Mirko Gaul steht seit neun Jahren im taku im Excelsior Hotel Ernst in Köln hinter dem Herd. 2012 wurde er Küchenchef in dem ostasiatischen Restaurant im Schatten des Doms. Seine Gäste nimmt er mit auf eine kulinarische Reise quer durch die fernen Länder Asiens. Wir sprachen mit ihm unter anderem über die Balance von Säure, Süße und Schärfe und den Unterschied zwischen einer Pekingente aus dem taku und einer aus Peking.

Wir treffen Mirko Gaul zur Mittagszeit im taku. Ein gläserner Steg führt in das minimalistisch eingerichtete Restaurant. An den Seiten stehen Bonsais. In der Küche laufen die Vorbereitungen. Auf dem Herd wird die Marinade für mehrere Pekingenten zubereitet, die für den nächsten Abend reserviert sind. Daneben köcheln in einem riesigen Topf Teile von Krustentieren leise vor sich hin. Auf der Anrichte steht ein kleiner Holzkohlengrill mit Würstchen – Mittagessen für das Team. Im Hintergrund läuft leise Musik. Die sei sonst wesentlich lauter, verrät Marketing Manager Markus Beus. Mirko Gaul richtet für uns drei Teller an, die wir für dieses Interview fotografieren: Rinderfilet mit Aubergine, Miso, Tsukemono, Tartar und Mais; Kalbsbacke, Beef-Tea, Trüffel und Schnittlauch-Öl; Fjordforelle, Quinoa, Liebstöckel, Dashi, Soja, Yuzu und Gartenkresse. Optisch und kulinarisch ein Genuss!

Warum kochen Sie asiatisch?
Weil es für mich die beste Küche der Welt ist. Ich finde die Küche ist spannend, denn ihr Spektrum ist sehr groß.

Sie kochen genau gesagt ostasiatisch …
Ja, wobei der Begriff „ostasiatisch“ gar nichts aussagt. Er ist eher etwas irreführend. Wir starten – aromatisch gesehen – in Indien und reisen bis Japan. Ich koche das, worauf ich am meisten Lust habe. Die indische Küche ist relativ schwer, deftig, scharf und sehr intensiv. Je weiter man nach Osten geht, desto leichter wird die Küche. Die japanische Küche ist eine meiner Lieblingsküchen: Sie ist sehr leicht, sehr produktbezogen und nicht so verspielt. Für mich ist sie die allerbeste Küche.

Verbinden Sie die verschiedenen Küchen in Ihren Gerichten?
Nein, jedes Gericht ist auf ein Land abgestimmt. Es wird in den Ländern sehr unterschiedlich gewürzt. Japaner kochen viel mit Sojasauce, Thailänder nehmen Fischsauce. Von daher kann man die Arten des Kochens nicht richtig miteinander kombinieren, das wäre zu viel Mischmasch. In meinem Menü decke ich aber die Länder aromatisch ab.

Was fasziniert Sie an der asiatischen Küche?
Das ist vor allem der Spielraum, der sich einem Koch eröffnet. Es gibt in Asien Zutaten, von denen wir noch nie etwas gehört haben. Das hat mich nicht mehr losgelassen.

„Die japanische Küche ist eine meiner Lieblingsküchen: Sie ist sehr leicht, sehr produktbezogen und nicht so verspielt.“

Mirko Gaul
Mirko Gaul

Wo haben Sie asiatisch kochen gelernt?
Ich habe im Kölner Hyatt gelernt. Dort gab es damals die Graugans, eines der ersten euroasiatischen Restaurants in Deutschland. Der asiatische Anteil war sehr authentisch. Die Gerichte wurden nur mit deutschen Techniken umgesetzt. Hier arbeiten wir nicht viel anders. Als ich ins taku gekommen bin, habe ich mir sehr viel angelesen. Aber das meiste Know-how habe ich auf meinen Reisen durch Asien erhalten. Unser Hoteldirektor, Henning Matthiesen, ermöglicht es mir, einmal im Jahr für drei Wochen nach Asien zu fliegen – wohin ich möchte. Dort esse ich den ganzen Tag, um zu lernen, wie es vor Ort schmeckt: Mittags Street-Food und abends gehe ich, wenn sich die Möglichkeit bietet, in ein Fine Dining. So erhalte ich einen Eindruck von der Aromatik und dem Unterschied von Street Food und Fine Dining. Das ist sehr spannend, zumal das Street Food häufig besser schmeckt als das Fine Dining.

