Thomas Gilles ist Küchenchef im Restaurant „Clostermanns“ in Niederkassel und leitet gleichzeitig mit dem „Le Gourmet“ das einzige Sternerestaurant im Rhein-Sieg-Kreis. Auf der anderen Seite sind Bonn und Köln mit ihren Toprestaurants nicht weit entfernt. Thomas Gilles erzählt im Gespräch mit RHEINexklusiv, warum er noch nie gearbeitet hat, und erklärt, welche Rolle bei ihm die vermeintlichen Konkurrenten spielen.
Restaurant Clostermanns Hof Le Gourmet

Das Mittagsgeschäft im Restaurant „Clostermanns“ ist gerade gelaufen. In der Küche wird bereits alles für den Abend vorbereitet. Thomas Gilles ist Chef eines Teams aus 20 Köchen, die sowohl für das Essen im „Clostermanns“ zuständig sind, als auch für die Speisen des Sternerestaurants „Le Gourmet“. Dem jungen Sternekoch ist die Begeisterung für das, was er macht, anzusehen. Die Augen strahlen, während er uns stolz die Küche zeigt, die gerade vergrößert wurde. Mit seiner Mannschaft muss Gilles nicht nur zwei Restaurants bedienen, im Sommer kommt der Biergarten hinzu. Außerdem finden in „Clostermanns Hof“ zahlreiche Tagungen und Feiern wie Hochzeiten statt, die ebenfalls aus der Küche versorgt werden. Als Ausgleich zu den Stunden am Herd, schwingt sich Gilles, wenn er dann mal Freizeit hat, privat in den Rennradsattel und durchstreift den Rhein-Sieg-Kreis. Neben dem Kochen hat er eine zweite Leidenschaft: die Schweiz – die auch für hervorragende Produktqualität in der Küche bekannt ist.

„Wir sind eine Kombinationsküche, möchten aber eine klare Aromatik auf den Teller bringen.“

Sie sind im November 2018 vom Restaurantführer GaultMillau mit 16 Punkten belohnt worden, und haben Anfang 2019 vom Michelin-Führer einen Stern erhalten. Hat der Stern Ihr Leben verändert?
Er hat Auswirkungen auf das gesamte Team, denn er puscht uns sehr für unsere Arbeit. Auf mich als Mensch hat er zum Glück keine Auswirkungen. Ich bin immer noch der Thomas. Klar, ich werde jetzt häufiger angesprochen, gebe Interviews, bin in der Zeitung. Aber ich achte darauf, auf dem Boden zu bleiben. Das ist die Challenge.

Mit welchen Erwartungen sehen Sie den neuerlichen Bewertungen entgegen?
Wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir arbeiten daran, unsere Wurzeln zu stärken und die Leidenschaft am Leben zu halten. Unser Motor und unsere Inspirationsquelle sind die Gäste. Ganz egal, wie stressig und turbulent der Tag verlaufen ist, das Feedback der Gäste am Abend ist es, was für mich zählt und motiviert, am nächsten Tag wieder Gas zu geben. Das versuche ich auch an meine Jungs in der Küche weiterzugeben. Die sind es, die gemeinsam mit mir abliefern müssen. Wenn das nicht funktioniert, muss man auch nicht mehr über Sterne sprechen. Ich bin nicht der Macher, sondern es ist das ganze Team. Man darf auch die wirtschaftliche Seite nicht vergessen, die nur gewährleistet ist, wenn es den Gästen schmeckt. Nur wenn die Gäste zufrieden sind, kommen sie auch wieder.

Sie bewegen sich in der kleinen, aber feinen Spitze der Gastronomie. Kennen Sie die Kollegen, die zu einem großen Teil in Ihrem Alter sind?
Ja.

Sind sie Konkurrenten oder Freunde?
Die Gastronomie hat sich gewandelt. Sie ist lockerer geworden. Von daher geht man mit dem vermeintlichen Konkurrenten anders um. Wenn mein Restaurant voll ist, verweise ich auf ein anderes. Ziel ist es doch, den Gast zufriedenzustellen und nicht zu enttäuschen. Die Gäste freuen sich und bedanken sich für den Tipp. Die Spitzenköche – und das sind ja nicht gerade sehr viele – kennen sich und vertrauen einander. Jeder kocht seinen eigenen Stil, gemeinsam ist uns das Niveau, auf dem wir kochen. Da ist es nur natürlich, sich gegenseitig zu empfehlen. Unser gutes Verhältnis sieht man auch an den Küchenpartys, bei denen wir uns unterstützen. Wir haben alle ein ähnliches Ziel.

Polarsaibling von Thomas Gilles
Gebeizter Polarsaibling
Karotte // Knäckebrot // Verjus vom Kaiserstuhl // Sultaninen // Kamille
Eiskaffe von Thomas Gilles
Eis Kaffee
Kaffee von der Rösterei Ernst // rote Johannisbeeren // Palmzucker // Valrhona Biskélia
Kohlrabi von Thomas Gilles
Kohlrabi
Sonnenblumenkern // Uckendorfer Eigelb // Honig-Zwiebelsud // Petersielenöl

Sie haben einmal gesagt, Essen bei Ihnen sei keine große Oper. Wie meinten Sie das?
Ja, das habe ich vielleicht ein bißchen unglücklich ausgedrückt. Ich wollte lediglich eine Hemmschwelle nehmen und die Neugier auch bei einem jüngeren Publikum wecken. Unsere Gerichte sind schon etwas Besonderes, das Ambiente ist aber ungezwungen und modern. Der Service ist herzlich und nicht steif.

Steht dem der Restaurantname „Le Gourmet“ nicht entgegen?
Der Name schafft zunächst mal Distanz. Wir wissen das, haben ihn aber gelassen, weil er bekannt ist.

