Die Sonne scheint, es ist richtig warm – „leider Südseite“, wie Rudi Jagusch mehrfach betont. In seinem Garten im Vorgebirge grünt und blüht alles. Auf der Terrasse, dort wo schon einige seiner Krimis und Thriller entstanden sind, sprechen wir darüber, warum er den Kölner Dom in die Luft sprengen lassen wollte, Stephen King bewundert und was das Schöne an Kriminalromanen ist.

Im Frühjahr ist Ihr Roman „Amen“ erschienen, in dem droht jemand, den Kölner Dom zu sprengen. Können Sie sich noch in Köln blicken lassen?
Blicken lassen kann ich mich dort natürlich. Als Schriftsteller ist man ja auch nicht so bekannt wie beispielsweise ein Schauspieler. Aber als ich den Roman bereits geschrieben und auf Facebook und Twitter angedeutet hatte, dass es um ein Sprengstoffattentat auf den Dom geht, da erhielt ich sofort Zuschriften, in denen es hieß: „Lassen Sie den Dom bitte stehen.“

Warum musste es der Dom sein?
Es ging nicht in erster Linie um den Dom. Es sollte nur ein Gebäude sein, das jeder kennt und bei dem jeder ergriffen ist, wenn es gesprengt werden soll. Wir hatten auch an den Bundestag in Berlin gedacht, aber ich bin froh, dass es bei Köln geblieben ist.

In Ihrem Roman ist ein normaler Bürger der Böse. Warum nicht etwa ein gefährlicher Terrorist?
Diese Erwartung hat jeder. Man hört Bombe und schon denkt man an einen terroristischen Anschlag. Dieses Klischee wollte ich nicht bedienen. Ich wollte zeigen, dass es richtig gefährlich wird, wenn es sich um einen anscheinend normalen Bürger handelt, der aber durchgeknallt ist. „Amen“ ist ein Thriller – sehr temporeich und mit zum Teil sehr harten Beschreibungen. Ich denke da in erster Linie an Ines, die Frau des potenziellen Attentäters, die von ihm jahrelang tyrannisiert worden ist … Ich habe auch sehr lange überlegt, ob ich das so schreiben kann, oder ob ich nicht überziehe. Ich habe dann recherchiert und festgestellt: Es ist leider kein ungewöhnlicher Lebenslauf, dass es Frauen bei Männern aushalten, die sie schlagen und demütigen.

Leiden Sie mit Ihren Figuren?
Ja, sehr. Die Ines war grenzwertig, die hat mir schon leidgetan. In einem anderen Krimi habe ich eine Vergewaltigungsszene eingearbeitet, die habe ich bewusst ganz zum Schluss geschrieben, weil ich wusste, dass es mich angreift.

Schreiben Sie solche Szenen trotzdem gerne?
Nein, auf keinen Fall. Viele Leser denken ja oft, da tobt der Autor seine Phantasien aus. Aber das ist bei mir nicht so.

Haben Sie in „Amen“ eine Lieblingsfigur?
Die BKA-Mitarbeiterin Dorothee Ritter, obwohl sie nur eine Nebenrolle spielt. Diese Frau sagt ihre Meinung, gibt Kontra und ist eine starke Persönlichkeit. Bei ihr hat es mir auch sehr leidgetan, dass sie durch einen Schuss so schwer verletzt wurde, dass man ihr das Bein amputieren musste.

Das lag aber doch an Ihnen.
(lacht) Ja natürlich, da bin ich schuld. Aber der eigentliche Fokus liegt in dieser Szene nicht auf Dorothee, sondern auf dem Toten, der neben ihr liegt. So gesehen, hat sie sogar Glück gehabt, denn sie überlebt.

Ihre ersten Krimis spielen in der Eifel. Warum zunächst dort und wieso jetzt mit „Amen“ der Wechsel in die Großstadt Köln?
Meine allerersten Krimis haben sogar hier im Vorgebirge gespielt. Ich habe eine Vorgebirgsreihe geschrieben, denn am Anfang war es für mich einfacher, in der Nähe zu bleiben. Das erleichtert die Recherche. Ich war mit dem Schreiben noch nicht so routiniert und konnte mich dadurch auf das Handwerk des Schreibens konzentrieren. Mit den Eifelkrimis, die danach folgten, wurde ich mutiger.

