Rike Hecker ist Künstlerin. Sie malt, und dies großenteils in Dimensionen, die jedes normale Wohnzimmer sprengen würden. Hecker, die in Köln Kunst studiert hat, lebt und arbeitet, wird unter anderem von Industrieunternehmen und öffentlichen Einrichtungen beauftragt, ihre Wände zu „verschönern“. Die Malerin bewegt sich in der Tradition der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Sie „formt vorgefundenes Material zu einem künstlerischen Gegenstand“, beschreibt Dr. Rainer Budde, ehemaliger Direktor des Kölner Wallraf-Richartz-Museums, ihre Arbeit in einem Porträt. Wir haben mit Rike Hecker über ihre Arbeit und speziell die im XXL-Format gesprochen.

Seit wann beschäftigen Sie sich mit der Malerei?
Beinahe mein Leben lang. Mein erstes Bild habe ich mit 15 Jahren an einen Rechtsanwalt verkauft, da war ich allerdings von den großformatigen Bildern noch weit entfernt.

Wie sind Sie zur Kunst gekommen?
Ich bin durch meine Eltern zur Kunst gekommen. Meine Mutter hatte schon auf der ersten Photokina in Köln monochrome Weiß-in-Weiß-Fotos ausgestellt. Mein Vater war ebenfalls – nebenberuflich – von der Fotografie fasziniert und hat besonders als Bergsteiger weltweit viel unberührte Natur in Bildern festgehalten. Die Kunst liegt mir quasi im Blut.

Rike-Hecker_Fische-und-Schrift
Rike Hecker  arbeitet hier mit Acryl auf Faserzementplatten für den Außenbereich.

Was fasziniert Sie an der Malerei?
Ich bewege mich in der Tradition der Wiener Schule des Phantastischen Realismus. Das Faszinierende ist, dass man Welten schaffen kann, die in sich stimmig sind, und gleichzeitig etwas aus der Welt, in der wir leben, einbringen kann. Durch solche Bilder lassen sich die Emotionen der Menschen positiv beeinflussen. Die Malerei entwickelt eine eigene Kraft.

Welche Rolle spielt das in Bezug auf die Unternehmen, für die Sie arbeiten?
Das spielt eine große Rolle. Ich habe festgestellt, dass bei vielen Firmen ein Umdenken eingesetzt hat. Arbeit ist nicht alles. Es ist wichtig, dass sich die Mitarbeiter auch dabei wohlfühlen, denn nur dann sind und bleiben sie leistungsfähig. Wir verbringen oft mehr Zeit an unserem Arbeitsplatz als zu Hause. Daher soll der Arbeitsplatz so gestaltet sein, dass seine Atmosphäre Kraft und Motivation vermittelt.

Rike-Hecker_Skizze
Rike-Hecker_Grossformat_Bilder

Wie gehen Sie an ein neues Gemälde heran?
Zunächst geht es darum, die inhaltliche Ausrichtung festzuhalten. Wichtig ist natürlich auch, welche Flächen gestaltet werden sollen. Dann erstelle ich ein Konzept und die entsprechenden Entwürfe. Für die Gemälde selbst verwende ich als Träger Aluminium, das tiefengrundiert, dann mit Acrylfarbe bemalt und schließlich versiegelt wird. Das ist wetterbeständig und hält ewig.

Welche Themen stellen Sie dar?
Das kommt natürlich ganz auf die Unternehmen an. Vielfach stehen die Menschen im Mittelpunkt. Es geht aber auch um einzelne Produktionsschritte, die abstrakt umgesetzt werden sollen, oder die Wertschöpfungskette wird dargestellt.

Gemälde in Privatsammlung, Acryl auf Aluminium, 2015

Gemälde in Privatsammlung, Acryl auf Aluminium, 2015

Wie viel Recherche steckt dahinter?
Das beansprucht einen großen Teil meiner Arbeit. Ich muss mich schon tief in das jeweilige Unternehmen, seine Entstehung und Entwicklung einarbeiten. Ich denke bei meinen Bildern zukunftsorientiert, denn die Bilder hängt man nicht mal eben ab oder tauscht sie aus. Die Unternehmen müssen sich über viele Jahre mit ihnen identifizieren können. Nehmen Sie zum Beispiel ein modernes Graffiti. Das zeigt die Bildsprache von heute, aber wie sieht es in zehn Jahren damit aus? Meine Bildsprache muss zeitlos sein und in einigen Jahren noch verstanden werden.