Schmecken Sie heraus, wie sich die Gerichte zusammensetzen?
Das hängt von der Region ab. In Thailand ist das machbar. In Japan ist es sehr schwierig. In China ist es fast unmöglich, weil auch die Kommunikation für mich leider so gut wie unmöglich ist. In Vietnam ist es wieder relativ einfach, da die Küche von intensiven Gewürzen dominiert wird. Es werden viel Zimt und Sternanis eingesetzt. Starke Aromen, die man direkt erkennt. Aber es geht gar nicht so sehr darum, herauszufinden, was in den Gerichten drin ist, sondern in welche Richtung sie gehen. Sind sie super scharf, säuerlich oder süß oder alles gleichzeitig? Das ist beispielsweise eine sehr schöne Balance. Oder ist die Küche sehr deftig, wie in China? Und dabei gar nicht säure- und schärfebetont. Oder ist sie fein aromatisch, wie in Japan. Es geht also um den Gedanken dahinter.

„Das meiste Know-how habe ich auf meinen Reisen durch Asien erhalten.“

Wo wird man Sie das nächste Mal treffen?
Ich werde auf jeden Fall nach Shanghai fliegen. Die Küche dort muss großartig sein. Dann möchte ich gerne noch einmal nach Hongkong, weil ich dort nicht alles mitbekommen habe. Wenn noch etwas Zeit übrig bleibt, würde ich gerne weiter nach Tokio reisen. Was das Essen angeht, ist Tokio wahnsinnig faszinierend. Sehr teuer, aber auch sehr beeindruckend. Es gibt, was die Produktqualität betrifft, kein vergleichbares Land.

Eckart Witzigmann hat gesagt: „Das Produkt ist der Star in der Küche“ …
Immer.

Setzen die Japaner da noch eins drauf?
Japaner machen es sehr clever. Sie exportieren nicht die excellenten Waren, sondern das, was im unteren Segment des oberen Bereichs ist. Die absolute Topware behalten sie im Land, für die sie auch den entsprechenden Gegenwert erhalten. Ich habe auch Wagyu auf der Karte und hatte ebenfalls Kobe, aber die Deutschen zahlen dafür nicht richtig. Hier sieht es keiner ein, für ein 125 Gramm schweres Stück Fleisch 135 Euro hinzulegen. Das klingt natürlich zunächst völlig abgehoben, aber letztendlich ist es das beste Stück Fleisch, das man essen kann.

Kann man bei uns eine solche Qualität kaufen?
Japanisches Fleisch ist ein Extremfall. Aber wir erhalten durchaus bei uns die beste Ware, die man sich vorstellen kann. Der Fisch, den ich kaufe, schwimmt nachts noch. Ich habe manchmal das Problem, dass der Fisch fast zu frisch ist, weil man dann die Gräten nicht richtig ziehen kann. Bei uns steht das Produkt ebenfalls im absoluten Mittelpunkt. Alles, was wir machen, dient dazu, das Produkt zu unterstützen und seinen Geschmack weiter nach vorne zu bringen.

Oktopus mit thailändischer Tom-Yum, Staudensellerie, Champignons und Chili-Popcorn
Oktopus mit thailändischer Tom-Yum, Staudensellerie, Champignons und Chili-Popcorn
Fjordforelle mit Liebstöckel, Soja-Dashi, Quinoa und Gartenkresse
Oktopus mit thailändischer Tom-Yum, Staudensellerie, Champignons und Chili-Popcorn

Ist man bei uns überhaupt in der Lage, mit dem, was man kaufen kann, typisch asiatisch zu kochen?
Das geht. Die Warenlogistik ist sehr gut, bedingt auch durch die relative Nähe zu Rotterdam, wo alles aus Asien landet. Ich kann mir eine Zitrone für zwölf Euro aus Japan einfliegen lassen. Die Zitrone ist in zwei Tagen in Köln.

