Der Dom scheint zeitlos. 632 Jahre und zwei Monate wurden an ihm gebaut, bis er schließlich 1880 fertiggestellt war. Die lange Bauzeit gilt als rekordverdächtig. Die Kathedrale im Herzen von Köln hat Geschichte erlebt, Kriege überlebt und ist Inspirationsquelle für Schriftsteller und Dichter – nicht zuletzt ist das Bauwerk imposanter Freund der Kölnerinnen und Kölner und Magnet für Menschen aus aller Welt. Freud und Leid spielten sich zu Füßen des Doms ab. Nichts hat das gotische Bauwerk nachhaltig erschüttert. Anders der Zahn der Zeit. Dieser hat über die Jahrhunderte hinweg am Dom genagt. Wetter, Taubendreck, Abgase, unterschiedliche Steinsorten, die nicht miteinander kompatibel sind, und sogar jede Menge Kaugummi hinterlassen ihre Spuren. Auch der Zweite Weltkrieg hat Wunden in das alte Gemäuer geschlagen. Um die Spurenbeseitigung und den Erhalt des Kölner Wahrzeichens sorgt sich die Dombauhütte mit 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Tag für Tag. Dabei denken sie in zeitlichen Dimensionen, die nur schwer zu begreifen sind. An der Spitze der Dombauhütte steht der Dombaumeister. Seit 2016 ist das Peter Füssenich. Der gebürtige Bonner und ehemalige stellvertretende Dombaumeister hat schon vor Jahren sein Herz an den Kölner Dom verloren.
Dombaumeister

Köln, Dom, Gerüstabbau des Hängegerüstsam Nordturm am 22.07.2013
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Wie spricht man Sie offiziell an: Herr Dombaumeister, Meister Füssenich oder schlicht Herr Füssenich?
(lacht) Ich habe mit dem Amt meinen Nachnamen nicht abgelegt, daher höre ich immer noch auf Herr Füssenich. Das ist völlig ausreichend. Wenn man die Amtsbezeichnung wählt, dann wäre es Herr Dombaumeister. Es geht beides.

Sie hatten gerade Urlaub. Was ist es für ein Gefühl, wenn Sie danach das erste Mal den Dom wiedersehen?
Da geht es mir nicht viel anders als vielen anderen Kölnerinnen und Kölnern: Wenn man den Dom wiedersieht, fühlt man sich zu Hause. Der Dom symbolisiert ein Stück Heimat und da ticke ich nicht anders als andere Menschen.

Sie sind Bonner, leben aber in Köln …
Ja, ich feiere dieses Jahr sogar Jubiläum. Ich bin jetzt seit 25 Jahren in Köln. Ich wurde in Bonn geboren, bin im Collegium Josephinum zur Schule gegangen, habe aber in Köln Architektur und Denkmalpflege studiert.

Wie wird man dann Dombaumeister?
Indem man sich ganz einfach bewirbt. Bei mir spielte vielleicht eine Rolle, dass ich schon lange mein Herz an den Dom verloren hatte. Ich habe meine Abschlussarbeit im Bereich Denkmalpflege über die Kölner Domplombe geschrieben, um die es eine große Diskussion gab, ob man diesen Kriegstreffer beseitigen darf oder nicht. Die Frage war: Ist es ein Mahnmal oder muss der Dom perfekt wiederhergestellt werden?

Dombaumeister Peter Füssenich im Gespräch

Köln, Dombaumeister Peter Füssenich
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Dombaumeister

Köln, Dombauhütte, Glasrestaurierungswerkstatt, Einfassung der Glasstücke mit Bleiruten
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

War der Dom Ihr berufliches Ziel?
Wenn Sie meine ehemaligen Kommilitonen fragen, dann würden diese sagen: „Das war ja klar, dass du mal am Dom landest.“ Ich selbst hätte es nie gewagt, auch nur davon zu träumen. Es ist ein großes Geschenk, als Architekt und Denkmalpfleger für ein solches Bauwerk und eine Welterbestätte zu arbeiten. Das ist etwas Besonderes.

