„Ich bin ein Ruhrpott-Prototyp!“, sagt Anja Kruse. Die Schauspielerin ist aus Film und Fernsehen seit vielen Jahren sehr bekannt. Sie hat unter anderem in Serien wie „Das Traumschiff“, „Die Schwarzwaldklinik“ und auch „Forsthaus Falkenau“ gespielt. Jetzt steht sie im Contra-Kreis-Theater in „Der Vorname“ auf der Bühne. In unserem Interview verrät sie unter anderem, was ihre erste Verliebtheit mit „Johanna von Orleans“ zu tun hat und Heimat für sie bedeutet.

Interview: Susanne Rothe

 

Frau Kruse, Sie treten wieder verstärkt im Theater auf, haben Sie Film und Fernsehen den Rücken gekehrt?
Was viele nicht wissen oder vergessen haben: Ich bin eine Theaterschauspielerin und eher zufällig im Fernsehen gelandet. Ich habe dort viele schöne Erfahrungen gemacht, tolle Rollen gespielt und viel Erfolg gehabt, aber meine wahre Heimat ist die Bühne und wird es auch immer bleiben.

Sie hatten Ihren Durchbruch mit der Rolle der Wilhelmine von Lichtenau in dem ZDF-Mehrteiler „Die schöne Wilhelmine“. Was hat sich seitdem für Sie geändert?
Die „schöne Wilhelmine“ war ein einmaliges Geschenk und die Rolle meines Lebens. Ich wurde über Nacht bekannt. Doch „die Kruse“, die bis heute fast jeder kennt, hat erst Wolfgang Rademann mit der „Schwarzwaldklinik“ aus mir gemacht. Die Bekanntheit bietet manche Vorteile (Privilegien) – aber auch viele Nachteile: Neid, Vorurteile und Berührungsängste.

Anja Kruse

Anja Kruse

Trauern Sie alten Fernsehzeiten nach?
Ganz sicher nicht. Ich bin glücklich und stolz, einen Teil Fernsehgeschichte mitgeschrieben zu haben. Heute habe ich andere Prioritäten.

Was ist für Sie persönlich wertiger: Film oder Theater?
Ich kann da keine Wertung abgeben. Beides hat in der Welt der Unterhaltung seinen Platz.

Wie sind Sie überhaupt zur Schauspielerei gekommen?
Ich habe mich verliebt. Da war ich zwölf Jahre alt. Im Deutschunterricht. In die Figur der „Johanna von Orleans“ von Schiller. Von da an war klar, dass die Bretter meine Welt werden würden.

Sie spielen regelmäßig im Contra-Kreis-Theater und stehen jetzt dort wieder auf der Bühne, was ist das Besondere an dem Theater?
Zuerst hatte ich gewisse „Berührungsängste“ durch die unmittelbare Nähe des Publikums. Aber sehr schnell habe ich entdeckt, dass diese „intime“ Arena einen ganz besonderen Charme hat, und vieles kann man dort – wie im Film – „für die Großaufnahme“ spielen.

Sie spielen in „Der Vorname“, was ist das für ein Stück?
„Der Vorname“ ist eine rotzfreche Komödie über einen tabubehafteten Vornamen: Adolf. Mit der Tatsache, dass das Neugeborene diesen Vornamen tragen soll, kommt die Freundesclique nur schwer klar. Und es entfesselt sich ein spannendes und unterhaltsames Streitgespräch über die Unmöglichkeit von Vornamen und anderen Familiendramen …

Können Sie Ihre Rolle der Elisabeth beschreiben?
„Elisabeth“ ist eine sehr gerade Person. Lehrerin, Hausfrau, Mutter und Ehefrau eines Mannes, der zuhause nicht mal den kleinen Finger rührt – und sie ist dementsprechend gestresst. Bislang hat sie es immer allen recht machen wollen. Jedoch läuft sie am Schluss des Stückes zu Hochform auf, als sie endlich ihrem Ärger Luft macht und allen die Meinung sagt.

Was reizt Sie an dieser Rolle?
Die große Aufgabe an dieser Rolle ist die unglaubliche Klarheit und Natürlichkeit, verbunden mit trockenem Witz und ohne gekünstelte Sentimentalität – ein sehr anspruchsvolles Rollenstudium.

Das Stück genießt schon beinahe Kultstatus, woran liegt das?
Zum einen liegt das sicher an dem Reizwort „Adolf“. Zum anderen aber sicher auch an dem absolut für jeden nachvollziehbaren Plot, wo Freunde sich über bestimmte Themen – politisch, persönlich, sexuell – in die Haare kriegen.

Wie verstehen Sie sich mit Ihren Schauspielkollegen, oder anders gefragt: Muss man sich sympathisch sein, um zusammen spielen zu können?
Man muss nicht. Denn Schauspieler heißt „spielen“ und nicht „sein“. In unserem Ensemble verstehen wir uns großartig – das ist zwar keine Bedingung, aber es erhöht den Spaßfaktor ungemein.

