Julia Komp erkochte 2016 als damals jüngste Frau in Deutschland einen Michelinstern. 2019 war sie „Köchin des Jahres“. Danach ging sie für 14 Monate auf Reisen, durchquerte ganz Asien und arbeitete in Straßenküchen und Sternerestaurants. Zurück in Köln und nach einem gastronomischen Zwischenstopp machte sie sich Ende vergangenen Jahres mit ihrem Restaurant Sahila und der Mezze-Bar Yu*lia selbstständig.

Mittagszeit im Sahila. Außer der Chefin ist noch niemand da. Das Restaurant öffnet bis auf samstags immer erst abends. Die Tische sind schon eingedeckt. Mit eigens in Marokko hergestelltem Geschirr. Die Atmosphäre ist edel und zugleich gemütlich. Das ist neben vielen liebevoll ausgesuchten Dekorationsstücken einer ungewöhnlichen innenarchitektonischen Idee zu verdanken. Unter der Decke schweben große Körbe. Sie schlucken nicht nur den Schall, sondern sind handgefertigte Eyecatcher. „Zwei Frauen haben pro Tag einen Korb geflochten“, erklärt Julia Komp. Ihre Architekten-Freundin hatte in einem Restaurant in Asien etwas Ähnliches gesehen und ins Orientalische übertragen. Im Sahila erwartet die Gäste eine Weltreise des Genusses. Chakalaka aus Südafrika, Bibimbap aus Korea, Curry „Matar“ aus Indien und als Amuse Tomatenliebe aus Deutschland. Gleichwohl fremd- wie wohlklingende Namen, hinter denen sich Gerichte verstecken, deren Zubereitung Julia Komp auf ihrer persönlichen Weltreise kennengelernt hat und nun ihren eigenen Stempel aufdrückt. Spätestens alle sechs Wochen wechselt im Sahila die Karte – und die Gäste können auf eine neue kulinarische Weltreise gehen.

Julia Komp Restaurant Sahila
Restaurant Sahila in Köln
Julia Komp Restaurant Sahila Food
Julia Komp Restaurant Sahila Food

Du hast einen festen Platz in der Spitzengastronomie, hast aber noch eine andere Leidenschaft: Du reist gerne. Was treibt dich an, immer wieder die Koffer zu packen?
Ich brauche das. Ich kann meine freie Zeit nicht nur zu Hause verbringen. Ich muss immer wieder weg und etwas Neues sehen und Neues schmecken. Ich möchte andere Menschen und fremde Kulturen kennenlernen. Das fördert meine Kreativität, die, wenn ich wieder zurück bin, in meiner Küche in ein neues Gericht fließt.

Höhepunkt deines Fernwehs war die 14-monatige Weltreise vor zwei Jahren. Was hat dir am besten gefallen?
Auf jeden Fall der Oman, dort ist es einfach wunderschön. Neben blauem Meer und weißem Sand hat man riesige Berge und eine weite Wüste. Auf den Bergen findet man kleine Dörfer, die sich selbst mit Wasser versorgen müssen. Mitten in der Wüste stößt man plötzlich auf Oasen, wo es Frischwasser gibt und Orchideen blühen.

Hast du dir mit dieser Reise einen Traum erfüllt?
Ja, auf jeden Fall. Ich wäre gerne an vielen Orten geblieben. (lacht) Trotzdem bin ich wieder nach Hause gekommen. Dabei spielten Vernunftgründe eine Rolle. Ich hatte vor meiner Reise sehr viel in meine Arbeit investiert und das wäre, wenn ich nicht wiedergekommen wäre, umsonst gewesen. So bin ich wieder nach Köln zurückgekehrt und habe viele neue Ideen mitgebracht. Sinn der Reise war ja eigentlich, unterwegs viel zu lernen und den Geschmack nach Hause zu bringen.

