Die Weißenhofsiedlung in Stuttgart ist richtungsweisend für das moderne Bauen. Zwei Häuser der Siedlung, die der Architekt Le Corbusier 1927 entworfen hat, wurden jetzt auf der Liste des UNESCO-Welterbes eingetragen. Auch ein anderer Name ist mit der Weißenhofsiedlung eng verknüpft: Walter Knoll. 1927 hat er neun Musterwohnungen in der berühmten Siedlung ausgestattet und ging damit in die Geschichte der Moderne ein.

Walter Knoll (1876 – 1971) // Wilhelm Knoll (1839 – 1907), der Urvater der Knoll-Dynastie

Walter Knoll (1876 – 1971) // Wilhelm Knoll (1839 – 1907), der Urvater der Knoll-Dynastie

Walter Knoll zählt seit mehr als 150 Jahren zu den international führenden Herstellern hochwertiger Polstermöbel und Objekteinrichtungen. Allein in den vergangenen 15 Jahren erhielt das Unternehmen mehr als 120 internationale Designpreise. Die Erfolgsgeschichte der Knoll-Dynastie begann 1865 in Stuttgart. Wilhelm Knoll eröffnete dort am 6. Juni ein Ledergeschäft. „Knoll Leder“ wird zum Markenzeichen und das Württembergische Herrscherhaus ehrt Wilhelm Knoll zum „Königlichen Hoflieferanten“. Aus der Ledermöbelfabrik wird die Ledersitzmöbelfabrik Wilhelm Knoll. 1907 übernehmen die Kinder Willy und Walter das Unternehmen. Die Söhne suchen nach neuen Formen und Funktionen für die Sitzmöbel. Sie führen den ersten Clubsessel in Deutschland ein.

In den 1920er Jahren schlägt Wilhelm Knoll neue Wege in der traditionellen Polstertechnik ein. Bespannungen mit patentierten textilbezogenen Spiralfedern ersetzen aufwändige Polster. Das „Antimott“-Programm besteht aus leichten Aluminiumsesseln, die erstmalig für die Ausstattung der Zeppeline eingesetzt werden. Walter Knoll, der 1925 seine eigene Firma, die Walter Knoll & Co. GmbH gegründet hat, entwickelt die „Prodomo“-Modelle. Sie sind mit elastischer Stahlbandfederung gepolstert und gelten als die ersten modernen Polstermöbel der Geschichte. Das Großraumflugzeug Do X wird mit den leichten Sesseln und Sofas ausgestattet. Beide Brüder werden von der Moderne inspiriert, die sich unter anderem vom 1919 in Weimar gegründeten Bauhaus ausbreitete – der wichtigsten Schule dieser Entwicklung.

 

Studentenwohnheim in Hamburg 1953 mit „Vostra“-Sesseln und Tischen von Walter Knoll Der Sessel „Vostra“ von Walter Knoll – bis heute ein Beispiel für die zeitlose Qualität guten Designs. Der „Berlin Chair“ – ein wahrer Klassiker der Designgeschichte. Walter Knoll legt den Sessel heute als Reedition wieder auf.

Der Sessel „Vostra“ von Walter Knoll – bis heute ein Beispiel für die zeitlose Qualität guten Designs. (links) // Studentenwohnheim in Hamburg 1953 mit „Vostra“-Sesseln und Tischen von Walter Knoll (mitte) // Der „Berlin Chair“ – ein wahrer Klassiker der Designgeschichte. Walter Knoll legt den Sessel heute als Reedition wieder auf. (rechts)

 

Mit der Ausstattung von neun Musterwohnungen auf dem Stuttgarter Weißenhof gehört Walter Knoll zu den Wegbereitern dieses einmaligen Ensembles. Die Weißenhofsiedlung – auch Werkbundsiedlung genannt – wurde vom Deutschen Werkbund unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe konzipiert. Wichtige Vertreter des Bauhaus und der De-Stijl-Bewegung waren beteiligt. Von den ursprünglich 33 Gebäuden der Weißenhofsiedlung stehen heute nur noch elf.

Die Marke Knoll entwickelte sich weiter: Mit „Vostra“, einem kleinen Sessel aus Buchenholz mit Gurtbespannung, setzt Knoll nach dem Zweiten Weltkrieg ein Zeichen des Aufbruchs. Die klaren Linien des Möbels entsprechen dem neuen Lebensgefühl und verhelfen dem Unternehmen wieder zu internationaler Anerkennung. Der Sessel in der gepolsterten Ausführung zählt zu den ersten großen Sitzmöbelserien der Nachkriegszeit und wird zum Synonym für modernes Wohnen. Das Unternehmen floriert. In den 1970er Jahren entsteht der Geschäftsbereich Contract. Es folgen Aufträge wie die Ausstattung des Flughafens Tegel. Gemeinsam mit Architekt Meinhard von Gerkan entsteht der „Berlin-Chair“ für die VIP-Longe des Flughafens.