Versteht ein europäischer Gaumen Ihre kulinarische Sprache?
Natürlich. Voraussetzung ist jedoch, dass man offen für etwas anderes ist. Es gibt in Deutschland vier oder fünf Restaurants, die auf unserem Niveau asiatisch kochen. Wir sind also nicht einzigartig. Man darf auch nicht zu viel beim Essen nachdenken, sondern sollte einfach den Wohlgeschmack, der sich einem bietet, genießen. Unsere Küche ist nicht schwer zu verstehen, auch wenn sie Gerichte aus verschiedenen Ländern umfasst. Die Küche ist sehr leicht und von daher schon sehr zugänglich.

Was steht heute auf Ihrer Karte?
Wir haben schöne Fjordforelle da, die wir mit einem Liebstöckelkonzentrat servieren. Dazu gibt es einen japanischen Sud, Dashi. Dabei haben wir ein säuerliches Gel von der Yuzu, einer Mischung aus Mandarine und Zitrone. Es hat eine schöne Säure und ist gleichzeitig unheimlich fruchtig. Dazu servieren wir etwas Quinoa (Anm. d. Red.: Körnerfrucht aus den Anden, die glutenfrei ist. Sie wird wie Getreide verwendet, ist aber keines.) Wir haben tolles Beef und weil es so toll ist, gibt es nur etwas Aubergine und Popcorn dazu. 

Wie häufig wechseln Sie die Karte?
Ich habe mir abgewöhnt, das ganze Menü auf einmal zu wechseln. Wir wechseln immer zwei bis drei Gänge an einem Tag aus und dann folgen ein paar Tage später die nächsten Gänge. Außerdem plane ich immer weit im Voraus, richte mich aber dennoch nach den Regionalitäten. Dies ist durch unser Import-Gemüse, das eine andere Saison hat, nicht immer einfach. Mir ist immer wichtig, dass meine Gerichte eine Balance haben. Das habe ich von der Thaiküche gelernt, die Schärfe, Säure und Süße hat. Der Gaumen muss herausgefordert werden und es darf nicht langweilig werden. 

Wie schwer ist es, mit asiatischer Küche in Deutschland einen Stern zu erkochen und über Jahre zu halten?
Ich mache mir da keinen großen Druck. Wir haben den Stern erhalten, als wir sehr viel einfacher gekocht haben und, wie ich finde, nicht so gut wie heute. Wichtig ist, dass man ein gutes Team hat. Das ist das A und O, denn sonst erhält man keine Kontinuität in der Küche. Kontinuität und eine gute Stimmung sind das Wichtigste. Miese Stimmung wirkt sich direkt auf die Teller aus.

Sind Sie mit Ihrem Kochstil ein Exot unter den Spitzenköchen?
Nein, eigentlich nicht. Ich mache auch kein Buhei darum, dass wir einen Stern haben. Die Küche ist etwas Besonderes, ich bin es nicht.

Welche Aromen und Produkte spielen in Ihrer Küche eine wichtige Rolle?
Ich arbeite sehr viel mit Fisch. Schärfe und Säure sind wichtig. Ich verwende häufig Limetten und verschiedene Chilis, damit ich die Schärfe ausbalancieren kann.

Unterscheidet sich Ihre Pekingente von einer, die ich in Peking essen kann?
Die Zubereitung ist die gleiche. Der Prozess ist sehr aufwendig. Es ist wichtig, dass die Ente sehr fett ist. Die Ente wird dann so zubereitet, dass Luft zwischen Haut und Fleisch gelangt. Dadurch wird die Haut später sehr knusprig. Nach dem „Aufblasen“ wird die Ente in Salzwasser blanchiert, dann kommt sie in eine Marinade aus Essig und Gewürzen wie Sternanis, Zimt und Honig. Sie wird dreimal mariniert, immer mit Pausen dazwischen. Die Marinade trocknet und es bildet sich eine schöne Schicht. Bis eine Pekingente fertig ist, dauert es ungefähr 24 Stunden. In China isst man eigentlich nur die Haut und der Rest geht zurück. Wir verwerten das ganze Tier. Bei uns ist der erste Gang die Haut, dann gibt es eine Essenz von der Ente, Dim sums von den Keulen, Brust und Flügel werden verarbeitet. Der erste Gang ist wie sein chinesisches Pendant.