Als du von Schloss Loersfeld weggegangen bist, musstest du deinen Stern zurücklassen. Fiel es dir schwer, dich von ihm zu verabschieden?
Ich bin ja nicht gegangen, um mir einen schönen Lenz zu machen, sondern um etwas Neues zu lernen und besser zu werden. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch nicht genug wusste, und habe die Reise auch aus diesem Grund gemacht. Ich habe überall, wo ich gewesen bin, in Küchen gearbeitet.

Wie hast du das vorbereitet? Du wirst ja wahrscheinlich nicht einfach angeklopft und gesagt haben „Hallo, ich bin die Julia …“.
Doch, genauso habe ich es gemacht. Bis auf Myanmar war ich in jedem asiatischen Land. In einigen Ländern kannte ich jemand, der mich weiterempfohlen hat. In Bangkok, das ja riesig ist, habe ich in drei verschiedenen Restaurants gearbeitet. Das erste Restaurant hat mir noch mein ehemaliger Chef vermittelt. Von da ab bin ich immer weitergeschickt worden. So unter dem Motto: „Geh mal da hin.“ Von Thailand bin ich nach Indonesien gereist. Ich habe dort viel gesehen und jede Menge Kochkurse gemacht. Ich war in der Tempelküche in Bali. Das war richtig toll. Dort hat mir dann jemand von einem besonders guten Restaurant in Malaysia erzählt. Und so ging es immer weiter. Das einzige Land, in dem ich keinen Job hatte, war Kambodscha. So verging das erste halbe Jahr als Praktikantin und die zweite Hälfte habe ich als Gastköchin verbracht.

„Ich hatte vor meiner Reise sehr viel in meine Arbeit investiert und das wäre, wenn ich nicht wiedergekommen wäre, umsonst gewesen.“

Wo ist der Unterschied?
Als Praktikantin machst du das, was die einheimischen Köche vorgeben, als Gastköchin kochst du dein eigenes Menü. In Indien war ich in fünf Städten jeweils für drei Tage. Nachts haben wir gefeiert, morgens hat mir das indische Team die jeweilige Stadt gezeigt und nachmittags und abends wurde gearbeitet.

Was hast du an Erfahrung und Know-how mit nach Hause genommen?
Ich war 14 Monate unterwegs und meistens alleine, da lernt man jede Menge. Mein Verständnis für die asiatische Küche ist noch einmal gewachsen. Ich war bereits vor meiner Reise streng, wenn es um die Differenzierung der einzelnen Küchen ging, aber jetzt bin ich noch klarer. Wenn japanisch gekocht wird, wird japanisch gekocht. Wenn es thailändisch ist, dann auch wirklich thailändisch. Mein Wissen ist sehr viel spezifischer geworden.

Du bist seit Ende vergangenen Jahres selbstständig und leitest mit dem Sahila dein eigenes Restaurant. War die Eröffnung mitten in Coronazeiten nicht ein großes Risiko?
Ich hatte geglaubt, dass Corona dann vorbei ist. Aber wir waren vom ersten Tag an ausgebucht. Die ersten Gäste, die kamen, kannten mich von früher. Von Schloss Loersfeld, vom La Poêle d’Or, von „Zur Tant“, vom Lokschuppen. Wir haben im Lokschuppen ein Jahr lang Gerichte zum Mitnehmen gekocht. Wir waren jeden Tag da, haben uns immer wieder etwas Neues einfallen lassen, haben mit den Gästen, wenn sie das Menü abgeholt haben, gesprochen. Wir haben einen krassen Aufwand betrieben, damit die Gäste unsere Gerichte zu Hause fertig zubereiten konnten. Diese Gäste sind mir treu geblieben. Wir sind für die kommenden Wochen komplett ausgebucht und haben eine Warteliste.

Julia Komp im Restaurant Sahila
Julia Komp

Welche Philosophie steckt hinter dem Sahila?
Im Sahila gehen die Gäste auf eine kulinarische Weltreise. Jedes Gericht innerhalb des Menüs ist einem anderen Land gewidmet und wird mit entsprechenden Zutaten zubereitet.

