schmackhafte Tasse Kaffee braucht eine gewisse Zeit der Zubereitung. Das sind etwa drei bis vier Minuten. Die Brühtemperatur beträgt ungefähr 93 Grad. Der Mahlgrad muss zur Zubereitungsmethode passen. Wenn ein Papierfilter verwendet wird, sollte er nicht chlorgebleicht sein. Sauerstoffgebleichtes Papier ist besser, da es geschmacksneutral und ohne chemische Rückstände ist. Das Papier sollte weiß und nicht braun sein. Das braune Papier sieht zwar nach Öko aus, ist aber eingefärbt. Diese Papiere sind in der Regel nicht geschmacksneutral.

Was ist mit den Kaffeefiltern, die man nur noch ausspülen muss?
Die finde ich super. Man hat noch alle ätherischen Öle als wichtige Geschmacksträger in der Tasse. Die fallen beim Filter aus Papier teilweise weg. Den runderen Geschmack erhält man immer, wenn man ohne Papier filtert.

Kaffee wird gerne gekauft, wenn es ihn zu Aktionspreisen gibt …
Stimmt, doch diesen Produkten fehlten oftmals Qualität und Frische. Bei den Aktionen erhält man meistens Kaffees, deren Haltbarkeitsdatum bevorsteht. Kaffee ist aber ein Frischeprodukt. Natürlich kann man auch älteren Kaffee trinken, er baut aber geschmacklich ab.

Vielen Kaffeebauern geht es trotz hohen Kaffeeverbrauchs nicht gut. Was kann man da als Verbraucher tun?
Man muss darauf achten, dass man Kaffee kauft, der mit den Bauern direkt gehandelt wird. Fairtrade reicht meiner Ansicht nach heute nicht mehr aus. Sonst würde es den Kaffeebauern, die im Fairtrade-System mitmachen, deutlich bessergehen. Fairtrade bedeutet nicht, dass die Kaffeebauern so gut bezahlt werden, dass sie besser leben können. Der Preis für Rohkaffee ist sehr gefallen. Transparenz und Vertrauen in alle Richtungen sind wichtig. Genauso wie der Verbraucher wissen sollte, wie viel der Kaffeebauer für seinen Kaffee erhält, so sollte auch der Kaffeebauer erfahren, wie viel seine Kaffees wirklich wert sind.

kaffeekontor bonn
kaffeekontor bonn

Haben Sie eine Lieblingskaffeesorte?
Nein, nicht wirklich. Ich mag gerne Kaffee aus Äthiopien, weil der sehr facettenreich ist. Für meinen Filterkaffee mag ich eher mittelkräftige Kaffees und wenn ich mal richtig Muße habe, Kaffee zu trinken, und vielleicht draußen in der Sonne sitze, dann trinke ich meistens einen Kaffee von den Galapagosinseln, der ist sehr schön samtig-schokoladig.

Was empfehlen Sie einem Kunden, der einen guten Kaffee kaufen möchte, aber nicht so genau weiß, welcher ihm schmecken könnte?
Wir fragen zunächst, wie er den Kaffee zubereitet. Dann kommt es natürlich auf den persönlichen Geschmack an. Wir orientieren uns oft an den Essgewohnheiten: Mag er es lieber schokoladig oder würzig-herzhaft? Wenn jemand gerne herzhaft frühstückt, passt kein schokoladiger Kaffee dazu, sondern eher ein etwas kräftiger herzhafter Kaffee. So tastet man sich heran. Dann geht es darum, ob der Kaffee etwas Fruchtsäure haben darf oder lieber weniger. Nach und nach kristallisiert sich eine kleine Auswahl an Kaffees heraus, in die die Kunden sich erst einmal hereinschmecken sollten. Denn – woher soll ein Kunde, der bislang nur Industriekaffee gewohnt ist, wissen, dass Kaffee auch völlig anders schmecken kann?

Sie haben, was das Kaffeekontor betrifft, neue Pläne …
Ja, wir suchen einen anderen Produktionsstandort, der von hier aus gut erreichbar ist und wo wir dann einen größeren Röster aufstellen. Außerdem gibt es demnächst Kaffee von uns in ausgewählten Supermärkten zu kaufen. Wir planen eine eigene Supermarktkollektion, die es dann hier nicht gibt. Der jetzige Laden bleibt aber natürlich erhalten, sodass die Kunden immer wissen, wo es guten Kaffee gibt. (Susanne Rothe)

kaffeekontor-bonn.com

Fotos: P. J. Rothe (3), Christiane Hattingen (6), pixabay.com

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