Der Clou war ihre Leichtigkeit – sowohl im Design als auch in der Handhabung. Das machte die Vespa in den Sechzigerjahren zum Kultobjekt einer stilbewussten Jugend. Die „Mods“ setzten den Trend, der uns heute noch bewegt – gerne auch nach Feierabend, etwa raus zum Heimatblick oder zum Arp-Museum nach Remagen.

Dabei war der Anfang des Vespa-Kults gar nicht so friedliebend: Denn einmal im Jahr wurde sich geprügelt. Im ganz großen Stil. Im englischen Seebad Brighton. Damals. In den Sechzigerjahren. Sie fuhren aus dem Swinging London in die Beschaulichkeit an der britischen Kanalküste, um sich „eins über die Mütze“ zu geben. Rocker und Mods. Der Unterschied, der die Schläge setzte, war: die Rocker kamen mit dem Motorrad, die Mods mit der Vespa. Dazwischen lagen Welten. Das war nicht nur pure Prügelei, sondern das war die Auseinandersetzung um Lebensstil, um Jugendkultur, um ewigwährende Coolness. Gewinner gab es keine in diesem Kampf zwischen Upperclass Kids und Arbeiterkindern. Doch ein Sieger stand bald fest: die Vespa. Der Motorroller aus Italien ist heute noch Kult, während Rocker sich in Bandenkriegen verlieren und Mods längst eine Fußnote in der Geschichte sind. Und mit dem Kult blieb vor allen Dingen eines: ein Lebensgefühl.

Ein Herz und eine Krone

Da waren zunächst ein Herz und eine Krone. Ein amerikanischer Film – mit dem Originaltitel „Roman Holiday“ – aus den Fünfzigerjahren mit Audrey Hepburn und Gregory Peck in den Hauptrollen. Die Handlung ist schnell erzählt: Eine Prinzessin (Hepburn) aus einem Fantasieland ist auf Staatsvisite in Rom. Sie bricht aus dem höfischen und diplomatischen Zeremoniell aus und macht eine Sause in der Stadt des Dolce Vita. Begleitet wird sie von einem amerikanischen Journalisten (Peck), der auf die große Story hofft, sich dann – wie sollte es auch anders sein – in die anmutige Prinzessin verliebt. Rom erkunden die beiden nicht mit dem Taxi und nicht mit der Limousine, sondern mit der Vespa. Damit war der Grundstein zum Mythos des leichten Lebens, des süßen Nichts und der Ewigkeit des Augenblicks gelegt. Hinzu kam, dass Peck selbstredend in einem maßgeschneiderten Anzug auf dem Roller saß, während Hepburn – wie immer ganz stilsicher – im Look der Fiftys Mode und Ton angab.Diese Stilsicherheit übernahmen die Mods etwa zehn Jahre später. Sie waren stets gut gekleidet, edel im Geschmack und vor allen Dingen mobil. Doch nicht mit öltriefenden Ketten, knatternden Auspuffrohren, offenliegenden Motoren, sondern mit diesem Hauch von Noblesse, die eine Vespa ausstrahlt, wenn sie sich ihre Schlupflöcher im Stadtverkehr sucht. Die Geschichte der Vespa beginnt bereits 1946. Enrico Piaggio gibt die Serienproduktion des Motorrollers in Auftrag. Eigentlich war er Flugzeugbauer, doch nach dem Krieg war das Geschäft mit den Fliegern mühselig. Also erhoffte er sich eine neue Einnahmequelle. Und fand sie. Grund dafür war auch das geschickte Marketing, das Piaggio unternahm, um seine Vespa zunächst an den Mann, dann auch an die Frau zu bringen. Schon in den Fünfzigerjahren gehörte der Motorroller zum Straßenbild italienischer Städte wie der VW Käfer zu deutschen Dörfern. Die Mods machten daraus später ihren eigenen Film: Quadrophenia kam zwar erst Ende der Siebzigerjahre in die Kinos, basierte aber auf dem legendären Album von The Who. Mit all den Hits, dem ganzen Sound einer Epoche, dem Willen, dem Werden, dem Fernweh – und auch der Korrektheit.