1993 kauft die renommierte Möbelfamilie Benz das Unternehmen Walter Knoll. Markus Benz, der älteste Sohn, führt seither die Geschäfte.

Markus Benz, Vorstand und Gesellschafter der Walter Knoll AG & Co. KG

Markus Benz, Vorstand und Gesellschafter der Walter Knoll AG & Co. KG

Herr Benz, was ist das Erfolgsgeheimnis von Walter Knoll?
Walter Knoll gestaltet Lebensräume. Mit meisterhafter Handwerkskunst, wertigen Materialien und einer Ästhetik von bleibender Gültigkeit. Wir wollen Produkte entwickeln, deren gestalterische Werte überall auf der Welt verstanden werden. Das ist unsere Philosophie der „True values“: Wahre Werte sind Werte, die in jeder Kultur verstanden und geschätzt werden. Dazu zählen Respekt, Vertrauen und Verlässlichkeit; und eben Exzellenz in Handwerk, Materialien und Ästhetik. Diese Werte bewahrt und interpretiert Walter Knoll immer wieder neu – seit nunmehr über 150 Jahren.

Welchen Einfluss hatte und hat das Bauhaus auf die Marke?

Das Bauhaus, diese für Architektur und Design so bedeutende Bewegung der Moderne, hat Gestaltungsansätze und Werte geschaffen, die bis heute gültig sind und denen wir uns verpfl ichtet fühlen: eine klare, reduzierte Formensprache und Zeitlosigkeit im besten Sinn. Zudem ist die Geschichte der Familie Knoll unmittelbar verbunden mit dem Aufbruch und der Entwicklung in dieser Zeit: Ein besonderer Meilenstein in der Unternehmensgeschichte war die Werkbund-Ausstellung „Die Wohnung“ 1927 auf dem Stuttgarter Weißenhof unter der Leitung von Ludwig Mies van der Rohe. Dieses bis heute einmalige Ensemble mit seinen großen Baumeistern – darunter eben Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier und Walter Gropius – setzte weltweit Maßstäbe für modernes Bauen und Wohnen. Walter Knoll
stattete fünf Wohnungen von Ludwig Mies van der Rohe und neun Wohnungen insgesamt aus – und ging damit ein in die Geschichte der Moderne.

Das weltweit erste Dornier-Großraumfl ugzeug Do X wurde 1929 komplett mit den leichten „Prodomo“-Modellen ausgestattet.

Das weltweit erste Dornier-Großraumfl ugzeug Do X wurde 1929 komplett mit den leichten „Prodomo“-Modellen ausgestattet.

Wie wichtig ist Design?
Design ist ein integraler Bestandteil der DNA von Walter Knoll. Wir verstehen Design als kulturellen Prozess und als Ausdruck internationalen Lifestyles. In der Zusammenarbeit mit international renommierten Architekten und Designern, darunter Norman Foster und PearsonLloyd aus Großbritannien, EOOS aus Österreich, Ben van Berkel aus den Niederlanden und Claudio Bellini aus Italien, entstehen Möbel und Installationen in herausragenden Gebäuden weltweit. Ihr Anspruch, ihr Lebensgefühl und Know-how – aus London, Wien oder Mailand – verbinden sich in unseren Produkten.

Wo sehen Sie für das Unternehmen noch Potenzial?

Walter Knoll ist heute mit Handelspartnern, Showrooms und Vertriebsbüros in den wichtigsten Industrienationen der Welt vertreten. Unsere Vision liegt im Aufbau eines weltweiten Netzwerkes, um die Marke erlebbar zu machen. Zudem geht es heute mehr denn je im Möbeldesign darum, nicht ein einzelnes Produkt, sondern Interieurs zu gestalten. Interieurs, die Wünsche nach Lebensqualität erfüllen und unser Lebensgefühl beeinfl ussen. Angefangen vom Sofa über Sessel, Stühle und Tische gestaltet Walter Knoll auch Betten, Teppiche und Wohnaccessoires. Dies wollen wir in Zukunft weiter ausbauen: Lebensräume als Ausdruck persönlicher Identität.

 

Lady’s Chair – der Sessel 375, entworfen im Jahr 1957. Lese- und Ruhesessel 368 aus dem Jahr 1956

Lady’s Chair – der Sessel 375, entworfen im Jahr 1957. (links) // Lese- und Ruhesessel 368 aus dem Jahr 1956 (rechts)

 

 

Titelbild: Fabricius erzählt als echter Klassiker Möbelgeschichte: der Conversation Chair, 1972 von Preben Fabricius entworfen.
Fotos: Walter Knoll AG & Co. KG (10)