AUSSCHLUSSFRISTEN IM ARBEITSRECHT – FLUCH ODER SEGEN

Arbeitsverträge enthalten häufig sogenannte Ausschlussfristen oder Verfallklauseln, nach denen Ansprüche verfallen, wenn sie nicht zügig gegenüber dem Vertragspartner geltend gemacht werden. Diese Regelungen dienen der Rechtsklarheit, können sich aber je nach Situation und Blickwinkel als Fluch oder Segen erweisen.

Mittels Ausschluss- oder auch Verfallfristen soll im Interesse der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens vermieden werden, dass die Parteien eines Arbeitsverhältnisses noch nach langer Zeit mit Ansprüchen konfrontiert werden können. Stattdessen sollen die Vertragspartner dazu angehalten werden, gegenseitig zügig – üblich sind drei Monate – auf den Vertragspartner zuzugehen. Zur Absicherung dieses Ziels sehen derartige Regelungen vor, dass der Anspruch verfällt, wenn er nicht rechtzeitig geltend gemacht wird. Dann ist ein Anspruch unwiederbringlich verloren. Da derartige Regelungen weit verbreitet sind und im Streitfall erhebliche Auswirkungen haben können, sollte man sie bei einem (drohenden) Konflikt stets sorgfältig im Auge behalten.

Wann gilt eine Ausschlussfrist?

Das Gesetz sieht keine knappen Ausschlussfristen vor, sodass ohne eine besondere Regelung nur die allgemeine Verjährung von in der Regel drei Jahren gilt. Ausschlussfristen können jedoch auf verschiedene Wege in ein Arbeitsverhältnis gelangen. Denkbar ist zum einen die Regelung im Arbeitsvertrag selbst, zum anderen finden sich derartige Regelungen häufig auch in Tarifverträgen und gelten dann (unter bestimmten Voraussetzungen) unmittelbar für das jeweilige Arbeitsverhältnis.

Ein- und zweistufige Ausschlussfristen

In der Praxis kommen zwei verschiedene Arten von Ausschlussfristen, einstufige und zweistufige, vor. Einstufige verlangen die Geltendmachung gegenüber dem Vertragspartner in Textform, also nicht mündlich, sondern mindestens per E-Mail oder mit einem vergleichbaren Medium. Zweistufige Verfallklauseln haben auf der ersten Stufe die gleichen Anforderungen wie einstufige Ausschlussfristen. Daran schließt sich jedoch noch eine zweite Stufe an, wenn die andere Vertragspartei den Anspruch ablehnt oder sich nicht erklärt. In diesem Fall muss der Anspruchsteller den Anspruch binnen einer weiteren Frist – üblich sind wiederum drei Monate –
gerichtlich geltend machen.

Welche Ansprüche werden von Ausschlussfristen erfasst?

Ausschlussfristen erfassen die allermeisten Ansprüche in einem Arbeitsverhältnis. Sie gelten sowohl für Ansprüche des Arbeitnehmers als auch für solche des Arbeitgebers. Zudem gelten sie sogar für etwaige Schadensersatzansprüche. Ausnahmen bestehen lediglich bei einer vorsätzlichen Schadensverursachung.

Wirksamkeit der Ausschlussfrist

Wenn eine Ausschlussfristenregelung im Arbeitsvertrag vereinbart wird, ist besondere Sorgfalt auf die Formulierung zu verwenden. Arbeitsvertragliche Regelungen stellen meist Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Gerade im Bereich von Ausschlussfristen hat die Rechtsprechung immer wieder neue Anforderungen aufgestellt, ohne deren Beachtung eine Ausschlussfristenregelung unwirksam ist.

Für Arbeitnehmer ist es besonders günstig und für Arbeitgeber sehr misslich, wenn der Arbeitsvertrag eine unwirksame Ausschlussfristenregelung enthält. Für die Ansprüche des Arbeitnehmers gilt sie in diesem Fall nicht, der Arbeitgeber darf sich aber umgekehrt nicht auf die Unwirksamkeit berufen, weil er die Regelung selbst vorgegeben hat. Seine Ansprüche gegen den Arbeitnehmer unterliegen deshalb in einer solchen Konstellation sehr wohl der Ausschlussfrist.