Stiff Upper Lip

Die Vespa war und ist Stil. Aber auch eine Aussage. Eine eindeutige. Wer sich heute für den Roller entscheidet, der will nicht mit einer Harley Davidson in den Sonnenuntergang biken, der will nicht im übertechnisierten Wagen stundenlang einen Parkplatz suchen, sondern sich als Stadtmensch zielsicher fortbewegen oder spontan einen Ausflug wagen. Er möchte unabhängig sein, den Fahrtwind spüren. Im gehörigen Maß. Das kann man mit einer Stiff Upper Lip abtun und belächeln. Doch in den Städten ist die Vespa durchaus ein Vehikel der Zukunft. Günstig im Verbrauch, wendig, urban. Auch in Bonn gibt es diesen Mythos. Der Vespa-Club Bonn lebt diesen Kult und lädt Vespa-Interessierte gerne zu heimeligen wie hemdsärmeligen Clubabenden ein.

Mittwochs abends wird auch Bonn zur Vespa-Hauptstadt – am Rhein. Am Fähranleger Niederdollendorf trifft sich die „Fähr Gang“ zur gemütlichen Tour am Rhein entlang, hoch ins Siebengebirge, quer durch die Stadt. Die Mitglieder des Vespa-Club Bonns gehen gerne auf große Fahrt. Gerne auch über und durch die Alpen ins Heimatland des Motorrollers.

Ein SprintVespa-C

Aber eine Vespa ist längst nicht nur dem Hauch der Sechzigerjahre und italienischer Grandezza verhaftet, sondern bleibt mit neuen Modellen stets aktuell. Im Dezember letzten Jahres brachte Piaggio die Vespa Primavera auf den Markt, in diesem Jahr folgte die Vespa Sprint. Diese unterscheidet sich von der Primavera nur in zwei Details: Ihre Scheinwerfer sind eckig und nicht rund, die Aluminium-Gussräder wurden filigraner gearbeitet und haben einen größeren Durchmesser. Damit ist die Sprint für viele die schönste Vespa, die allerschönste Vespa, die es je gab.

Der Fahrbericht: Die Vespa Sprint bringt maximal 80 Sachen Spitze. Die Motorisierung entspricht nicht dem, was man von einem Vehikel, das „Sprint“ heißt, erwartet. Die 125er-Version mit ihrem 10,7 PS starken, Dreiventil-Einzylinder-Motor bewegt das 130 Kilogramm schwere Gefährt ausreichend. An Ampelkreuzungen kommt man gut aus den Puschen. Dafür ist die CVT-Automatik verantwortlich, die das Gasgeben sanft und geschmeidig in Vortrieb umsetzt.

Doch einmal in Fahrt, wäre etwas mehr Spritzigkeit einfach mehr Sprint. An Technik haben die Motorroller traditionell nur das, was sein muss. Das dann aber qualitativ hochwertig: Chromspiegel, Sitzbezug, die Bedienung der Frontklappe oder den Stauraum unter dem Sitz, der angenehmerweise auch großen Helmen eine Heimat gibt, wenn man unterwegs ist. An Gadgets gibt es ein spartanisches Instrumentarium mit Tachometer, Wegstreckenzähler und eine Zeituhr. Licht und Blinker lassen sich gut und bequem bedienen. Auch optisch machen die Schalter eine bella figura, sofern man das von Bedienelementen in der Motorroller-Industrie behaupten kann.

Über Stock und über Stein

Als einziger Motorroller der Welt basiert die Vespa Sprint auf einer Stahlkarosserie. Das zahlt sich im Fahrkomfort aus, wenn es über Bonns Straßenbahnschienen, Schlaglochpisten oder Schüttelstraßen geht. Der Federweg von jeweils circa sieben Zentimetern vorne wie hinten dämpft, was das Bonner Straßenbauamt nicht ausbügeln kann. In puncto Sicherheit wäre ein Antiblockier-System das Nonplusultra, mindestens ein Einkanal-ABS, das das Vorderrad auf regennassen, laubbedeckten, irgendwie rutschigen Straßen im Zaum hält. Dafür gibt es die neueste Vespa in vier Trendfarben, ob frisch wie ein Sommerregen oder auch in zeitlosem Schwarz – wer Eleganz liebt, lebt und fahren möchte. Wer sich um die Umwelt sorgt, dem sei gesagt, dass die Sprint gerade einmal drei Liter Super auf einhundert Kilometer benötig. Die Abgasreinigung erfolgt nach Euro-Drei-Norm. Wohlan!