Ist in die Haute Cuisine eine neue Unbeschwertheit eingekehrt?
Ja, sicherlich. Das erkennt man schon an der Einrichtung der Restaurants. Viele sind modern, frisch und locker ausgestattet und haben noch nicht einmal mehr weiße Tischdecken. Man muss auch mal die Scheuklappen ausziehen und rechts und links schauen.

An welcher Stelle nehmen Sie die Scheuklappen weg?
Ich fordere von meinem Team, auf die individuellen Wünsche der Gäste einzugehen. Dem Gast wird die Freiheit gegeben, die Reihenfolge seines Menüs selbst zu bestimmen. Aus acht Gerichten kann er sein persönliches Wahlmenü zusammenstellen und die Anzahl der Gänge bestimmen. Bei der optionalen Weinbegleitung gibt es zu jedem Gericht einen korrespondierenden Wein.

Wie entsteht bei Ihnen ein neues Gericht?
Oft über das Produkt selbst. Ich begeistere mich für eins und arbeite damit. Aber erst einmal entsteht das Gericht im Kopf. Wenn man viel kocht, hat man viel gegessen und bekommt eine Vorstellung davon, wie was schmeckt und harmoniert. Wir sind eine Kombinationsküche, möchten aber eine klare Aromatik auf den Teller bringen. Man schmeckt bei uns die Karotte oder Kamille.

SCHNÖRKELLOS
KLAR UND
ÄSTHETISCH

Blumenkohl_Eigelb von Thomas Gilles
Blumenkohl & Eigelb
Eigelb 72 Grad // Blumenkohl // Champignon

Wie oft verändern Sie Ihre Karte?
Wir haben das Konzept, alle drei Wochen zwei Gerichte auf der Karte auszutauschen. So bieten wir immer etwas Neues, aber der Stammgast hat ebenfalls die Möglichkeit, das Gericht, was ihm so gut geschmeckt hat, noch einmal zu essen. Somit ist auch gewährleistet, dass wir nicht in Automatismen verfallen, die sehr leicht zu Fehlerquellen werden können. Eine neue Kreation bringt immer frischen Wind und fokussiert einen.

Wie beschreiben Sie Ihre Art zu kochen?
Es gibt bei uns eine schnörkellose Küche. Unsere Philosophie geht von einem klaren Tellerbild aus, das zwar ästhetisch ist, aber gleichzeitig einen Sinn hat. Ich lege nichts auf den Teller, was nur schön aussieht. Das Geschmacksbild darf nicht verfälscht werden. Der Gast soll außerdem erkennen, was er isst.

Kommen wir noch einmal auf Ihr Team zu sprechen.
Das spielt eine große Rolle. Ich habe einen super Partner, den André Siebertz, unser Executive Souschef. Insbesondere die Patisserie ist sein Steckenpferd, 2017 hat er zum Beispiel den 3. Platz beim „Patissier des Jahres“ belegt. Wir verstehen uns sehr gut, sind beide sehr leidenschaftlich und arbeiten mit großer Überzeugung. Das Restaurant bietet uns eine Bühne, auf der wir uns ausleben können. Aber das, was wir präsentieren, muss den Zuschauern, und das sind unsere Gäste, gefallen.

Was hat Sie bewegt, Koch zu werden?
Ich habe immer meiner Mutter oder der Oma beim Kochen geholfen und irgendwann gemerkt: Mir gefällt das. Es war in meiner Familie sehr wichtig, dass man vernünftig isst und zusammen an einem Tisch sitzt. Ich habe dann mit 15 Jahren mein erstes Praktikum gemacht und bin genauso begeistert herausgekommen, wie ich hineingegangen bin. Wichtig und ein großes Glück war es, dass meine Eltern immer hinter mir standen und mich machen ließen. 

Wie ging es nach dem Praktikum weiter?
Mein Traum war es, in Köln im Hotel Excelsior die Ausbildung zu machen. Sie haben mich aber nicht genommen, weil ich erst 17 und keine 18 Jahre alt war. Ich habe dann schließlich in Aachen im Quellenhof meine Lehre absolviert. Ich hatte großes Glück mit meinem Chef und habe dort super viel gelernt. Ich bin danach tatsächlich im Excelsior gelandet und habe dort sechs Jahre gearbeitet. Das war zwar hart, wir haben bis zu 14 Stunden gearbeitet, aber ich habe es geliebt. Danach bin ich in die Schweiz gewechselt – nach Gstaad zu Marcus G. Lindner.

Ihr Beruf gilt, wie Sie eben selbst angedeutet haben, als sehr hart, wie gehen Sie damit um?
Kochen ist mein Leben. Ich habe noch nie gearbeitet, denn mein Hobby ist mein Beruf. Ich koche richtig gerne und was man gerne macht, da schaut man nicht auf die Uhr. Bei den Mitarbeitern muss man die Uhr natürlich im Blick haben.

Sind Sie selbst ein Genussmensch oder kochen Sie um des Kochens willen?
Auf jeden Fall bin ich ein Genussmensch. Deswegen steht auf unserer Karte: „Wir freuen uns mit Ihnen den Genuss teilen zu dürfen.“ (Susanne Rothe) 

Teamfoto_Restaurant_Le_Gourmet
Kalbstatar
Kalbstatar
Topinambur // Aprikose süß-sauer // Estragonmayonnaise
Blaubeere_Schokolade
Blaubeere & Schokolade
Laugenknödel // Kakaobruch // Valrhona Tulakalum // Sherry PX „San Emilio“

clostermannshof.de

Fotos: Thomas Giller/Clostermanns Le Gourmet (9)