Gibt es eine Rolle, die Sie besonders gerne spielen würden?
Ich freue mich ungemein auf die Rolle der Frau Alving in Ibsens „Gespenster“ im Frühjahr 2018 – die konsequente Folge auf meine „Nora“ 1985.

 

„Ich habe mein Leben auf der Basis des Buddhismus aufgebaut. Das verändert alles.“

 

Sie spielten vor kurzem noch in Frankfurt, jetzt sind Sie in Bonn. Ist dieses „heute hier und morgen da“ nicht nervig?
Ich habe nie ein anderes Leben gekannt – außer während meiner Schulzeit. „Herumzigeunern“ gehört halt zu diesem Beruf dazu. Und ich schaffe es immer, mir überall, wo ich bin, mein eigenes kleines Zuhause zu schaffen.

Hat man, wenn man so lebt, noch heimatliche Gefühle?
Ich bin sehr heimatverbunden! Das bedeutet: nach Hause kommen, alles Vorherige ablegen und sofort in die dortige Tradition verfallen. Das heißt: zuhause in Südfrankreich in Strandshirt und Flipflops schlüpfen oder in Salzburg sich ins Dirndl werfen.

Sie stammen aus dem Ruhrpott. Den Menschen, die von dort kommen, sagt man nach, sie seien schlagfertig, trocken und frech. Können Sie sich damit identifizieren?
Ich bin ein Ruhrpott-Prototyp!

Sie sind eine sehr attraktive Frau, ist gutes Aussehen in Ihrem Beruf hilfreich – Segen oder Fluch?
Attraktivität ist im Beruf einer Schauspielerin nicht unbedingt ein Segen. Es begrenzt einen auf ein gewisses Rollenfach. Das ist schade.

Ist es für Frauen, die in einem reiferen Alter sind, schwerer, gute Rollen zu bekommen?
Falten und „Jahresringe“ sind den meisten Fernsehmachern in Deutschland – Drehbuchautoren, Redakteuren, Produzenten – offenbar peinlich. Das Theater ist nicht so oberflächlich. Dort gibt es eine Menge spannende Rollen.

Machen Sie sich Gedanken über das Älterwerden?
Ich mache mir erst Gedanken, wenn der Körper nicht mehr so will …

 

„Der Vorname“: Janina Isabell Batoly (v. lks.), Werner Tritzschler, Sebastian Goder, Anja Kruse und Pascal Breuer

„Der Vorname“: Janina Isabell Batoly (v. lks.), Werner Tritzschler, Sebastian Goder, Anja Kruse und Pascal Breuer

 

Haben Sie ein Schönheitsgeheimnis?
Mein Geheimnis: Wahre Schönheit erstrahlt von innen. Wenn ich nicht an meinem inneren Selbst arbeite, hilft auch die teuerste Creme nicht.

Die Schauspielerei wird oft mit Glamour und Glitzer gleichgesetzt, wie gehen Sie damit um?
Mein Beruf ist „Schauspielerin“. Mein Beruf ist nicht „VIP“. Das verwechseln viele. Mediale Präsenz gehört manchmal zum Handwerk, aber mehr auch nicht. Und man darf nicht vergessen: Glamour und Glitzer kosten einen hohen Preis: die Einschränkung der eigenen Freiheit.

Sie sind seit vielen Jahren Buddhistin, wie hilft Ihnen Ihr Glaube im Leben?
Ich habe mein Leben auf der Basis des Buddhismus aufgebaut. Das verändert alles. Wenn man Mitgefühl, Verantwortung und das Prinzip von Ursache und Wirkung in seinem Leben verankert, bekommt alles eine neue Dimension. Jede Schwierigkeit wird zur Herausforderung, weiter zu wachsen.

Was ist für Sie wirklich wichtig im Leben?
Zu wissen, dass man das Potenzial hat, in diesem Leben glücklich zu werden, und andere zu ermutigen, dass sie dieses Potenzial auch besitzen. Des Weiteren wichtig sind mir meine Freunde und Familie.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
„Der Vorname“ geht in diesem Jahr noch nach München. Dann stehen eine Tournee des im Contra-Kreis-Theaters sehr erfolgreichen Stückes „Adieu und bis gleich“, ein internationales Filmprojekt, ein eigener Soloabend sowie die erste Regiearbeit an.

 

Contra-Kreis-Theater
Am Hof 3 – 5 · 53113 Bonn
Ticket-Hotline: 0228 63 23 07 · 0228 63 55 17
Kassenstunden: Montag 10:00 – 14:00 Uhr, Dienstag bis Samstag  10:00 – 20:00 Uhr, Sonn- und Feiertags 17:00 – 20:00 Uhr

Alle Vorstellungstermine finden Sie hier

 

Fotos: Contra-Kreis-Theater (3)