Neben dem Restaurant betreibst du gemeinsam mit deinem Partner die Mezze-Bar Yu*lia. Was ist eine Mezze-Bar?
Das ist das andere Konzept, das wir hier realisieren. Wir bieten verschiedene Mezze an, einmal quer durch den Orient. Mezze sind Vorspeisen, viele Kleinigkeiten, die wir auf großen goldenen Tabletts servieren und die man sich teilt. Mezze sind häufig vegetarisch, sehr gesund mit wenig Fett und wenig Öl. Man nimmt sich Zeit, sie zu genießen. Die Gäste können sich danach aussuchen, ob sie die Mezze als Menü wählen oder ein Tellergericht als Hauptspeise essen.

Was macht deine Küche aus?
Authentizität. Wir haben eine leichte, frische, fruchtige und authentische Küche. Bei uns wird so gekocht, dass jeder alles essen kann. Selbst wenn etwas scharf ist und ein Gast das nicht mag, so gibt es etwas dazu, beispielsweise eine Erbsencreme, mit der die Schärfe abgemildert wird. Es geht um die Zusammenstellung des Gerichts – ohne Verlust der Authentizität.

Julia Komp

„Wir haben eine leichte, frische, fruchtige und authentische Küche.“

Wie entwickelst du ein Gericht?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich sehe etwas oder höre von einem besonderen Produkt und überlege, was ich daraus machen könnte. Im Moment steht auf unserer Karte ein traditionelles tunesisches Gericht: Marka Lubia. Das ist vereinfacht ausgedrückt ein Gulasch. Also geschmortes Lamm oder Rind in einer Paprika-Tomaten-Soße mit weißen Bohnen, ein bisschen scharf abgeschmeckt und mit Olive und Salzzitrone. In Tunesien kommt es in einer großen Schüssel auf den Tisch und man nimmt sich ein Stückchen Brot, tunkt es in die Schüssel und isst. Das muss ich dann für unser Restaurant „schön machen“.

Hast du ein Lieblingsgericht?
Ich selbst esse gerne Gegrilltes. Fisch oder Fleisch. Und Tomatensalat. Im Übrigen stehen auf meiner Karte nur Gerichte, die ich selbst gerne esse.

Gewürze sind in deiner Küche sehr wichtig …
Wir arbeiten mit Gewürzen wie Sternanis, Kardamom, Nelke, Pfeffer und machen daraus coolere Geschmäcker. Wir haben „rohe“ Zutaten, die wir durch die Verarbeitung verändern. Beim Inder habe ich gelernt, es gibt Currys, die werden mit sehr viel Öl gemacht, dann kommen je nach Zubereitung karamellisierte Schalotten hinzu sowie getrocknete oder frittierte oder rohe Chilis hinein. Es ist immer Chili und trotzdem ist der Geschmack des Currys jedes Mal anders.

Jetzt bist du selbstständig, da ist es nicht mehr so einfach, für ein paar Wochen zu verreisen. Hast du genug von der Welt gesehen oder wie gehst du mit der Situation um?
Das ist schwierig, aber das habe ich mir ja selbst eingebrockt.

Du hast deinen Stern nicht weinenden Herzens zurückgelassen, sondern völlig gelassen. Strebst du einen neuen Stern an?
Ja. Es wäre schön, wenn das fürs nächste Jahr klappen würde, aber das kann man nicht planen. Wir arbeiten sehr hart dafür. Die Tester waren auch schon da, was wir durch einen Zufall gemerkt haben.

Wo siehst du dich in zehn Jahren?
Ich träume von einer einsamen Insel mit Strandbar, aber jetzt gebe ich erst einmal Vollgas.
(Susanne Rothe)

sahila-restaurant.de

Fotos (10): ©Julia Komp