Sie ist die Sängerin mit der glasklaren Stimme und er der Mann mit dem Hut. Gemeinsam sind sie Mrs. Greenbird und seit Jahren fester Bestandteil der kleinen, aber feinen deutschen Country-Folk-Pop-Szene. Wir haben Sarah Nücken und Steffen Brückner in Köln getroffen.
Mrs. Greenbird Duo aus Köln Country-Folk-Pop

Sarah Nücken und Steffen Brückner sind Mrs. Greenbird.

Es war winterlich kalt am Bahnhof West, wo wir uns mit Sarah und Steffen verabredet hatten. Wir waren eigens aus Bonn „angereist“, die beiden kamen aus Nippes. Warum trafen wir uns dann eigentlich in Ehrenfeld? Darauf hatte niemand von uns eine Antwort. Hätten wir besser einmal im Vorfeld darüber sprechen sollen … Egal, was bei der Terminabsprache fehlte, stellte sich bei einer Tasse Kaffee im Café am Rand des Stadtgartens als völlig unproblematisch heraus. Sarah und Steffen erzählten ganz entspannt und offen von ihrem Weg in die musikalische Unabhängigkeit, der nicht einfach, aber für sie nicht mehr diskutierbar ist. 2012 gewannen die frühere Sozialpädagogin und der ehemalige Mediendienstleister die dritte Staffel der deutschen Gesangs-Castingshow X Factor. Ihr erstes Album „Mrs. Greenbird“ kam direkt auf Platz eins der deutschen Albumcharts. Das dritte Album des Duos „Dark Waters“ erscheint in Kürze.

Wie kamt ihr zu eurem Bandnamen?
Sarah: Wir hatten zu Beginn keinen wirklichen Namen und sind als „Sarah&Steffen“ aufgetreten. Eines Abends haben wir dann vor unserer Wohnungstüre einen kleinen grünen Alexander-Sittich gefunden, der im Sterben lag. Wir haben uns zu ihm gesetzt und ihn bis zum Schluss nicht mehr alleine gelassen. Der kleine Vogel hat uns zugeflüstert, dass wir nicht aufhören sollen, Musik zu machen, bis dass auch das letzte Ohr auf dieser Erde unsere Musik vernommen hat. Das haben wir ihm versprochen und das versuchen wir jetzt fleißig als Mrs. Greenbird. (lacht)

Das ist eine schön traurige Geschichte. Und wo habt ihr euch kennengelernt?
Steffen: Wir haben uns im ehemaligen Musik- und Tanzlokal Underground kennengelernt, das leider mittlerweile abgerissen wurde. Sarah sprach mich dort auf der Tanzfläche an und sagte: „Hey, ich kenne dich, ich habe dich irgendwo mal Gitarre spielen gehört.“ Das war’s.

Seit wann gibt es euch auch als musikalisches Duo?
Sarah: Wir machen Musik zusammen, seitdem wir uns kennen. Jetzt seit mehr als zwölf Jahren. Die Band gibt es seit 2010.

Wie definiert ihr eure Musik?
Sarah: Wir haben ein ganz langes, kompaktes und griffiges Wort entwickelt: singersongwritercountryfolkpop.

Sarah Nücken und Steffen Brückner sind Mrs. Greenbird.

Was steckt dahinter?
Steffen: Der Name ist Programm. Unsere Musik ist stark von amerikanischer Folk- und Countrymusik beeinflusst. Das, was man als Americana zusammenfasst. Hinzu kommen kleine Einflüsse aus allen möglichen anderen Richtungen. Dieses Wort ist also eine pragmatische Zusammenfassung dessen, was wir machen.

Worin besteht für dich denn der Unterschied zwischen deutscher und amerikanischer Musikkultur?
Steffen: Die Deutschen haben eine Entweder-oder-Mentalität. In Amerika ist das anders. Dort existiert alles Seite an Seite und ist sogar miteinander verwoben. Bei uns gibt es Volksmusik, volkstümliche Musik, Schlager und Popmusik. Die verschiedenen Genres sind streng voneinander getrennt. In Amerika werden bei den Grammys regelmäßig auch unbekannte Musiker ausgezeichnet. Der bei uns einzig relevante Musikpreis orientierte sich jedoch an Verkaufszahlen.