Haben Sie privat ebenfalls eine Vorliebe für asiatisches Essen?
Ja, aber mein Lieblingsgericht sind Königsberger Klopse.

taku im Excelsior Hotel Ernst

Warum sind Sie Koch geworden?
Nach dem Abi stellte sich die Frage, wie es weitergeht. Mir war klar, dass ein Studium nichts für mich wäre. Ich habe immer gerne gekocht und meine ganze Familie kocht gerne und gut. Ich konnte vor meiner Lehre mit dem Messer beinahe genauso gut umgehen wie heute. Daher habe ich mich entschlossen, eine Kochausbildung zu machen und habe schnell gemerkt, dass das genau mein Ding ist.

Haben Sie es jemals bereut? Ich denke dabei an die Arbeitszeiten und den Arbeitsaufwand.
Nein, ich habe es nie bereut. Seit anderthalb Jahren bin ich Vater und denke schon ab und an, dass es schön wäre, auch einmal frei zu haben. Mittlerweile habe ich ein so gutes Team und einen tollen Stellvertreter, dass ich mir ab und an etwas freie Zeit gönne. Bereut habe ich meine Berufswahl nie, und das werde ich auch nie.

Was macht einen sehr guten Koch aus?
Ehrgeiz und der Wille sich stetig zu verbessern. Man muss sich selbst hinterfragen können. Ausdauer und Kreativität. Teamfähigkeit ist unheimlich wichtig, denn so ein Ding schaukelt niemand alleine.

Sind Sie nur Koch oder sind Sie auch Entertainer?
Ich drehe schon meine Runde durch das Restaurant und serviere gerne mit, weil ich meine Gäste kennenlernen möchte. Das macht mir großen Spaß, aber das kann man natürlich nur machen, wenn es der Stress in der Küche zulässt. Als Entertainer sehe ich mich nicht. Ich versuche jeden Gast wenigstens einmal am Abend zu sehen, aber mein Hauptplatz ist definitiv in der Küche.

Denken Sie manchmal an einen zweiten Stern?
Das werde ich öfter gefragt. Auch meine Jungs haken schon einmal nach, ob wir darauf hinarbeiten. Wir versuchen uns natürlich ständig zu verbessern. Es gibt jedoch logistische Grenzen in der Küche, weil sie sehr klein ist und man für einen zweiten Stern etwas mehr Aufwand betreiben muss. Ich sage natürlich nicht Nein, wenn der zweite Stern kommen sollte. Aber ich jage nicht verkrampft hinterher.

Haben Sie ein Vorbild?
Nein, habe ich nicht. Allerdings finde ich es Wahnsinn, was bei Joachim Wissler so auf die Teller kommt. Das ist schon bewundernswert. Aber es gibt niemanden, dem ich nacheifere.

Welches Küchengerät muss man denn unbedingt haben, um Sterneküche kochen zu können?
Eigentlich nur ein Messer.

Viele Spitzenköche haben eine ellenlange berufliche Vita. Ihre fällt deutlich kürzer aus. Hat das einen Grund?
Es hat sich im taku sehr schnell Erfolg eingestellt und man hört ja nicht auf, wenn etwas gerade erfolgreich wird. Deshalb bin ich nicht weitergezogen. Ich bin jetzt im neunten Jahr hier.

Kochen Sie noch privat?
Ja, mittlerweile wieder und das sehr viel. Früher sind meine Frau und ich viel essen gegangen, aber mit einem kleinen Kind ist das nicht mehr möglich. Heute koche ich sehr gerne zu Hause – nicht asiatisch, sondern eher mediterrane Gerichte.

Von wem würden Sie sich gerne einmal bekochen lassen?
Oh, das ist eine gute Frage. (lacht) Von meiner Tochter, wenn sie älter ist.

(Susanne Rothe)

Fotos: P. M. J. Rothe (2), Taku (3)