Architekten bauen in der Regel ein Haus und stehen am Ende vor dem Ergebnis ihrer Bemühungen. Die Arbeit am Kölner Dom ist jedoch ein Generationenprojekt. Was bedeutet es für Sie, nie fertig zu werden?
Normalerweise arbeitet ein Architekt immer projektbezogen. Es gibt einen Anfang und ein Ende. Das Haus ist gebaut und dann kommt das nächste. Der Dom ist eine ewige Baustelle – und muss es auch sein. Fast jeder kennt den Spruch: „Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter.“ (schmunzelt) Dafür möchten wir als Dombauhütte natürlich nicht verantwortlich sein. Ein Bauwerk wie der Kölner Dom ist, wie Sie schon gesagt haben, ein Generationenwerk, an dem ständig gearbeitet werden muss. Wenn man in der Dombauhütte anfängt, weiß man, dass man nur ein kleines Stück eines großen Ganzen schafft. Das muss man akzeptieren. Aber es ist auch toll, Teil eines Generationswerkes zu sein, ein kleines Stück daran zu arbeiten und dann den Staffelstab weiterzugeben. Das macht sehr bescheiden. Wir vertrauen darauf, dass die nächste Generation unsere Arbeit fortsetzt. So wie es die Menschen, die die ersten Steine am Dom gesetzt haben, auch schon taten.

Damit setzen Sie gleichzeitig ein Zeichen von gesellschaftlicher Relevanz …
Natürlich. Der Dom ist ein Symbol dafür, dass man gemeinsam etwas schaffen kann. Dabei muss man allerdings über sich selbst hinausdenken. Dies gilt für fast alle gesellschaftlichen Themen wie zum Beispiel auch den Klimaschutz. Wenn man nur egoistisch denkt, könnte man sagen: Was interessiert uns das?

Welche Voraussetzungen muss man mitbringen, um für das Amt des Dombaumeisters geeignet zu sein?
Heutzutage sind es meistens Architekten, die solche Ämter innehaben. Früher waren es Steinmetzen, denn im Mittelalter ging es in erster Linie darum, den Dom zu konstruieren und zu errichten. Heute dreht sich alles um die Erhaltung des Bauwerkes. Damit ist sehr viel Forschungsarbeit verbunden, denn es geht darum, die Originalsubstanz zu erhalten. Naturwissenschaftliche Untersuchungen und moderne Restaurierungsmethoden spielen daher eine zentrale Rolle für den Erhalt eines historischen Bauwerks.

Aber viele Arbeiten am Dom sind handwerklicher Art.
Natürlich. Das Handwerk bleibt immer wichtig. Deshalb gibt es die Dombauhütte. Dom und Dombauhütte sind so eng miteinander verbunden, dass man sie gar nicht getrennt voneinander denken kann. Ohne die Dombauhütte würde ein Werk wie der Dom nicht erhalten werden können. Wir bilden die Fachkräfte selbst aus und vermitteln das spezielle fachliche Wissen und die besonderen Fähigkeiten an die nächste Generation.

Welche Gewerke sind in der Dombauhütte vertreten?
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten als Steinmetze. Dann haben wir Bildhauer, Steinrestauratoren sowie Versetzsteinmetze, die die Steine, die bearbeitet wurden, am Dom wieder einbauen. Wir haben eine große Glasrestaurierungswerkstatt. Der Dom hat über 10.000 Quadratmeter Glasflächen. Da hängen sehr viele Berufe daran: Kunstglaser, Glasmaler, Restauratoren. Der Dom hat 456 Türen. Die hat einer unserer Mitarbeiter einmal gezählt. Da lohnt sich auch eine eigene Schreinerwerkstatt. In der Kölner Dombauhütte brennt das einzige Schmiedefeuer, das es noch in der Innenstadt gibt. Einzelne Werkstätten haben wir sogar im Dach des Domes untergebracht. In 45 Metern Höhe befindet sich die Werkstatt der Gerüstbauer und die der Dachdecker. Das heißt, jeder Raum am Dom wird genutzt.