Ihr habt einen vollen Terminkalender, wann findet ihr noch Zeit, um eigene Songs zu schreiben?
Sarah: Das ist gar nicht so leicht. Wir setzen uns mittlerweile feste Termine, an denen wir gezielt an Songs arbeiten.
Steffen: Das ist auch gut so, denn sonst kommt man zu nichts.

Woher nehmt ihr eure Themen?
Sarah: Meistens höre ich beim Schreiben ganz unterschiedliche Musik und fange dabei an zu träumen. Dabei kommen mir dann Ideen. Manchmal höre ich nur ein Wort und verknüpfe damit eine Geschichte.
Steffen: Die Themen stecken in einem drin. Man sammelt ja jeden Tag neue Eindrücke, Dinge beschäftigen einen, die Lebenssituation ändert sich – da hat man genug Material, aus dem man Musik machen kann. Es fehlt dann nur noch der Triggerpunkt und ein Song beginnt sich langsam zu entwickeln. Inspiration muss immer da sein und dann muss man aber daran arbeiten, dass ein guter Song entsteht und später eventuell ein Album daraus wird. Alben verlieren jedoch immer mehr an Bedeutung, weil so viele Einzelsongs konsumiert werden. Auf der anderen Seite ist ein Album immer ein schönes Zeichen, an dem man viel ablesen kann. Unser letztes Album beispielsweise war sehr positiv und hatte das Oberthema „Ermutigung“. Die Songs waren fröhlich und wir hatten damals eine sehr gute Zeit. Das hat sich auf die Auswahl der Themen niedergeschlagen.

„Einfach nur Gitarre und Gesang. Es war sehr cool in Nashville.“

Wie klingt euer neues Album?
Steffen: Das ist etwas ernster und von der Grundstimmung zurückgenommener. Es haben uns viele ernste Themen bewegt. Wir haben mutige Schritte gewagt, indem wir gesagt haben: „Wir emanzipieren uns von der Industrie, gründen unser eigenes Label und suchen neue Partner.“ Das gesellschaftliche und politische Klima berührte uns ebenfalls sehr. Das fließt zwar nicht direkt als Thema, aber als Stimmung in unsere Songs ein. Als Leitfaden für unser neues Album würde ich die Themen „Veränderungen“ und „der Sprung ins Ungewisse“ nennen.
Sarah: Mit dem neuen Album werfen wir zum einen einen Blick zurück, aber es findet sich auch ein Push nach vorne wieder. Es gibt ganz konkrete Themen, aber auch Songs, die man in jede Richtung interpretieren kann. Ich finde es blöd, wenn man dem Hörer immer einen Weg vorgibt, er soll stattdessen sein eigenes Ding darin wiederfinden.

„Dark Waters“ – das dritte Album von Mrs. Greenbird

„Dark Waters“ – das dritte Album von Mrs. Greenbird

Warum „der Sprung ins Ungewisse“?
Steffen: Es gibt vieles, was man nicht beeinflussen kann. Wenn man die bekannten und ausgetretenen Pfade verlässt, bewegt man sich ja immer in einem etwas unwägbaren Rahmen. Man trifft eine Entscheidung, glaubt, dass es die richtige ist, weiß aber nicht, was dabei herauskommt. Dies trifft auf unseren künstlerischen Weg zu. Wir haben musikalisch neue Sachen ausprobiert. Wir haben bei diesem Album viel weniger mit einer Band gearbeitet und haben uns die Zeit genommen, zu experimentieren.
Sarah: Den instrumentalen Kern unserer Songs bilden wir als Duo. Darum herum haben wir andere Dinge positioniert. Aber alles ist von uns gekommen – selbstgemacht.
Steffen: Man könnte es als rudimentär experimentell bezeichnen.

Warum habt ihr euch von der Plattenfirma gelöst?
Steffen: Früher glaubte man, es geschafft zu haben, wenn man einen Plattenvertrag hatte, aber welche Kompromisse und Einschränkungen daran hängen, darüber machen sich die meisten gar keine Gedanken. Die Plattenfirma muss schließlich auch Geld verdienen und möchte daher auf das Produkt, Einfluss nehmen. Darunter leidet die künstlerische Freiheit. Daher haben wir uns Gedanken darüber gemacht, welche Möglichkeiten sich abseits der bekannten Wege bieten.