Im vergangenen Jahr wurden bei Piaggio 130.000 Vespas gebaut. Zehn Jahre zuvor waren es nicht einmal die Hälfte, die das Werk in Italien verließen. In diesem Jahr rechnet man mit einem weiteren Plus und noch mehr begeisterten Vespa-Fans, denn dazu summt die neue Sprint zu schön, zu schick und zu gut. Weltweit fahren rund 17 Millionen Roller von Piaggio durch die Metropolen Asiens, an den Traumstränden Südamerikas oder durch die Weiten Australiens. Das ist die Summe aus fast 70 Jahren Vespa-Geschichte mit mehr als 150 Modellen, jeder Menge Filmszenen und Statusobjekten für die ein oder andere Jugendkultur.

Vespa

Klassiker mit Nummer 946

Das spürt man immer noch. Es ist das Italienische. Der Verweis auf die Geschichte, die Fortführung der Eleganz, das Fortschreiben von Formensprache, etwa im Design. Ein wenig Reminiszenz an die Sechzigerjahre hat die Vespa Sprint dann doch, denn mit ihrem Namen erinnert das Gefährt an ein Modell aus dem Jahr 1965. Die Vespa 150 Sprint war bis Mitte der Siebzigerjahre die Sportversion der Vespa. Noch deutlicher wird der Designanklang bei der Vespa mit der „946“ im Namen. Das ist Dolce Vita pur. „946“ erinnert an den 23. April 1946, als Enrico Piaggio die erste Vespa zum Patent anmeldete. Diese Ur-Vespa schaffte immerhin
60 Kilometer pro Stunde, verbrauchte nur zwei Liter Benzin auf einhundert Kilometern. Das Design orientierte sich an den fließenden, weichen Linien der damaligen US-amerikanischen Moderne.

Genau daran knüpft das Modell „946“ an und vereint die klassischen Vorzüge einer Vespa mit moderner Technik. Zu den Pluspunkten zählen die Sitzposition wie auf einem Holland-Rad, der freie Durchstieg zwischen Sattel und Vorbau, die tragende Blechkarosse und vor allem die Agilität und die Grazie, mit der sich auch diese Vespa ihren Weg durch Städte und Stadträume bahnt.

An zeitgemäßer Technik hat die „946“ ein ABS-System mit an Bord sowie eine Traktionskontrolle, die die Angst auch vor glitschigen Straßenbahnschienen nimmt. Die Motorleistung liegt immerhin bei 11,6 Pferdestärken, die etwa 90 Stundenkilometer an Geschwindigkeit schaffen. Der Kraftstoffverbrauch liegt bei etwas über drei Litern Benzin auf einer Strecke von einhundert Kilometern. Das Retro-Modell überzeugt durch kleine, feine Details wie handgenähte Griffe, Modellplakette in der Box oder die verchromte Aluminiumblende mit Gravur „Ricordo Italiano 2013“. Überhaupt Aluminium: Es findet sich an Lenker, Felgen, Seitenabdeckung, vorderem Kotflügel, Spiegel- und Sitzbankhalterung. Dazu kommt ein Scheinwerfer mit LED-Licht. So viel Eleganz, so viel Technik haben ihren Preis, aber man fragt auch nicht bei einem Dolce & Gabbana-Anzug oder einer Tasche von Prada, ob das wirklich, wirklich sein musste.

Zum Petersplatz

Zurück zur Geschichte des Scooters: Sieben Jahre später, also 1953, gibt es ein erstes Facelifting für den Motorroller. Eine neue, leicht veränderte Version kommt auf den Markt. Sie schafft immerhin 75 Stundenkilometer und hat den Scheinwerfer nicht mehr auf dem vorderen Kotflügel, sondern oben am Lenker. Das ist im Dunkeln viel praktischer. Schon im Juni 1956 überschreitet die Produktion die Millionengrenze. Zur zweiten Million vier Jahre später gewährt Papst Johannes XXIII. Vespa-Fahrern eine Audienz auf dem Petersplatz. Himmliches Knattern für die päpstlichen Ohren. Mit dem Roller fahren fortan nicht nur mehr die Italiener zur Arbeit, zum Einkauf, in die Ferien. Oder zu Freunden, quer durch die Stadt.