Dombaumeister

Köln, Dom, Langhaus, Sicherungs- und Kontrollmassnahmen an den Fenstern im Innenraum durch Mitarbeiter der Glasrestaurierungswerkstatt
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Köln, Dom, Langhaus, Sicherungs- und Kontrollmassnahmen an den Fenstern im Innenraum durch Mitarbeiter der Glasrestaurierungswerkstatt © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Köln, Dom, Langhaus, Sicherungs- und Kontrollmassnahmen an den Fenstern im Innenraum durch Mitarbeiter der Glasrestaurierungswerkstatt
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Es gibt im Zusammenhang mit Ihnen die Headline „schwindelfrei und katholisch“. Muss man diese Eigenschaften als Dombaumeister mitbringen?
Beides ist absolut sinnvoll. Katholisch, weil es sich um ein katholisches Gotteshaus handelt. Auch als Dombaumeister sollte man sich in Fragen der Liturgie auskennen. Schwindelfrei ist ebenfalls von Vorteil, da man sich manchmal in den höchsten Höhen bewegen muss. Vor fünf Jahren war ich das erste Mal auf der Spitze des Kölner Doms, in 157 Metern Höhe. Ich begleitete damals den Dompropst, der anlässlich seiner Amtseinführung als ehemaliger Bergsteiger unbedingt einmal hochwollte. Das war für uns beide ein großartiges Erlebnis und für mich der Nachweis, dass ich schwindelfrei bin. Es war unwahrscheinlich schön, den Dom von der Spitze aus zu sehen und zu seinen „Füßen“ die ganze Stadt.

Sie beheimaten hier auch das Dombauarchiv.
Das Dombauarchiv ist eine sehr wichtige Abteilung der Dombauhütte. Wir hüten dort alle Schätze des Kölner Doms, die dazu da sind, den Dom zu erforschen und zu erhalten. Unser Dombauarchiv ist ein Präsenzarchiv. Wir hüten dort noch originale mittelalterliche Pläne vom Kölner Dom. Wir bewahren außerdem rund 20.000 Pläne aus dem 19. Jahrhundert, die zur Fertigstellung des Doms angefertigt worden waren. Mit all diesen Plänen arbeiten wir, um den Dom zu erhalten.
Deswegen muss das Archiv hier vor Ort sein – am Dom.

Köln, Dom, Nordturm, Hängegerüst, Gesamtansicht © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Köln, Dom, Nordturm, Hängegerüst, Gesamtansicht
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Köln, Dom, Michaelportal, Ergänzungen an einem Baldachin © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Köln, Dom, Michaelportal, Ergänzungen an einem Baldachin
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Dombaumeister

Köln, Dombauhütte, Arbeiten am oberen Teil eines Turmengels, der im Mai 2020 im Nordturm versetzt worden ist
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Das Archiv soll neugebaut werden …
Wir planen die sogenannte historische Mitte. Ein Projekt, das die Hohe Domkirche zusammen mit der Stadt Köln betreibt. Nach dem Abriss des heutigen Kurienhauses, in dem wir uns gerade befinden, sowie des Verwaltungsgebäudes des Römisch-Germanischen-Museums ist die Errichtung eines Gebäudeensembles für das Kurienhaus der Hohen Domkirche (Archiv, Bibliothek, Rendantur), das Kölnische Stadtmuseum sowie das Verwaltungsgebäude des Römisch-Germanischen-Museums vorgesehen. Wir verzahnen uns mit den Institutionen der Stadt Köln, weil wir uns davon Synergien versprechen. Denn alle drei Institutionen haben ähnliche Themen. Das Römisch-Germanische-Museum ist für die Erforschung des römischen Kölns zuständig, das Stadtmuseum für den Zeitraum nach der Römerzeit bis heute und die Dombaugeschichte ist mit beiden Institutionen verbunden.

Was reizt Sie an Ihrem Amt?
Die Arbeit ist sehr komplex. Es ist für mich ein großes Geschenk, so vielen interessanten Menschen zu begegnen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Für mich ist das eine enorme Bereicherung.

Dombaumeister am Kölner Dom zu sein, ist nicht irgendein Job, sondern einer mit einer sehr langen Tradition, der als Hüter des Kölner Wahrzeichens Aufmerksamkeit zieht. Hat sich seit Ihrem Antritt 2016 Ihr Leben verändert?
Ich habe festgestellt, dass ich hin und wieder in der Stadt erkannt werde. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen. Der Dombaumeister ist in Köln eine Art Stadtfigur und er steht dafür, dass das Wahrzeichen bewahrt bleibt. Hausherr ist das Domkapitel. Ich jedoch habe, unterstützt von allen Mitarbeitern der Dombauhütte, die bauliche Verantwortung für den Erhalt des Doms. Wir sind außerdem dafür zuständig, dass niemandem ein „Steinchen“ auf den Kopf fällt.