Unwirksamkeit aufgrund eines Schriftformerfordernisses

Eine Fallgruppe, die zur Unwirksamkeit führen kann, geht auf eine Gesetzesänderung im Jahr 2016 zurück. Früher konnte in Ausschlussklauseln die Geltendmachung in Schriftform, also mit handschriftlicher Unterschrift, verlangt werden. Nach der Gesetzesänderung durfte in Ausschlussfristen aber nur noch die Geltendmachung in „Textform“, also verschriftlicht, aber ohne das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift, verlangt werden. Wird in Arbeitsverträgen, die ab dem 01.10.2016 geschlossen wurden, in der Ausschlussfrist die Schriftform verlangt, ist die Regelung unwirksam. Die Praxis zeigt, dass viele Arbeitsverträge noch nicht an die Gesetzesänderung angepasst wurden – mit gravierenden Folgen.

Unwirksamkeit wegen fehlender Ausnahme für Mindestlohnansprüche

Nach einer jüngeren Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts muss eine Verfallklausel außerdem eine Ausnahme für Mindestlohnansprüche vorsehen. Das Bundesarbeitsgericht stützt sich darauf, dass Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht abdingbar seien, sodass sie auch nicht aufgrund einer Ausschlussfrist verfallen könnten. Deshalb müsse der Arbeitsvertrag eine Ausnahme vorsehen. Anderenfalls könne der Arbeitnehmer von der Geltendmachung dieser Ansprüche abgehalten werden, wenn ihm suggeriert wird, dass auch Mindestlohnansprüche verfallen könnten.

Ausnahmen von der Anwendung einer Ausschlussfrist

Auch wenn eine Ausschlussfrist wirksam ist, heißt das noch nicht, dass sie in jedem Einzelfall dazu führt, dass Ansprüche verfallen, wenn sie nicht rechtzeitig geltend gemacht sind. Es gibt nämlich Fallkonstellationen, in denen ein Anspruch ausnahmsweise nicht ausdrücklich erhoben werden muss, um eine Ausschlussfrist zu wahren. Es handelt sich hier um Fälle, in denen ein Anspruch durch den Vertragspartner bereits „streitlos gestellt“ wurde. Wenn etwa der Arbeitgeber in einer Lohnabrechnung bestimmte Gehaltsbestandteile ausgewiesen hat oder ein Auszug aus dem Arbeitszeitkonto ein positives Guthaben ausweist, stellt der Arbeitgeber die Ansprüche hiermit im Sinne dieser Rechtsprechung streitlos – mit der Folge, dass der Arbeitnehmer nicht mehr verpflichtet ist, zur Wahrung der Ausschlussfrist den Anspruch in Textform gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen.

Was folgt daraus für die Praxis?

Ausschlussfristen bieten erhebliche Vorteile, da sie für Rechtssicherheit sorgen und die Parteien des Arbeitsvertrages davor bewahren, dass alte Forderungen angesammelt werden. In der Praxis schützen sie meist den Arbeitgeber davor, mit Forderungen überzogen zu werden, wenn es auf eine Trennung nach möglicherweise (sehr) langem Arbeitsverhältnis zugeht. Sie können aber auch den Arbeitnehmer schützen, insbesondere wenn er sich schadensersatzpflichtig gemacht hat.

Um den Zweck einer solchen Regelung nicht zu gefährden, gilt es aber, bei der Formulierung der Regelung große Sorgfalt anzuwenden. Eine wirksame Gestaltung ist angesichts der inzwischen sehr strengen Anforderungen der Rechtsprechung nicht einfach. Zudem unterliegt diese – wie vieles im Arbeitsrecht – einer steten Weiterentwicklung. Vor diesem Hintergrund sollten derartige Regelungen – wie Arbeitsverträge insgesamt – jedenfalls alle zwei Jahre daraufhin überprüft werden, ob die Regelungen noch dem aktuellen Stand der Rechtsprechung gerecht werden. (RAe Dr. Andreas Nadler und Dr. Florian Langenbucher)

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Rechtsanwalt Dr Andreas NadlerUnser Gastautor: Dr. Andreas Nadler

Dr. Andreas Nadler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er ist Partner in der Kanzlei Busse & Miessen Rechtsanwälte. Gemeinsam mit Rechtsanwalt Florian Langenbucher berät er Sie in allen Bereichen des Arbeitsrechts.

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