Aber sicher doch: Das Gefühl kann man auch heute noch haben. Es gibt geführte Touren durch die Ewige Stadt auf dem Sattel einer Vespa. Keine Angst vor dem südeuropäischen Verkehr: Wer möchte, kann sich einen Piloten dazubuchen, dann geht es vier Stunden lang durch enge Gassen, über quirlige Plätze, zu den besten Cafés und den wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Aber wie lautet ein altes Sprichwort: „In Rom sei ein Römer!“ Also rauf auf die 50-Kubik-Vespa und selbst Gas geben, Führerschein vorausgesetzt (www.bicibaci.com, Preis auf Anfrage, Reservierung ein Tag im Voraus). Auch Thementouren sind möglich (scooteroma.com). Diese können einen ganzen Nachmittag dauern oder führen genau die Route entlang, die Audrey Hepburn und Gregory Peck vor sechzig Jahren filmreif wählten. Auch hier kann zwischen Selbstfahrer- und Beifahrer-Tour gewählt werden.

Wer zunächst in Bonn und Umgebung üben möchte, bevor er römisches Pflaster unter die Räder bringt, dem sei ein Ausflug ins Ahrtal, nach Maria Laach oder eine Fahrt ins Vorgebirge zum Heimatblick empfohlen. Der Fahrtwind, der Klang, die Wespe für ein leichtes Leben.

Filmreif – Die Vespa als Hauptdarstellerin in:

  • Up the Junction (Peter Collinson), UK 1967: Der Plot erinnert ein wenig an Dirty Dancing, oder umgekehrt. Romanze über Klassengrenzen führt zur ungewollten Schwangerschaft. Dann ein Unfall und die Tragödie ist perfekt.
  • Quadrophenia (Franc Roddam), UK 1979: Der Kultfilm für alle Vespa-Fahrer. Er dreht sich um den Clash britischer Jugendlicher in den Sechzigerjahren. Dazu die Musik von Pete Townshend.
  • Absolute Beginners (Julien Temple), UK 1986: In den Achtzigern wurde das Lebensgefühl der Mods recycelt. Der Popper brauchte seinen eigenen Film, der natürlich in Vorgriff auf die Neunzigerjahre in Notting Hill, dem Londoner Julia-Roberts-Tummel-Viertel spielt. Die Musik schrieb David Bowie. Das Titellied wurde zum Hit.
  • Roman Holiday, dt.: Ein Herz und eine Krone (William Wyler), USA 1953: Noch Fragen? Der Film, mit dem sich Audrey Hepburn in die Herzen der Kinogänger „vespate“. In Wintermonaten gerne als Wiederholung an grauen, kalten, nebligen Sonntagnachmittagen im Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF). Schade, dass Hepburn in Frühstück bei Tiffany mit langweiligen Taxis durch New York City gurkt.

Style – Perfekt angezogen:

Es braucht keinen besonderen Style für die Vespa-Fahrt durch Bonn. Doch bevor man seinen Roller mit merkwürdigen Aufklebern verunstaltet, ist eines Pflicht: das „Mod Target“ in Blau, Rot und Weiß. Das Erkennungszeichen der Mods, das heute auch noch die Modemarke Ben Sherman ziert. Dazu gehört ein Parka. Wichtig: Helm ist Pflicht!

Hörbar

Diese Titel gehören auf die Playlist einer jeden Vespa-Tour:

  • Booker T & The MGs: Green Onions (1962)
  • The Impressions: You Ought To Be In Heaven (1966)
  • John Lee Hooker: Dimples (1964)
  • Jimmy Smith: Got My Mojo Working (1966)
  • Smokey Robinson & The Miracles: Going To A Go-Go (1966)
  • The Ronettes: Be My Baby (1963)

www.de.vespa.com
www.vespaladen.de
www.vespa-club-bonn.de