Was war bislang Ihre größte Herausforderung und hält der Dom für Sie noch Überraschungen bereit?
(lacht) Das hoffe ich doch. Eine der großen Herausforderungen war gleich zu Beginn meiner Zeit hier am Kölner Dom. 2013 wurde das große Gerüst am Nordturm abgenommen. Damals stand ein großer Kran am Dom, der höher war als der Dom selbst. Es war ein logistischer Irrsinn, das alles vorzubereiten. Das steht uns im kommenden Jahr wieder bevor. Die Arbeiten an der Nordwestecke des Nordturms sind beendet und jetzt beginnen wir mit dem Ausdünnen des Gerüsts. Dann wird nächstes Jahr wieder ein großer Kran hier stehen, um den Rest des Gerüsts abzunehmen.

Köln, Dombauhütte, Arbeiten an einer Figur für das Michaelportal in der Bildhauerwerkstatt © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Köln, Dombauhütte, Arbeiten an einer Figur für das Michaelportal in der Bildhauerwerkstatt
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Köln, Dombauhütte, Antragungen an Figuren des Tympanonfeldes des Michaelportals © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Köln, Dombauhütte, Antragungen an Figuren des Tympanonfeldes des Michaelportals
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Warum der Aufwand mit dem Kran?
Der Einsatz eines Krans ist für uns eine große Zeitersparnis. Es würde zwei Jahre dauern, das Gerüst komplett von Hand abzubauen. Wir haben sechs Gerüstbauer und die dürfen in der Höhe nur bei bestem Wetter arbeiten. Und das sind natürlich die Sommermonate. Wenn wir einen Kran einsetzen, ist das Gerüst innerhalb eines Tages abgenommen und wird dann am Boden zerlegt.

Wie lange wird der Dom gerüstfrei sein?
Der Nordturm wird nur für kurze Zeit gerüstfrei sein, bis die letzte Ecke, an der noch gearbeitet werden muss, wieder eingerüstet wird. Erfahrungsgemäß wird es danach acht bis zehn Jahre dauern, bis es wieder abgenommen werden wird.

Wird es eine Zeit geben, in der der Dom längerfristig gerüstfrei ist?
Ganz gerüstfrei werden wir und die kommenden Generationen den Dom nie erleben. Meine Vorgängerin Barbara Schock-Werner hat einmal gesagt, dass der Dom ohne Gerüst eine Horrorvorstellung sei. Denn das bedeute, dass er nicht erhalten würde. Das ist ein ganz wichtiger Gedanke, dem ich natürlich zustimme. Also immer, wenn man ein Gerüst am Dom sieht, weiß man: Wir arbeiten daran. Und das wiederum bedeutet, dass die Welt nicht untergeht.

Ein beruhigender Gedanke.
Genau.

Im Dezember 2020 entscheidet die UNESCO über eine Aufnahme des Bauhüttenwesens in die Liste des Welterbes. Wie schätzen Sie die Chancen ein und warum sollte die UNESCO dies tun?
Die Dombauhütte Köln ist neben den anderen deutschen Bauhütten seit März 2018 in die deutsche Liste des immateriellen Kulturerbes eingetragen. Wir haben gemeinsam mit fünf anderen Ländern bei der UNESCO den Antrag gestellt, in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Welt aufgenommen zu werden. Wir denken, die Bauhütten leisten in Europa eine ganz wichtige Aufgabe. Sie sorgen dafür, dass solche Großkirchen wie der Kölner Dom für die Zukunft erhalten bleiben. Sie hüten das Wissen um die Bauwerke. Sie geben die besonderen Handwerkstechniken an die nächste Generation weiter. Die Bauwerke werden Tag für Tag genau beobachtet, um zu vermeiden, dass aus kleinen Schäden größere werden. Aus all diesen Gründen haben wir ein Alleinstellungsmerkmal und könnten Vorbild für andere große Bauwerke in der ganzen Welt sein. Ich sehe daher eine gute Chance, dass wir in die Liste aufgenommen werden.