Große Formate stellen sicherlich eine besondere Herausforderung dar …
Genau, denn bei den großen Formaten muss auch die Logistik stimmen. Ich male zum Teil Bilder, die sind 40 x 6 Meter groß. Dabei wende ich die alte, klassische und schon von Michelangelo verwendete Technik an und arbeite als Entwurf die Raster im Maßstab vor. Das kann man 1:1 umsetzen. Ich nehme also das Bild auseinander und bemale einzelne Platten, die dann zusammengesetzt werden. Das ist jedes Mal sehr spannend, denn nicht nur die Anschlüsse müssen ja stimmen, auch die Perspektiven. Ich lege beispielsweise im Entwurf schon fest, auf welcher Höhe der Horizont beginnt usw. Der kreative Prozess findet also vor
allem während des Entwurfs statt. Den mache ich häufig auf Leinwand, sodass der Kunde genau sieht, was er bekommt. 

Für Ihr aktuelles Projekt arbeiten Sie in St. Agatha, einem Kölner Krankenhaus.
Ja, dort male ich jedoch nicht nur auf Aluminium, sondern auch direkt auf die Wandtapete im Eingangsbereich. Bereits vor 20 Jahren habe ich dort eine Station künstlerisch gestaltet.

Öl und Acryl auf Leinwand, Ausstellung PWC Köln, 2015

Öl und Acryl auf Leinwand, Ausstellung PWC Köln, 2015

Was drücken Sie mit Ihren eigenen Gemälden aus, also den nicht in Auftrag gegebenen Bildern?
In meinen frühen Bildern steht der Mensch im Fokus. Ich komme ja vom Phantastischen Realismus, heute möchte ich die Realität fantastisch machen. Hinter meinen Arbeiten steckt der Ansatz, dass alle kleinen Elemente ein Ganzes bilden. Das sieht man schon an meinen frühen Tuschezeichnungen. Alles hängt mit allem zusammen: Dieser Gedanke zieht sich durch meine sämtlichen Arbeiten.

Hat sich Ihre Kunst im Laufe der Jahre verändert?
Obwohl ich immer noch eher figurativ male, finden sich jetzt doch auch abstraktere Formen in meinen Bildern. Ich bin im Ausdruck freier geworden.

Was hat ein gemaltes Bild Ihrer Meinung nach, was andere Bildträger nicht haben?
In erster Linie die Lebendigkeit der Farben. Ein Gemälde lebt. Wir haben zum Beispiel bei den Industriegemälden überlegt, einige als Druck aufzuhängen, aber das sah aus, als ob es Werbung wäre. Ein Gemälde hat Substanz. Das erkennt man schon aus der Ferne.

Was halten Sie von dem Ausdruck „brotlose Kunst“?
Dazu fällt mir zuerst ein: Man lebt von Luft und Liebe. Joseph Beuys, der den berühmten Satz gesagt hat: „Alles ist Kunst“, hat es uns damit nicht unbedingt leichter gemacht. Er hat das natürlich philosophisch gemeint, doch viele begreifen es heute anders. Im Übrigen bestimmt der Handel die Werteentwicklung eines Kunstobjektes. Wenn man dies umgehen möchte, muss man sich selbst vermarkten. Es ist also sehr schwierig, von der Kunst zu leben. Meiner Erfahrung nach, muss man als Künstler breit aufgestellt und flexibel sein.

Was sind Ihre nächsten Projekte?
Das ist die künstlerische Gestaltung in einer Kinderklinik. Einige Projekte in der Industrie befinden sich in der Entwicklungsphase. Und dann stehen noch zwei Ausstellungen an und ich arbeite an einem Malbuch für Erwachsene.

Wenn Sie nicht Malerin geworden wären, was hätten Sie dann gemacht?
Dazu gab es nie eine Alternative. Malen ist meine Leidenschaft. (Susanne Rothe) 

Fotos: Rike Hecker (6)

rikehecker.com