Was hat X Faktor für euch bedeutet?
Sarah: Ohne X Faktor würden wir wahrscheinlich nicht von unserer Musik leben. Das hat uns schon sehr gepuscht und es war eine sehr schöne Zeit. Ohne die Show wären wir nicht da, wo wir jetzt sind.
Steffen: Uns sind dadurch Möglichkeiten eröffnet worden, die sich uns sonst nicht so leicht geboten hätten. Das war schon sehr wertvoll.

Was ist an der Geschichte dran, ihr hättet in euren Anfängen Konzerte in Waschsalons gegeben?
Steffen: Ja, haben wir. Das war ein Projekt, das wir zusammen mit Freunden gemacht haben. Es hieß: „Mangelware – Musik im Schleudergang“. Die Leute, die dort auf ihre Wäsche warteten, hatten keine Wahl, sie mussten zuhören. Es war Straßenmusik im Warmen.

Euer zweites Album habt ihr in der Musikstadt Nashville aufgenommen, war das ein Traum von euch?
Steffen: Jein.
Sarah: Für mich schon. Ich habe einmal eine Dokumentation über die Stadt gesehen und ich mochte schon immer diese ganz alte und rudimentäre Musik. Einfach nur Gitarre und Gesang. Es war sehr cool in Nashville.
Steffen: Mir war Nashville zu sehr ein Hype. Obwohl die Historie dieser Musik auch mich sehr fasziniert und uns beeinflusst. Als wir dann dort waren, fand ich es gut, dass wir es gemacht haben. Wir fühlten uns sofort als Teil der Musikszene und waren akzeptiert.

Vergangenes Jahr wart ihr sogar Support von Clare Bowen, Star aus der Serie „Nashville“.
Steffen: Das haben wir auch den Kontakten zu verdanken, die wir in Nashville geknüpft haben.

Habt ihr denn auch die Serie geschaut?
Sarah & Steffen (lachend): Natürlich.
Sarah: Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Niemand verlässt, ohne geschwitzt zu haben, die Bühne oder schreibt in nur zehn Minuten einen Song. Im Bluebird Café (Anm. d. Red.: Musikclub, der 1982 eröffnet wurde und in der Serie eine Rolle spielt) haben wir im Übrigen ein Konzert gespielt.

Mrs. Greenbird Duo aus Köln Country-Folk-Pop

Was ist euer musikalisches Ziel?
Sarah: Mein Ziel ist es, dass wir von unserer Musik entspannt leben können und dass wir es uns leisten können, Aufgaben an andere abzugeben. Im Moment machen wir noch sehr viel selbst. Wir schreiben, wir produzieren und wir vermarkten und managen uns selbst. Wir sind dabei, uns ein Team aufzubauen. Mein größter Traum wäre es, in Nashville bei der Grand Ole Opry (Anm. d. Red.: Die Radioshow überträgt seit 1925 jede Woche aus Nashville Country-Musikkonzerte. Die Show hat Kultstatus.) aufzutreten und ein paar Songs zu spielen.
Steffen: Wir haben in den vergangenen Jahren festgestellt, dass es uns wichtig ist, musikalisch unabhängig zu sein. Es soll uns niemand in unsere Musik hineinreden und wir möchten sie keinen Interessen unterordnen. Das ist sehr schwierig, denn je unabhängiger man ist, desto schwieriger ist es, davon zu leben. Aber nur das erfüllt uns. Wenn wir dieses Ziel nicht aus den Augen verlieren, ist der Rest eigentlich egal, dann sind wir auf einem guten Weg.

Wie sehen eure Pläne für die nächsten Monate aus?
Sarah: Nach Erscheinen des Albums am 12. April gehen wir auf Deutschland-Tour. Im Oktober gibt es dann eine zweite Tour in die Städte, die wir bei der ersten nicht geschafft haben. Im Sommer spielen wir auf diversen Konzerten und Festivals – sogar in Russland.

www.mrsgreenbird.com

(Susanne Rothe) 

Fotos: Manuela Zander/Mrs. Greenbird (3), P. M. J. Rothe