Wie schwierig war das erste Buch?
Nachdem ich mir vorgenommen hatte, ein Buch zu schreiben, habe ich immer noch drei Jahre gebraucht, bis ich schließlich damit begonnen habe. Die Idee zum Buch war da, doch ich hatte nicht den Mut, es zu Papier zu bringen. Bei dem Gedanken, mich über mehrere Monate mit nur einem Thema zu beschäftigen, bin ich zurückgeschreckt. Ich hatte richtig Respekt! Den musste ich erst überwinden.

Was inspiriert Sie zu Ihren Büchern?
Die Ideen sind einfach da. Aber man geht auch vielleicht ein bisschen offener und beobachtender durch die Welt. Dann sehe ich Dinge, notiere sie mir und kombiniere sie später mit anderen Begebenheiten, die gar nicht so direkt dazu passen. So entstehen Konflikte, von denen ein Krimi ja lebt.

„Amen“ steckt voller kleiner und großer Konflikte. Wie behalten Sie den Überblick?
Ich habe keinen Plotplan. So arbeite ich nicht. Ich schreibe von Absatz zu Absatz. So geht das.

Ich habe gelesen, Sie nehmen sich vor, jeden Tag 6.000 Zeichen zu schreiben. Wie schwer ist das?
6.000 Zeichen sind mein innerer Schweinehund und das Minimum, was ich täglich produziere. Am Anfang war es schwer, mittlerweile ist es Routine. Ich gehe dann nicht ans Telefon oder sonst etwas, sondern ich setze mich hin und schreibe. Ich habe auch keine festen Zeiten, ich schreibe, wann ich gerade Lust habe. Am nächsten Tag lese ich mir das durch und dann geht es weiter. *

Haben Sie einen Lieblingsplatz zum Schreiben?
Am liebsten schreibe ich hier im Garten auf der kleinen Holzterrasse. Ich habe zwar auch ein gemütliches Arbeitszimmer, aber ich bin gerne draußen.

Warum schreiben Sie Krimis und nicht beispielsweise historische Romane?
Bei einem Krimi kann man alles bringen: Ich kann eine Liebesgeschichte einbauen, gruselig werden oder fies. Ich werde mich aber jetzt an einen historischen Krimi herantrauen. Der spielt nicht im Mittelalter, sondern Anfang des 20. Jahrhunderts. Genau gesagt 1918, also nach dem Ersten Weltkrieg. Mehr wird aber nicht verraten.

Woran arbeiten Sie gerade?
Derzeit entstehen zwei Bücher. Das nächste Buch, das im Oktober bei Emons erscheint, heißt „Die Sau ist tot“. Das ist zumindest der momentane Titel. Dann wird im März 2015 im Heyne Verlag „Mordsommer“ erscheinen. Mehr kann ich aber nicht verraten. Danach beginne ich mit dem historischen Krimi.

Was lesen Sie selbst gerne?
Ich lese gerne Thriller und natürlich Sachbücher als Recherche für meine Romane. Manchmal lese ich ganz abgedrehte Bücher wie „Gott bewahre“ von John Niven.

Haben Sie einen Lieblingsautor?
Nein, eigentlich nicht. Ich bewundere Stephen King. Allerdings nicht als Autor. Er hat zwar eine wunderbare Phantasie, aber darum geht es mir nicht. Ich bewundere, dass er es trotz großer Probleme – er war alkoholkrank und hatte auch einen schweren Autounfall – immer wieder geschafft hat, Romane zu schreiben. Das verrät eine enorme Disziplin. Ich lese auch gerne Sebastian Fitzek. Seinen Stil mag ich. Andreas Eschbach lese ich ebenfalls gerne. Er hat großartige Ideen.

Empfehlen Sie uns drei Bücher für die einsame Insel?
Das erste ist „Herr der Ringe“, dann „Säulen der Erde“ von Ken Follett. Das Buch habe ich zweimal gelesen. Und schließlich „Misery“ von Stephen King.

Was ist für Sie die optimale Entspannung?
Wenn ich dazu komme, jogge ich. Dabei Musik hören – das ist für mich Entspannung und ich kann schön meinen Kopf frei laufen. Marathon bin ich auch schon mal gelaufen, aber das ist schon länger her.

Sie wohnen in einem kleinen Ort im Vorgebirge, was bedeutet Ihnen Heimat?
Ich bin ein Typ, der verwurzelt sein muss, hier ist das mittlerweile so. Ich brauche immer etwas länger, bis dieses Gefühl eintritt, aber dann ist das für mich Heimat.

Haben Sie ein Lebensmotto?
„Nicht reden, machen.“

*Anm. der Red.: Dieser Text hat rund 7.300 Zeichen. Also nur etwas mehr als Rudi Jagusch jeden Tag schreiben muss!

(Susanne Rothe)

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