In Deutschland entscheiden sich jährlich etwa 50.000 Männer für eine Sterilisation. Dieser Schritt muss gut überlegt, jedoch nicht endgültig sein. Durch eine Refertilisierung kann man die Zeugungsfähigkeit wiederherstellen. Wir fragen Dr. Matthias Schmidt, Urologe in Bonn, nach den Methoden und wie groß die Erfolgsaussichten sind.

Das Gespräch führte Peter Rothe.

 

Wie wird die Zeugungsunfähigkeit des Mannes erreicht?
Bei der Vasektomie werden die Samenleiter des Mannes durchtrennt. Sie ist eine weitverbreitete Methode, um bei Männern eine Sterilisation durchzuführen. Alleine bei uns im Urologischen Zentrum am Friedensplatz sind es sechs Männer pro Woche.

Warum entschließen sich Männer zu diesem Schritt?
Oft ist der Kinderwunsch erfüllt, die Lebensplanung ist abgeschlossen oder der Partner soll in der Verhütung entlastet werden. Manchmal muss der Eingriff aus medizinischen Gründen durchgeführt werden, bei Verletzungen oder Entzündungen am Samenleiter oder wenn angeborene Fehlbildungen diagnostiziert wurden.

Kann eine Vasektomie rückgängig gemacht werden?
Ja, das erleben wir am Friedensplatz häufig.

 

„Betroffene sollten sich an einen Spezialisten wenden, der mehr als 50 solcher Operationen jährlich durchführt.“

 

Warum?
Plötzlich tritt eine neue Liebe ins Leben oder in der bestehenden Partnerschaft taucht der erneute Wunsch nach Nachwuchs auf. Für mehr als 90 Prozent unserer Patienten ist eine neue Partnerin mit Kinderwunsch der Hauptbeweggrund.

Laut Statistischem Bundesamt machen sich rund 15 Prozent der sterilisierten Männer Gedanken über eine Refertilisierung, die Hälfte davon entschließt sich letztlich, den Eingriff durchführen zu lassen. Können Sie das bestätigen und warum lassen es nur 50 Prozent der Interessierten durchführen?
Da es sich bei einer Refertilisierung nach vorangegangener Sterilisation um einen Eingriff handelt, der auf eigenen Wunsch durchgeführt wird, müssen die Kosten selbst getragen werden. Die Krankenkassen bleiben hier außen vor. In Deutschland muss man mit etwa 2.500 bis 3.500 Euro für eine Operation rechnen – das ist ein Grund. Der andere ist, um den Samenleiter wieder durchgängig zu machen, gibt es zwei komplikationsarme, aber operative Verfahren, die letztlich die Fruchtbarkeit wiederherstellen, –
auch das stößt häufig Interessierte ab.

Wie lange dauert eine solche Operation?
Beide Methoden dauern etwa zwei Stunden und werden unter Vollnarkose durchgeführt. Unter Zuhilfenahme eines OP-Mikroskops wird mit sehr feinem Nahtmaterial und mikrochirurgischen Instrumenten operiert.

Warum benötigt man ein Mikroskop?
Der Durchmesser eines Samenleiters beträgt nur drei Millimeter und der Spermienkanal nur 0,3 bis 0,5 Millimeter. Da muss man schon genau hinschauen.

Wodurch unterscheiden sich die beiden Methoden und wann kommt welche zum Einsatz?
Die am häufigsten durchgeführte Methode ist die Vasovasostomie (VVS), bei der eine neue Verbindung der beiden durchgetrennten Enden des Samenleiters geschaffen wird. Hierfür muss während der Operation ausreichend Spermiengehalt im Samenleiter nachgewiesen werden. Bei ca. 80 Prozent der Patienten trifft das zu. Für die anderen 20 Prozent ist das zweite Verfahren, die Tubulovasostomie (TVS), notwendig. Hierbei wird ein Samenleiterende mit dem Nebenhodengang verbunden. Zu dieser OP kommt es meist nach sehr langer Verschlusszeit, d. h., wenn eine Sterilisation besonders lange zurückliegt und das Endteil des Samenleiters dadurch verstopft ist und keine Samenzellen im Samenleiter während des Eingriffs gefunden werden.

Was braucht ein guter Operateur für diesen Eingriff?
Ein gutes Auge und eine ruhige Hand müssen gegeben sein, damit die filigrane Arbeit gelingt. Der Umgang mit den mikrochirurgischen
Instrumenten benötigt eine Menge Erfahrung, damit der Eingriff erfolgreich ist. Deshalb sollten sich Betroffene an einen Spezialisten wenden, der mehr als 50 solcher Operationen jährlich durchführt.

Ist denn nach erfolgreicher Operation die Zeugungsfähigkeit direkt gegeben?
Ob es nach durchgeführter Refertilisierung zur erneuten Zeugungsfähigkeit kommt, hängt nicht allein vom Können des Arztes ab, sondern auch davon, wie lange der Samenleiter nicht aktiv war, sprich, wie lange die Sterilisation des Patienten zurücklag. Bei etwa zehn Prozent der Patienten des VVS-Verfahrens kommt es in den ersten Monaten nach der OP zu einer erneuten Verklebung des Samenleiters. Im Falle der selteneren TVS-Methode sogar bei 30 Prozent.

Doch auch, wenn dieser Wiederverschluss nicht eintritt, ist die Fruchtbarkeit nicht garantiert. Üblicherweise führen wir bei unseren Patienten drei Monate nach dem Eingriff ein Spermiogramm durch. Hier überprüfen wir, ob genug Samenzellen im Ejakulat nachweisbar sind. Erfreulicherweise ist das bei 70 bis 90 Prozent der Operierten je nach Verfahren der Fall.

Was heißt das für den Kinderwunsch?
Je jünger die Partnerin und je kürzer der Verschluss, umso höher ist die Chance auf eine schnelle Befruchtung der Partnerin. Die Statistik sagt hier, dass die Chance bei einer 32-jährigen Frau und ihrem Lebensgefährten, dessen Verschlusszeit acht Jahre vor der OP bestand, bei 70 Prozent liegt. Ist sie über 40, sinkt die Quote auf nur 20 Prozent.

Wann ist der Mann wieder voll zeugungsfähig, also wie lange müssen sich Paare gedulden?
Wenn das operierte Gewebe ausreichend ausgeheilt ist, gibt es Frauen, die bereits nach acht bis zehn Wochen nach dem Eingriff schwanger werden. Der Durchschnitt muss sich statistisch etwas länger gedulden, hier dauert es etwa zehn Monate, bis sich ein Baby ankündigt.

Dr. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.

www.urologisches-zentrum-bonn.de

Foto: P. M. J. Rothe