Köln, Dom, Erneuerung der Blei- abdeckung über der Marienkapelle © Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Köln, Dom, Erneuerung der Bleiabdeckung über der Marienkapelle
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Mira Unkelbach

Dombaumeister

Köln, Dom, Gesamtansicht, Ansicht von Westen
© Hohe Domkirche Köln, Dombauhütte; Foto: Jennifer Rumbach

Haben Sie einen Lieblingsplatz im oder am Kölner Dom?
Das ist immer eine sehr gemeine Frage, da der Dom an vielen Stellen wunderschön und auch sehr besonders ist. Ich bin gerne dort, wo wir seit vielen Jahrzehnten keine Gerüste mehr stehen hatten und daher dort niemand mehr war. An jeder Stelle des Doms gibt etwas zu entdecken, was man vom Erdboden aus nicht sehen kann. Die vielen Details, die die Handwerker im Laufe der Jahre am Dom hinterlassen und sich damit selbst verewigt haben, sind wunderbar. Auch der Vierungsturm, der Mittelpunkt von Köln, ist eine wundervolle Stelle. Bis zum heutigen Tag werden alle Entfernungen nach Köln bis zum Vierungsturm gemessen.

Welche Projekte beschäftigen Sie in den nächsten Jahren?
Es gibt viele Projekte, die wir schon seit Jahren vorbereiten und an denen wir noch über Jahre hinweg arbeiten. Wir haben große Baustellen. Dazu gehört die Sanierung des Domchors, also des ältesten Bauteils des Kölner Doms. Die Türme bleiben ein Thema. Wichtig sind auch die Fenster des 19. Jahrhunderts. Sie schlummern noch in unseren Archiven und müssen wieder in den Dom zurückgebracht werden. Das heißt, die Notverglasungen der Nachkriegszeit werden ersetzt. Dies wird uns die kommenden zwölf bis fünfzehn Jahre beschäftigen. Für ein Fenster benötigen wir zwei bis drei Jahre, um es zu rekonstruieren und die Steinwerke darum herum zu restaurieren. An den südlichen Strebewerken des Doms haben wir auch eine Baustelle eröffnet. Bis etwa 2070 werden wir an der Südseite des Doms arbeiten. Die Domumgebung bleibt ein Thema.

Ich möchte noch einmal an eine frühere Frage anknüpfen: Ist es nicht frustrierend, abends nach Hause zu gehen und ständig offene Projekte vor sich zu haben?
Man hat kleine Teilerfolge. Ich finde es schön, wenn man weiß, was man bis zu seiner Rente noch alles machen darf. Das ist doch toll. Und es gibt immer noch Überraschungen. Jeden Tag.

Ihnen scheint es mit dem Dom nicht langweilig zu werden.
Ich rechne nicht damit.
(Susanne Rothe)

Die Domplombe

Im November 1943 hatte eine Fliegerbombe den Kölner Dom am Nordturm getroffen und ein zehn Meter hohes Loch geschlagen. Der Stützpfeiler war so stark beschädigt, dass man ihn mit der sogenannten Domplombe sicherte. Als Füllung des Lochs nahm man 20.000 Ziegelsteine. In der Nachkriegszeit gab es keinen Bedarf an der Situation etwas zu ändern. So hat die Ziegelplombe viele Jahrzehnte überdauert. Später kam der Wunsch auf, den Dom auch an dieser Stelle zu rekonstruieren. Es wurde zum Streitfall in der Denkmalpflege, ob man diese „Kriegswunde“ beseitigen darf oder nicht. Das Ergebnis: Der Schaden wurde zwischen 1995 und 2005 repariert und mit Werkstein verblendet. Bei der Renovierung zeigte sich, dass die Vermauerung sehr solide erfolgt und der Mörtel ausgesprochen hart war. Peter Füssenich sagte dazu 2016 nach seiner Bestellung als Dombaumeister in einem Interview mit koelnarchitektur.de: „Es hätte dem Dom nicht geschadet, wenn die Plombe in der bisherigen Form erhalten geblieben wäre. Sie ist eine Spur der Geschichte gewesen. Die Dombauhütte hat mit der Wiedereinkleidung der Plombe aber ganze Arbeit geleistet.“